Meine Freundin Jutta Wilke hat ihren Blog
umgestellt. Weg vom reinen Autorenblog hin zu dem, worum es eigentlich immer
ging und immer geht: zum Leben mit allem, was dazu gehört. Jetzt sitzt und bloggt sie von
dort, wo sie (fast) immer sitzt, wenn sie schreibt: ihrem Küchentisch. Mit
Blick ins Grüne. Und mit Blick ins Bunte. Hier der Link zu ihrem neuen Küchentischblog. Mir gefällt das total gut. Gerade wenn sich das
Weltgeschehen sehr düster zeigt, ist es wichtig, dass wir unserer kleinen
privaten Welt Farbe geben. Viele winzig kleine Farbkleckse können nämlich zu
grossen Farbteppichen zusammenwachsen.
Ich schreibe zwar nicht am Küchentisch,
aber ich sitze sehr oft dort. Seit ich die Küchenmöbel gestrichen habe noch
viel öfters. Es ist erstaunlich, was selbst kleine Veränderungen vermögen. Ein
bisschen Farbe, ein neuer Anstrich, die Deko aufgefrischt – und schon hast du
das Gefühl, ganz neu zu wohnen. Ich auf jeden Fall kann mich nicht sattsehen;
ich weiss gar nicht, wie oft ich seit dem kleinen Upcycling in der Küche
gestanden oder gesessen bin, voller Glück, und mir dachte: Boah hast du es
schön.
Wenn ich meinen Kopf nach links drehe, schaue auch ich
direkt ins Grüne, hinaus in unseren Garten, der mit jedem Jahr schöner wird.
Auch an diesem satten Grün mit seinen Farbtupfern kann ich mich kaum sattsehen.
Es ist, als öffne sich in mir etwas, als nähmen Ruhe und Zufriedenheit in mir
nebeneinander Platz.
Allen, die jetzt denken: Ja, ja, die hat
gut reden, die mit ihrem Haus, möchte ich von der Wohnung meiner Tochter
erzählen. Sie liegt im Industrieviertel von Winterthur, in einem dieser alten
Wohnblocks, eher untere Preisklasse, von aussen dieses hässliche gelb-grau.
Weil das Viertel schon älter ist, liegen die Blocks etwas weiter auseinander,
dazwischen stehen hohe Bäume. Wenn meine Tochter aus der Küche schaut, sieht
sie grün. Wenn sie auf den Balkon geht auch. Vor dem Balkon und auf dem Balkon,
weil er voller Pflanzen ist und ihr Freund dort auch Gemüse züchtet. Betritt
man die Wohnung, betritt man einen Kokon voller Geborgenheit. Früher waren alle
Möbel alt in der Wohnung der beiden, heute stehen ein paar neue da, sorgfältig
ausgesucht und mit viel Liebe und einem Auge für das Schöne. Dank kreativer
Ideen, die sich sehr kostengünstig umsetzen liessen, ist diese Wohnung ein
einzigartiger Ort geworden. Meine Mutter, die die Wohnung zum ersten Mal
gesehen hat, war begeistert. Ich bin’s jedes Mal aufs Neue. Und jedes Mal, wenn
ich diese Wohnung sehe, bedaure ich es unendlich, dass man bei uns in der
Schweiz nur noch einen einzigen Wohnungstyp baut: den mit den grossen Räumen,
den glänzenden Küchen, den riesigen Fenstern, den grausam kalten Badezimmern
und den ewig gleichen Grundrissen– Wohnungen ohne Seele. Zum Glück kann man fast jeder Wohnung eine einhauchen.
Jutta ist mit ihrem Blog dorthin gezogen,
wo sie schon immer geschrieben hat: an ihren Küchentisch. Ich finde Ruhe und
Ausgleich im Garten und beim Neugestalten der Räume. Dabei arbeite ich wann
immer möglich mit dem, was schon da ist. Mit etwas Fantasie kann man
bestehendes Mobiliar in andere Formen und Farben bringen, Bestehendes
aufbrechen, ohne es zu zerstören und dabei etwas ganz Neues schaffen, das im
Kern dennoch vertraut ist.
Jutta, ich schick dir Grüsse an deinen
Küchentisch, wo du wieder schreibst. Auch bei mir ist das Schreiben
zurückgekommen, so heftig und intensiv, dass es mich an den unbezähmbaren
Dschungel im Haus in den Bergen erinnert. Und genau deshalb macht mir dieses
Unbezähmbare nichts aus, ich liebe es sogar, weil ich gelernt habe, wie
befriedigend das Arbeiten in dieser Ungezähmtheit sein kann. Obwohl ich – egal
wie oft und wie hart ich arbeite – nie fertig werde, wächst und wuchert immer
wieder Neues. Ich schaue es staunend an, geniesse den Moment und weiss, wenn
ich das nächste Mal komme, ist alles wieder anders. Aber auch schön (siehe Beweisfoto).
Und so geniesse ich das Gefühl, von Ideen
geradezu überwuchert zu werden, ohne auch nur die leiseste Ahnung, wo ich
anfangen soll, weil ich überall anfangen will. Ich habe für all die vielen
Ideen ein separates Bulletjournal angefangen und damit auch einen Kreis
geschlossen: Das Bullet Journal mit dem Titel «Meine Ideenschmiede» habe ich
nämlich vor ziemlich langer Zeit von Jutta erhalten und nie angefangen, weil
ich immer auf den passenden Moment gewartet habe. Jetzt ist er da. Das Irre an
der ganzen Sache: Ich schrieb an einer Mail an Jutta, als ich mitten im
Schreiben das sprichwörtliche Licht sah, das alles klar machte. Ich weiss nicht
nur, was ich alles noch schreiben möchte, sondern auch als wer und wie. Nur
noch nicht, in welcher Reihenfolge. Dazu aber mehr in einem anderen Post.