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Montag, 29. Juli 2019

E-Mail für dich (3)

E-Mail für dich ist ein offener Mailaustausch zwischen meiner Autorenkollegin und Freundin Jutta Wilke und mir. Wer mehr darüber lesen möchte, klicke bitte hier oder auf das Label "E-Mail für dich" am Ende des Posts.

Weil die Antwort auf Juttas letzte Mail sehr lang geworden ist, habe ich mir den eigentlich zentralen Punkt ihrer Nachricht an mich - das Ziel, vom Schreiben (gut) leben zu können - für eine separate Antwort aufgehoben.

Liebe Jutta

Da hast du dir einen sehr hohen und sehr schwierigen Gipfel ausgesucht. Sozusagen einen Mt. Everest der Berufswelt. Vom Schreiben leben können nämlich längst nicht alle, von den Bucheinnahmen sogar noch viel weniger. Werde ich bei Lesungen gefragt, ob ich von den Bucheinnahmen leben kann, ist die Antwort ein klares Nein. Wird die Frage anders formuliert, nämlich, ob ich vom Schreiben leben kann, ist die Antwort zu meinem Erstaunen immer noch und trotz allem ein Ja. Wie das?

Es ist, wie du in deiner letzten Mail schreibst:

Das sind die Bücher, die ich schreibe, die Lesungen, die ich  mache, die Schreibwerkstätten, die ich veranstalte. Mal sind es Jugendromane, mal kürzere Erstleser und ganz oft ist es alles auf einmal, das bewältigt werden muss.
Wer vom Schreiben leben will, hat - ausser er/sie ist BestsellerautorIn - in den meisten Fälle mehrere Standbeine:
  • Tantiemen (Einnahmen aus den Buchverkäufen)
  • Lesungen
  • Schreibwerkstätten
  • Auftragsarbeiten
  • mit etwas Glück Förderbeiträge
  • einen Teilzeit-"Brot"job
  • usw.
Die erste schlechte Nachricht: Beim eigentlich wesentlichsten Faktor in unserem Beruf, nämlich den Einnahmen aus unseren Büchern, sind wir in einer grässlichen Spirale gefangen, für die wir nichts können: Die Bücher kosten wenig, und 5 bis 10 Prozent Tantiemen auf einen (zu) billigen Verkaufspreis sind noch viel weniger. Bei Tantiemen im Cent- (und nicht im Euro-)Bereich haben wir von Anfang an schlechte Karten.

Die zweite schlechte Nachricht: Wer sich auf zu vielen Lesetouren verzettelt, dem fehlt die Ruhe und oft auch die Zeit zum Schreiben; wer einen sicheren Nebenerwerb braucht, dem fehlt sie auch. Aber genau diese Lesetouren und / oder den Nebenerwerb brauchen wir, weil wir mit unseren Bucheinnahmen alleine nirgendwohin kommen.

Die gute Nachricht: Es ist nicht unmöglich. Man KANN vom Schreiben leben, wenn man es schafft, sich verschiedene Standbeine rund ums Schreiben aufzubauen. Das Schwierige daran, ist die Balance zu finden, weil man nebst alledem auch seine eigene - unbezahlte - Sekretärin, seine PR-Verantwortliche, seine Lesetourlogistikerin usw. ist. Und obendrauf der ganz normale Alltagswahnsinn kommt mit Einkaufen, Haushalt, Kindern. Womit wir dann wieder bei deiner ersten Mail und all den Wänden sind.
 

Mein Fazit: Das mit dem Autoreneinkommen ist ein waschechter Catch 22, eine Katze, die sich in den Schwanz beisst, eine Mission NearlyImpossible. Wenn du also auf dem Weg zum Gipfel müde und erschöpft bist, gönn dir eine Pause; wenn die Strecke zu steinig wird, sei dir immer bewusst, dass du nicht an allem Schuld bist. In unserem Beruf gibt es unbeinflussbare Faktoren, die es uns ganz schön schwer machen können. Da können wir noch so sehr an einem Vorderrad kleben oder Leitern an Wände stellen - die Tantiemen bleiben, wie sie sind. 

Ich finde es verständlich, wenn man zwischendurch ans Aufgeben denkt. Ich finde es legitim, ab und zu zu hadern. Dann sollte man innehalten und den Blick schweifen lassen. Zurück auf die Strecke, die man schon geschafft hat. Hinauf zum Gipfel, den man erreichen will. Und dann weitermachen, sich nicht unter seinem Preis verkaufen, bei zu tiefen Lesungshonoraren oder zu schlechten Buchverträgen verhandeln und bessere Konditionen herausholen oder auch einfach einmal Nein sagen. Prioritäten setzen, Projekte bevorzugen, die mehr Geld bringen, merken, wo die eigenen Grenzen liegen. Und vor allem dranbleiben.

Wenn mich jemand fragt, was für ein Leben als Autorin, die von ihrem Beruf leben will, unabdingbar ist, antworte ich immer sehr prosaisch: Durchhaltewillen". Es folgen dann andere Wörter wie "dicke Haut", "Gelassenheit", "eine Portion Wagemut", "eine Portion Verrücktheit". Und ja, es braucht auch Talent, Kreativität und gutes schreibhandwerkliches Können. Aber letztere alleine genügen nicht. (Leider.) Deshalb hängt seit ein paar Jahren dieses Motivationsschild bei mir an der Wand:


Blöderweise hilft auch dieses Schild nicht immer, denn als mich vor rund zwei Jahren ein Jugendlicher bei einer Lesung - nachdem ich verraten hatte, wie viel, resp. fast gar nichts, ich mit meinem letzten Buch "Hundert Lügen" verdient habe - fragte: "Sie, warum tun Sie sich das an?", wusste ich die Antwort nicht mehr. Mir waren Sinn und Motivation abhanden gekommen.

Heute weiss ich die Antwort wieder. Ich schreibe, weil ich schreiben will. Wie ich damit auch Geld verdienen kann, ist immer und immer wieder DIE grosse Frage. Vielleicht finden wir es ja irgendwann gemeinsam heraus. Ich experimentiere da nämlich gerade heftig herum :-) Und du bist ja sowieso grad auf dem Weg zum Gipfel. Das ist ideal für einen Erfahrungsaustausch.

PS: Ist dir auch schon aufgefallen, dass es in den Social Media fast mehr Leute hat, die uns AutorInnen Ratschläge geben, wie man mit Schreiben (viel) Geld verdienen kann als AutorInnen selber?

Herzlich und mit einem motivierenden Riesenknuddel
Alice

Donnerstag, 6. Juni 2019

This is the life - Update

  • Ich organisiere:
    Die Geschichte fürs Radio. Die Rechterückgabe der Lost Souls Reihe. Lesungen.
  • Ich arbeite für da bux:
    Coverentwürfe begutachten, Bildrechte.
  • Ich lese:
    Diese Woche bei jugendlichen Asylsuchenden in Aarau und in der Mediothek in Rheinfelden.
  • Ich staune:
    Was Josia Jourdan für "Ich, Onkel Mike und PLAN A" auf die Beine stellt.
  • Ich hake ab:
    Die letzten Punkte auf der To-Do-Liste, bevor ich mir eine Auszeit gönne.
  • Ich freue mich:
    Auf England, das Land der Lost Souls. Katas, Aydens und Gemmas Heimat.
  • Ich plotte:
    Band 5 der Lost Souls. Absolut verrücktes Vorhaben, aber es macht sehr viel Freude.
  • Ich streiche Wände:
    Oben, im Haus in den Bergen. Langsam. Bedächtig. Ohne zeitliche Zielvorgabe.
  • Ich geniesse die Natur:
    Auch oben, im Haus in den Bergen. Noch hält sich der Dschungel zurück, noch bleibt es bei hohem Gras und Himbeeren, die wild am Bach wachsen und Stütze brauchen.

Einblick 1: Das Gästezimmer im Haus in den Bergen während und nach dem ersten Anstreichen. Still a long way to go.

 



Einblick 2: Noch ist alles im grünen Bereich.


Donnerstag, 6. April 2017

u-turn back to the roots

Ich hatte einen grässlichen Traum. Der ist schuld daran, dass es heute trotz Donnerstag kein Fundstück gibt, sondern einen Blogeintrag.

Es ist der Eintrag, den ich schon eine Weile vor mich herschiebe, jenen, der mit dem Surfen und dem Wind im Gesicht zu tun hat. Das ist gar nicht so einfach, denn es geht um all die Dinge, über die ich hier nie schreibe. Um das, was mich an meinem Beruf verzweifeln lassen könnte und gelegentlich auch tut. Um die Dinge, über die man nicht spricht. Ich habe bis heute keinen Weg gefunden, über das, was mich in schlechten Momenten umtreibt, offen und ehrlich zu schreiben, und ich werde diesen Weg wohl auch in diesem Blogeintrag nicht finden, denn es gibt Dinge, die nun mal nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind (so, wie in ziemlich jedem anderen Beruf auch). Was ich kann und auch tue: Diese Dinge meinen Geschäftspartnern gegenüber offen formulieren. Ich mache damit gute Erfahrungen und hatte auch gute Gespräche.

Was ich zudem in all den Jahren gefunden habe: Gelassenheit und Galgenhumor. Ich kann mittlerweile über fast alles lachen, das in meinem Beruf eigentlich zum Weinen ist. Und ich habe gelernt, für mich zu entscheiden, was ich einstecken kann und was ich nicht einstecken will (meinem Gitarrenlehrer sei an dieser Stelle herzlich gedankt - er hat mich mit wenigen Worten vor ein paar Jahren auf die richtige Spur gebracht).

Ende 2016 / Anfang 2017 sind aber ein paar Dinge passiert, die mich vollends aus dem Takt gebracht haben. Ich weiss mittlerweile sehr genau, warum es mich im Februar - bildlich gesprochen - gnadenlos in den Sand gesteckt hat. Es waren, nebst den im "Wind im Gesicht" angesprochenen Begebenheiten, unter anderem zu viel Gelassenheit und zu viel Galgenhumor. Aus der Gelassenheit wurde ein gefährliches "mir egal", aus dem Galgenhumor Zynismus. Wenn ich aber eins weiss, dann das: Ich will kein "mir egal" Leben führen, und ich will nicht im Zynismus landen. Dazu liebe ich das Leben zu sehr, dazu ist es mir zu wertvoll.

Es gibt Berufskollegen von mir, die sich zusammengeschlossen haben und gemeinsam für bessere Bedingungen in der Branche kämpfen. Ich war sogar zum Kämpfen zu müde. (Was ich selten bin.)

Und dann kam diese Fahrt nach Zug, wo ich mir im Zug genau das überlegte, was ich damals mit meinem Gitarrenlehrer besprochen hatte. Ich habe mir aufgeschrieben, was ich einstecken kann und will - und was eben nicht.

Die Folge davon: Ich habe zwei geplante Projekte aus Verlagen zurückgezogen. Weil ich eine Kehrtwende mache, einen u-turn, wie das im Englischen so schön heisst. Ich kehre zu meinen Wurzeln zurück. Zurück an den Anfang. Ich schreibe für mich. Denn: Es ist nicht das Schreiben, das mir an meinem Beruf schwer fällt. Es sind nicht die Lesungen, nicht die Begegnungen mit all den Menschen, die ich treffe, es ist nicht mein Beruf (den mag ich sehr), es ist schlicht der Zustand der Kinder- und Jugendbuchbranche - und der Stellenwert, den die Kinder- und Jugendliteratur in der Schweiz hat (so ziemlich keinen). Ich habe nach meinem Entscheid gute Gespräche geführt (siehe oben), natürlich mit meiner Familie, aber auch mit meiner Agentin und meinem Verlag.

Was heisst das nun: Ich schreibe für mich?
Das heisst, ich schreibe ohne Vertrag für ein Projekt, ohne Vorschuss, ohne Sicherheitsnetz (das man in meinem Beruf ohnehin nicht unbedingt hat), ich schreibe genau das, was ich schreiben will, ob das nun massentauglich ist oder nicht (eher nicht). Wenn die Geschichten fertig sind, werde ich versuchen, sie bei einem Verlag unterzubringen, aber nicht zu jedem Preis und zu jeder Kondition. Sollte niemand daran Interesse haben, mache ich die Bücher selber.

Seit ich diesen Entscheid getroffen und auch klar formuliert habe, geht es mir wieder richtig gut. Ich habe so viele Ideen für Geschichten, dass ich kaum weiss, wo ich anfangen soll. Zum Glück ist da da bux, der Verlag, den ich mit zwei Kollegen führe: Der gibt grad sehr heftig den Takt an, weil das zweite Verlagsprogramm im September 2017 erscheint. Es ist eine Freude, daran zu arbeiten.

Leichter wird das Leben als Autorin durch diesen Entscheid nicht werden, dafür freier. Auch das totale Scheitern ist möglich. Ich kann damit leben. Weil es keine Alternative gibt zu diesem Entscheid, zumindest keine, bei der ich mich nicht selber verlieren würde.

PS: Das mit dem Stellenwert von Schweizer Kinder- und Jugendbuchschaffenden treibt mich weiter um. Da habe ich noch kein Rezept gefunden, nicht ab und zu zornig zu werden, oder in der totalen Frustration zu ersaufen. Ich arbeite daran. Hier wäre ich sogar tatsächlich froh um ein totales "mir egal".

Sonntag, 19. Januar 2014

Ochsentour II und Empfindlichkeiten

Da sass ich und brütete über dem Leseplan von übernächster Woche, als das Telefon klingelte. Am anderen Ende meldete sich der Autor, mit dem ich meinen letzten Blogeintrag begonnen hatte. Es war ihm ein Anliegen, ein paar Punkte richtigzustellen. Bevor ich das für ihn mache, möchte ich von dem Gespräch berichten. Es war gut. Offen und ehrlich.

Da sass nämlich am anderen Ende der Leitung einer, der genauso für seine Sache brennt wie ich für meine. Uns beiden sind Bücher wichtig, Autoren wichtig, die Sache wichtig. Beide von uns setzen sich auch abseits vom eigenen Schreiben für das Buch ein - in Vorständen und Kommissionen, ich eher im Kinder- und Jugendbuchbereich, er generell. Und obwohl wir so viel gemeinsam haben, kommen wir doch aus verschiedenen Richtungen. So kommt es, dass wir die gleichen Dinge zum Teil verschieden wahrnehmen.

Erfahrungen prägen. Bei mir ist es so: Es gibt Dinge, die bei uns in der Schweiz passieren, die ich nur sehr schwer wegstecken kann. Weil sie für mich typische Beispiele dafür sind, wie wenig Bedeutung die Kinder- und Jugendliteratur bei uns hat. Eines dieser Dinge sind die Erfahrungen, die ich letztes Jahr in Solothurn gemacht habe. Mein Kollege kommt aus der entgegengesetzten Richtung. Er hat nicht gewusst, wie ungerecht ich selbst im Rückblick vieles empfunden habe - und wie persönlich ich das zum Teil auch genommen habe.

Er hat mir seine Sicht der Dinge erklärt, ich ihm meine. Vielleicht hätten wir das damals direkt nach den Literaturtagen tun sollen, denn vor den Literaturtagen hatten wir heftige Auseinandersetzungen (auch die sehr offen) - nur hat dann das abschliessende Gespräch gefehlt. Also haben wir das heute noch einmal auf den Tisch gelegt. Ich finde es immer noch nicht gut, wie es gelaufen ist. Aber ich weiss jetzt auch, dass ich einfach das Pech hatte, im falschen Jahr eingeladen zu werden. Es war vorher nicht so wie letztes Jahr und es soll dieses Jahr auch nicht wieder so werden.

Es gibt andere Dinge, die generell falsch laufen in Bezug auf das Kinder- und Jugendbuch in der Schweiz. Zum Teil waren wir uns da sehr einig, zum Teil eher weniger, aber sowohl mein Gesprächspartner als auch ich werden daran arbeiten, dass sich das ändert. Den Stellenwert der Kinder- und Jugendliteratur anzuheben ist uns beiden ein Anliegen, so viel ist nach diesem Telefonat sehr klar. Dass es nicht einfach ist, darin sind wir uns auch einig.

Mir hat das Gespräch unendlich gut getan. Ich bin froh, hat der Kollege angerufen. Die Welt, ja nicht einmal die Schweiz, können wir - leider - nicht so schnell ändern. Was ich aber noch ändern und korrigieren kann:

Der Kollege hat vor diesem Buch schon andere Kinder- und Jugendbücher geschrieben. Die Ochsentour ist ihm nicht fremd. Er hat sich - wie ich und aus den gleichen Gründen wie ich - für das "take it" und gegen das "leave it" entschieden. Über unser Honorar, so findet er, sollen andere urteilen.

Vielleicht frage ich den Kollegen bei unserer nächsten Begegnung mal, woher er seine Ruhe nimmt. Ich habe die nämlich trotz aller Gelassenheitsversuche einfach nicht immer. Nicht zuletzt dann nicht, wenn es um die Kinder- und Jugendliteratur geht. In diesem Sinne: Einen herzlichen Gruss und ein herzliches Dankeschön ans andere Ende der Gesprächsleitung.