Ein Jahresrückblick der anderen Art. Momente aus meinem Autorinnenleben.
Unbedingt den Ton anmachen, bevor ihr reinguckt.
Mit Musik fegt es nämlich (noch) mehr.
Dienstag, 27. Dezember 2022
Autorinnenleben pur
Freitag, 23. Dezember 2022
Jahresrückblick
Ich bin mit Mut und Zuversicht ins neue Jahr gestartet. Und der Hoffnung, dass wir Corona loswerden und wieder in ein normales Leben zurückkehren können. Dann kam der Krieg. Die Tulpenfrau in der Ukraine, diese Frau, die ich hätte sein können. Die Sprachlosig- und die Hilflosigkeit. Diese Stärke der Menschen mitten im Krieg, die sagen: "Das Leben geht weiter." Und es ging weiter. Für uns normal, für viele andere Menschen nicht.
Im Herbst begann der Iran, seine eigenen Kinder und Jugendlichen zu töten. Ich sah Bilder von jungen Frauen, die meine Töchter sein könnten. Ich traute mich nicht, mir den Schmerz ihrer Eltern vorzustellen. Ich zog meinen Schutzwall hoch, weil ich das Gefühl hatte, nichts ändern zu können. Rein gar nichts. Viele meiner deutschen Autorenkolleg*innen haben sich zusammengetan, Aktionen gestartet, haben auf den Social Media auf die Geschehnisse aufmerksam gemacht. Ich habe mich zurückgezogen. Weil es zu viel ist: Ukraine, Iran, Afghanistan, Pakistan, Afrika ... die Liste ist unendlich. An dem Tag, an dem die offizielle Schweiz einen finanziellen Unterstützungsbeitrag an die Ukraine nicht jetzt beschliessen wollte (sorry, genauer geht es nicht, weil ich die Zeitungsartikel dazu nicht verstanden habe), habe ich mich unendlich geschämt, privat gespendet und ganz fest gehofft, dass die Tulpenfrau noch lebt.
Seit Jahren sagen wir: "War das ein beschissenes Jahr, das nächste wird besser" - und dann wird es immer noch schlimmer. Denn es sind ja nicht nur die Kriege und die Gräueltaten. Wir verraten gerade auch die Zukunft unserer Kinder, indem wir zwar (fast) alle von Klimaschutz sprechen, aber halt bitte nicht bei uns und nicht gerade das, was uns wehtäte und dann ist da noch die Wirschaft und das Geld und der Konsum und das Wachstum und die Skipiste, die beschneit werden muss usw.
In all diesem Irrsinn ist der Rückzug in die eigene kleine Welt so unendlich wichtig. Es ist (oder wäre) auch wichtig, diese Welt so zu gestalten, dass wir an ihr wachsen können. Dass unsere kleine Welt mit vielen kleinen Welten verschmilzt und viele kleine gute Welten eine bessere grössere hervorbringen.
In meiner eigenen kleinen Welt war das Jahr ein gutes. Meiner Familie geht es gut, sie ist der sichere Hafen, in dem ich mich geborgen fühle. Auch beruflich war es ein gutes Jahr. Ich habe mir sowohl den Mut als auch die Zuversicht erhalten können. Ich habe eine grosse innere Ruhe gewonnen, auch eine wunderbare Gelassenheit. Ich bin neue Wege resp. Trampelpfade gegangen. Mein Körper hat mir Grenzen gezeigt, ich habe aber auch gelernt, dass man diese Grenzen mit Geduld und - schon wieder dieses Wort - Zuversicht schieben kann.
Und jetzt, am Ende des Jahres, bin ich dankbar für das, was ich erleben und fühlen durfte. Ich behalte mein Motto bei: Mut und Zuversicht. Und Liebe. Das ist das, was ich habe und weitergeben kann.
Wer gerne mehr wissen möchte:
Dienstag, 13. Dezember 2022
Ich habe es satt
Nein, nicht meinen Beruf. Der hat mir heute einmal mehr ein Highlight beschert.
Ich habe mein Land satt, resp. die offizielle Schweiz. Drüben auf Instagram hat unsere Regierung einen Account, der eine Unmenge Geld kostet. Und was sehe ich? Schöne Fötteli von glücklichen Bundesräten und Bundesrätinnen. Noch mehr Fötteli von stolzen Bundesräten und Bundesrätinnen. Schöne, heile Bundesratssschweiz.
Liebe Bundesräte und Bundesrätinnen, die Welt brennt. Im Iran sterben Menschen, werden junge Menschen hingerichtet, die das getan haben, was bei uns ein Grundrecht ist: demonstrieren. Und wir so: Gute Dienste, Diplomatie, blablabla. Als ob die iranischen Herrscher sich auch nur mit einem Quadratmillimeter ihres Hintern für unsere guten Dienste interessieren würden. Die lachen und aus.
Wo ist unsere Humanität hin? Hatten wir sie jemals? Ich meine, so als Nation. Im Einzelnen und Kleinen: Ja. Und wenn es im Einzelnen und Kleinen geht, warum nicht im Grossen Ganzen?
Ein wenig Hoffnung habe ich doch noch. Es scheint nämlich langsam auch einem Teil unseres Parlaments zu "gschämig", was der Bundesrat (nicht) leistet. Mehr dazu hier im Artikel von Watson.ch
Freitag, 25. November 2022
Good News, no News, sad News
Der Dienstag war ein irrer und auch ein wenig ein irrwitziger Tag. Kollegin Jutta Wilke und ich steckten in unserer Story fest und suchten einen Ausweg. Das ist zwar harzig, aber immer auch gut, weil mit Jutta zu arbeiten Freude macht.
Am Nachmittag habe ich dann mein neustes Video aufgenommen, in dem es um Lesungen für Jugendliche geht. Ich hatte mir eine Liste gemacht, worüber ich reden wollte, habe wie immer eine Weile lang den Text "trocken" geübt, will heissen, ich habe beim Kaffee machen, beim Haushalten usw. laut geredet und dabei hat sich das, was ich sagen will und wie ich es sagen will herauskristallisiert.
Zwischen zwei Arbeitsschritten hat der Postbote geklingelt und mir die Belegsexemplare der Neuauflage von Hundert Lügen gebracht. Ich hatte ja ziemlich heftig gefiebert und gebibbert, weil ich diesmal nicht sicher war, ob die Druckqualtität genügen würde. Zu meiner Erleichterung ist der Druck gut, bei den Rückblenden könnte er jedoch noch ein wenig besser sein (ich hatte eine sehr feine Schrift gewählt und hatte damit gerechnet).
Ich tanzte also glücklich zwischen Filmauslegeordnung und sonstigem Chaos eine Runde Rock'n'Roll und freute mich. --- Bis ich in die Mailbox guckte.Da war nämlich die Antwort vom Thienemann-Verlag eingetrudelt. Ich hatte - wieder einmal - festgestellt, dass ein Buch von mir von der Liste in meinem Autorenportal verschwunden ist. Päng. Weg. Das bedeutet nie etwas Gutes. Also hatte ich nachgefragt. Die Antwort: "Ja, das Lager ist tatsächlich leer." Es ist nicht das erste Mal, dass Bücher von mir vergriffen sind oder geramscht werden, ohne mich vorher zu informieren. Meistens finde ich das selber irgendwann heraus und muss dann nachfragen, was los ist. Früher hat mich so was genervt. Heute zucke ich mit den Schultern und erlaube mir einen Lacher.
no way out hatte ein gutes, langes Leben. Acht Jahre war der Titel auf der Backlist, sehr viel länger als viele andere Bücher. Ich hätte dem Buch und mir ein würdevolleres Ende gewünscht, will heissen, ich hätte mir gewünscht, man hätte mich vorgängig informiert, wie das eigentlich üblich sein sollte.
Der Dienstag war also der Tag, an dem ein Buch offiziell zurück in das Licht der Welt trat und ein anderes inoffiziell und leise von der Backlist verschwand. So ist es, das Autorinnenleben. Ich bin froh und dankbar, dass ich den Weg ins Self Publishing gefunden habe, das es mir erlaubt, vergriffene Titel wieder neu herauszugeben und damit auch wieder lieferbar zu machen.
PS: Zu vergriffenen Titeln und deren Neuauflagen habe ich vor ungefähr einem Jahr ein Video gemacht: Vergriffen - und jetzt? Darin erzähle ich, was aus all meinen Jugendbüchern geworden ist. Funfact am Rande: Ich habe in dem Video die Prognose gewagt, dass no way out das nächste Buch sein wird, das aus dem Verlagsprogramm fallen wird ...
Mittwoch, 9. November 2022
Leidenschaft
Ich habe vieles im Leben mit Leidenschaft gemacht und tue das heute noch. Ich folge lieber dem Herzen als der Vernunft oder dem "was man machen sollte". Gerade bei den Berufen hatte und habe ich die Gabe, genau solche spannend zu finden, mit denen ich kaum Geld verdienen konnte und kann. Je mehr sie mir Freude bereiteten, desto weniger verdiente ich. Das wurde irgendwann zum Running Gag bei uns in der Familie, und an Tagen, an denen ich weniger gut drauf war, auch zu einem wunden Punkt. Ich reagiere je nach Tagesform sehr empfindlich auf Witze über mein (zuweilen unwürdiges) Einkommen, kann jedoch selber wunderbar Witze darüber reissen, an guten Tagen ausgelassene, an schlechten Tage solche mit sehr viel schwarzem Humor.
Ich erinnere mich, wie ich einmal im Kino, mitten in der Vorführung in einen Lachanfall ausgebrochen bin, weil ich ausgerechnet hatte, wie viel resp. sauwenig Sundenlohn meine Arbeit als Radiofrau hergab (den Namen des Films habe ich vergessen, doch ich denke, so gut kann der nicht gewesen sein, wenn ich mich zum Berechnen eines hundelausigen Stundenlohns ausgeklickt habe). ABER: Ich habe kaum etwas so gerne getan wie Radio machen.
Das gilt auch fürs Schreiben, das gilt auch für meine Arbeit als Verlegerin. Auch hier das ABER: Beides ist unschlagbar befriedigend und schön. Für die Verlagsarbeit gilt das für fast alle Bereiche, beim Autorenleben trifft das für mich eigentlich ausschliesslich auf das Schreiben und richtig gute Lesungen zu. Den Rest kann ich mittlerweile meistens ziemlich gut ausblenden.
Seit elf Jahren habe ich einen Youtube-Kanal. Gestartet habe ich ihn für meine Buchtrailer, später habe ich Fragen von Jugendlichen beantwortet und seit einer Weile gebe ich Einblicke in meinen Beruf. Auch das ist reine Leidenschaft. Bringen tut es mir - ausser Spass und Freude und jeder Menge Dinge, die ich neu dazulerne - nicht wirklich etwas. Es halt ist das, worauf ich Lust habe, sozusagen so was wie Stricken und Wände streichen und im Garten rumkriechen. Im neusten Video beantworte ich übrigens die Frage, ob Autorin ein Traumberuf ist.
Ab Mitte Dezember wird sich mein beruflicher Schwerpunkt vom Schreiben wieder zurück auf den als Verlegerin schieben. Am 15. Dezember ist für unsere Autorinnen und Autoren Abgabetermin und meine Arbeit als Lektorin startet. Bis ungefähr Ende Mai/Juni 2023 bin ich hauptsächlich Verlegerin und Autorin nur im Nebenberuf. In der zweiten Jahreshälfte kehrt es dann wieder: Dann bin ich hauptsächlich Autorin und Verlegerin im Nebenberuf. Sprich, bis Mitte Dezember, also einen guten Monat noch, kann ich mein Autorinnenleben voll auskosten und leben.
Eigentlich (hahaha) wollte ich mit 60 kürzertreten. Ende Monat werde ich 61 und merke, mit wie viel Leidenschaft ich Autorin und Verlegerin bin. Über mein Einkommen reden wir an dieser Stelle lieber nicht. Nur so viel: Ich habe ein Leben lang gearbeitet und werde, wie so viele andere Wenigverdienerinnen, nicht auf eine volle AHV (für die Mitleser*innen aus Deutschland: Rente) kommen. Das, liebe Leute, ist etwas, das mich wütend macht und wo ich auch keine Witze darüber reissen kann. Other than that, I'm perfectly fine, wie es die Engländer so treffend formulieren.
Was immer ihr tut, verliert die Leidenschaft nicht aus den Augen. Werdet nicht wie die mir unbekannte Mitreisende kürzlich im Zug nach St. Gallen, deren Kinder ausgeflogen sind und die ihrer Bekannten erklärte, jetzt sei das Leben vorbei, jetzt gehe es nur noch abwärts, da komme nichts mehr. Oh, doch! Da kommt noch eine ganze Menge! Man muss es nur sehen (wollen).
Freitag, 4. November 2022
Übers Schreiben und Schubladen
Sandkasten-Alice, irgendwann in den Sechzigern
Mein Leben lang habe ich aus mir hinausgeschrieben, was mich beschäftigte, was mir gefiel, was ich selber gerne lesen würde. Ich war ein obdachloser Aussenseiter (in no way out), ich war eine ziemlich zickige junge Frau (in Matchbox Boy), ich war ein zwölfjähriger Junge, der gerne mutig, wild und frei wäre (in Ich, Onkel Mike und Plan A), ich war eine junge Frau, die auf der Suche nach sich selbst ihre Seele verlor (Kata in Lost Souls), ich war ein verzweifelter Jugendlicher, der sich hinter viel Rebellentum versteckte (in Blackout) ...
Diese Auflistung könnte ich endlos weiterführen. Die Kurzfassung: Ich war sehr viele, die ich nicht bin. Ich tat in meinen Büchern sehr vieles, das ich nie im Leben tun würde. Ich war mutiger, wilder, frecher, freier und oft sehr viel brutaler und düsterer als mein wahres Ich. Und trotzdem war in all diesen Figuren doch etwas von mir drin.
Nie, nicht eine Sekunde, habe ich darüber nachgedacht, ob es mir zusteht, in meinen Büchern sehr viel jünger und oft auch noch männlich zu sein und Leben zu schreiben, die ich nicht führe. Schreiben bedeutet nämlich andere Leben leben. Ich schreibe deshalb Fiktion, weil ich nicht über eine ältere Frau mit Kniebeschwerden, gelegentlich heftiger Schlaflosigkeit, einer komischen Frisur und wunderbar normalen Hobbys (also mich) schreiben will.
Ich war noch keine zwanzig Jahre alt, als ich meiner Psychologielehrerin erklärte, ich hasse Schubladendenken. Und heute? Hüpfen die Menschen freiwillig in Schubladen, schreiben sie gross an und tippen dann aus ihren Schubladen hinaus vornehmlich virtuell und leider auch oft laut und schrill und anklagend, wie beschissen es sich anfühlt, in dieser Schublade zu leben. Sie zeigen mit dem Finger auf andere, die nicht in Schubladen wollen, ja, denen sie vorwerfen, sich in ihren Schubladen zu bedienen und dann in freier Bahn zu grasen. Der Vorwurf der Aneignung ist nur einen Grashalm entfernt. Keine OWN-Voice, heisst es. Schreib über das, was du selber erfahren hast, über das was du bist und lebst.
Denken wir doch den Gedanken der Own-Voice mal zu Ende. Ich schreibe Krimis und Thriller. Muss ich jetzt erst mal ein paar Menschen einschüchtern, überfallen, umbringen? So von wegen OWN-Voice? Oder dürfen nur noch Kriminelle Krimis schreiben? Und selbst wenn wir nicht so weit denken: Muss ich jetzt für den Rest des Lebens Bücher über alte, schlaflose Frauen mit Kniebeschwerden und langweiligen Hobbys schreiben? Ja, und dürfte sich denn diese Prota überhaupt verlieben, oder wäre das schon Betrug an meinem Ehemann? Und selbst wenn ich all das richtig machen und in meiner VERY-OWN-VOICE schreiben würde - dann wäre es auch wieder nicht recht, denn dann wäre ich eine dieser typisch egoistischen alten, weissen Frauen, die man getrost auch noch Boomer nennen und pauschal für sämtliches Elend der Welt verantwortlich machen darf. (Ja, ihr lest richtig zwischen den Zeilen: Mich gurkt das völlig Übertriebene einer ursprünglich guten Bewegung mittlerweile nur noch an).
Abseits vom Schreiben befindet sich Harry Styles in einem Shitstorm, weil er es wagt, sich anzuziehen, wie er sich anzieht (ich habe in diesem Zusammenhang ein neues Wort in einer langen Reihe neuer Wörter gelernt: Queerbaiting). Und ein achtzehnjähriger Schauspieler fühlte sich nach monatelangen Hassangriffen gezwungen, sich auf Twitter zu outen, obwohl er das eigentlich gar nicht wollte, gejagt von super-woken Menschen, die für sich die Toleranz zentnerweise beanspruchen und selber ungefähr so viel haben, wie sie in einen halben Fingerhut passt. Ich glaube, das ist es, was mich am meisten stört an der Sache. Wenn jemand in eine Schublade gedrängt wird, tut mir das unendlich leid. Wenn jemand Dinge nicht tun kann, weil er oder sie in eine Schublade gesteckt wird, dann ist das ungerecht und schmerzt. Wenn jemand freiwillig in eine Schublade hüpfen will, von mir aus. Wenn jemand dafür toleriert und akzeptiert werden will. Auch sehr gerne. Wenn jemand nur diesen Weg sieht, auf sein Anliegen, sein Wesen und sein Leben aufmerksam zu machen: Ich verstehe es, und es tut mir weh. Aber es ist so: Toleranz und Respekt sind keine Einbahnstrasse.
Ich möchte im Leben und Schreiben das, was ich ein Leben lang gewollt habe: Als Mensch gesehen werden, mit allen Unzulänglichkeiten, Fehlern und guten Seiten. Ich bin weit mehr als eine alte, weisse, abgehalfterte Boomerin, ich bin ein Mensch mit unzähligen Facetten. In meinen sechzig Lebensjahren habe ich einiges falsch gemacht, aber auch für vieles gekämpft, das heute eine Selbstverständlichkeit ist. Ich weigere mich nach wie vor, mich in einer Schublade einsperren zu lassen. Für meine Herkunft, die mich geprägt hat, kann ich nichts; ich bin dankbar dafür, aber sie ist weder meine Schuld noch mein Verdienst. Meine Eltern haben mir Toleranz, Liebe und Wertschätzung mit auf den Weg gegeben. Und die Zuversicht, dass ich alles sein kann. Deshalb schreibe ich weiterhin aus genau den Perspektiven, die mich interessieren. Und zwar wie seit eh und je: Mit sehr viel Respekt vor dieser Perspektive.
Freitag, 28. Oktober 2022
Just for Fun
Just for Fun. Diese drei Wörter haben bei mir im September ordentlich was ausgelöst. Nicht so, wie der Mensch, der sie ausgesprochen hat, sie wohl beabsichtigt hatte. Was bei mir sehr negativ ankam, hat zu einer meiner Häutungen geführt. So nenne ich das jeweils, wenn ich mich und damit meistens auch meinen Beruf in Frage stelle. Die Häutung hat für einmal gar nicht so lange gedauert, es war auch nicht wirklich eine vollständige Häutung, sondern eher ein Wiederentdecken und Bestätigen meiner Werte.
Was war passiert? Ich war für eine Lesung angefragt worden, sagte zu und erfuhr Wochen später, wie hoch resp. tief das Honorar sein sollte. Ob das so in Ordnung gehe, stand da am Ende der Mail. Ganz ehrlich: Ich war geplättet. Ungläubig schaute ich auf den Betrag, rief Herrn Ehemann dazu, der genauso ungläubig schaute und schrieb dann erst einmal ... nichts. Ich wusste, wenn ich jetzt antworten würde, würde das eine dermassen gepfefferte Antwort, dass ich damit den Menschen, der sie lesen würde, tief verletzen würde, und das wollte ich nicht. Vor allem aber ärgerte ich mich, nicht wie üblich gleich nach dem Honorar gefragt zu haben - ich war davon ausgegangen, dass es in diesem Fall schon stimmen würde.
Nach ein paar Tagen, an denen mir immer noch keine Antwort eingefallen war, gab ich auf und entschied, dass ich es darauf ankommen lassen wollte. Anders gesagt, ich spielte Roulette. Entweder wurde meine fehlende Antwort als ein Nein oder ein Ja interpretiert und ich würde die Lesung machen oder eben nicht.
Es stellte sich heraus, dass mein Schweigen als Zusage gewertet wurde und ich merkte, wie es in mir zu rumoren begann. Ich ärgerte mich darüber, nicht klar und deutlich (und höflich) Nein gesagt zu haben. Irgendwann fand ich dann, dass sich das Ärgern nicht lohnte und beschloss, mich einfach auf diese Lesung zu freuen. Ich beschloss aber auch, dass ich nie mehr so reagieren würde, wie ich reagiert hatte.
Die Lesung war dann wunderbar.
Nach der Lesung wollte ich eine Rechnung schreiben und nahm mir vor, in der Begleitmail zu erwähnen, dass alles ausser dem Honorar toll und wunderbar gewesen sei. Ein Telefonat kam mir zuvor und so kam es, dass ich meine Gefühle am Telefon direkt schildern konnte. Ich stellte mich auf den Punkt, dass Autorinnen und Autoren ein angemessenes Honorar für eine Lesung bekommen sollten. Dass wir uns selber das Wasser abgraben, wenn wir zu tiefen Honoraren lesen. Oder anders: Dass wir eine Abwärtsspirale in Gang setzen würden. Irgendwann im Laufe dieses Gesprächs fiel der Satz: "Für mich lesen die Leute auch just for fun."
Dieser Satz hatte auf mich die Wirkung einer Dampfwalze. Er setzte ausser Kraft, wofür ich mich bisher immer eingesetzt hatte: angemessene Honorare. Denn: Autorin ist ein Beruf. Ich lebe davon resp. möchte gerne davon leben. Das geht nur, wenn ich für berufliche Leistungen angemessen bezahlt werde. Um den armen Bäcker zu bemühen, der immer wieder für Beispiele herhalten muss in meinem Beruf: Ich kann ja auch nicht in eine Bäckerei gehen und fragen, ob ich die Brötchen just for fun bekomme. Ich kann auch nicht ans Steueramt schreiben und erklären, ich fände, es sei jetzt mal Zeit für ein Just for Fun, weshalb ich dieses Jahr aus Spass an der Freude (und weil ich vor lauter Just for Fun Arbeitseinsätzen kein Geld mehr habe) keine Steuern bezahle.
Natürlich habe ich an diesem Anlass nicht Just for Fun gelesen, auch wenn ich viel Freude und Spass hatte. Natürlich habe ich ein Honorar erhalten; es war einfach eins, für das für mich nicht stimmte. Und ja, ich weiss, ich bin selber schuld. Meine gute Autorenkollegin Jutta Wilke hat mir dazu ein paar sehr gute und unangenehme Fragen nach meinen Beweggründen gestellt, die ich ehrlich beantwortet habe und dabei sehr viel über mich und die Art, wie ich ticke, gelernt habe. Danke, Jutta!
Mir ist bei all dem eine Menge klar geworden. Ich kann nur für mich sprechen und handeln. Ich muss das tun, was für mich stimmt. Andere Menschen entscheiden aus vielen (auch guten und sehr nachvollziehbaren) Gründen anders.
Was ich im obigen Abschnitt so kurz und knapp zusammengefasst habe, war ein zuweilen schmerzhafter Denk- und Lernprozess, an dessen Ende ich für mich die Konsequenzen zog:
Ich werde meinen eingeschlagenen Weg weitergehen und weiterhin meinen Beruf so leben, wie er für mich stimmt. Und ich werde tatsächlich ab und zu etwas Just for Fun machen. Nur: Was das ist, möchte ich entscheiden. Im Oktober war es das Ausschreiben einer Schreibrunde in der lokalen Bibliothek. Und es war das Eintauchen in YouTube,wo ich entschieden habe, meinen Autorinnenkanal aus- und aufzubauen. Beides bringt mir kein Geld. Aber dafür jede Menge Spass und Freude. Beides tue ich für mich. Oder in einem Satz zusammengefasst: Ich gehe meine Trampelpfade weiter, auf meine Weise.
Mittwoch, 19. Oktober 2022
NaNoWriMo - Ein Buch in einem Monat?
Jedes Jahr im November hauen weltweit unzählige Menschen Buchstaben und Wörter in die Tasten, die sie am Ende des Tages zählen und auf die Webseite von NaNoWriMo (National Novel Writing Month) hochladen. Ziel ist es, am Abend des 30. November 50'000 Wörter geschrieben zu haben.
Angefangen hat alles 1999 in den USA. Natürlich war dem Gründer von NaNoWriMo klar, dass man in 30 Tagen keinen druckreifen Roman schreiben kann, das war auch gar nicht Ziel und Zweck der Sache. Es ging um etwas ganz anderes: den inneren Kritiker ausschalten, der in schreibenden Menschen sitzt, diesen Kritiker, der uns ausbremst, weil wir andauernd das schon Geschriebene besser machen möchten. Dieser Kritiker hindert uns (zu) oft daran, in einen guten Schreibfluss zu kommen. Wenn man in 30 Tagen 50'000 Wörter schreiben will, hat man keine Zeit, sich ausbremsen zu lassen.
Ich habe bei meiner ersten Teilnahme tatsächlich 50'000 Wörter geschafft. Was daraus geworden ist, erzähle ich in meinem Mittwochsvideo (siehe unten). Später sind alle Versuche an Zeitmangel, an einem krachend zusammenstürzenden Plot oder unerwarteten Wendungen im Leben gescheitert. Ich habe nie wieder die Ziellinie überschritten resp. überschrieben. Dieses Jahr will ich das ändern. Ich bin dabei!
Das Video zum Thema habe ich in meinem Schreibretreat gedreht, praktisch in Echtzeit, weil ich ja zum Schreiben (und Wandern und Gärtnern) in den Bergen war, und nicht, um stundenlang zu filmen. Und deshalb habe ich glatt vergessen zu erzählen, warum ich dieses Jahr dabei bin und vor allem, wie. Nachdrehen zu Hause wollte ich nicht.
Aber ich kann es hier im Blog erzählen: Wer mitliest weiss, dass ich zurzeit parallel an drei Buchprojekten schreibe. Ich komme voran, aber nicht ganz so zackig, wie ich es geplant hatte. Also nutze ich NaNoWriMo sozusagen als Booster resp. Ansporn. Eigentlich brauche ich auch nicht mehr 50'000 Wörter; ich denke, bis es am 1. November losgeht, bin ich in meiner Arbeit so weit fortgeschritten, dass es eher 30'000 als 50'000 Wörter sind, aber das macht nichts. Dann hat NaNo seinen Zweck auch erfüllt. Und ich kann ja früher mit dem beginnen, was NaNoWriMo gerade NICHT auf dem Radar hat: dem gründlichen Überarbeiten.
Auf jeden Fall werde ich Ende November / Anfang Dezember ein Fazit ziehen. Hier im Blog und drüben auf YouTube.
Mittwoch, 5. Oktober 2022
Bookstar Shortlist 2022
Für einmal wenig Text und viel Bild hier im Blog. Ich bin nämlich seit Montagnachmittag unterwegs in Sachen Bookstar.ch 2022 Shortlist, und zwar filmenderweise. Am Montagmorgen habe ich die fünf Finaltitel online gefunden, am Montagnachmittag ging's in die Bibliothek Buchs, weil ich finde, dass das genau der richtige Ort ist, um die Titel der Shortlist vorzustellen. Am Dienstag habe ich den Rest gedreht und dabei eine ganze Menge in Sachen Voiceover, Einfügen von Bildern ins Video und Schneiden gelernt. Am Abend habe ich das Video hochgeladen, die Links und Tags gesetzt und erst einmal alles auf "privat" gestellt, weil das Video in meine neue Rubrik "News am Mittwoch" fällt. Heute Morgen - Mittwoch! - habe ich die Einstellung in "öffentlich" geändert. Hier ist er, der YouTube Clip, in dem ich die fünf Geschichten der Shortlist zum bookstar.ch 2022 vorstelle.
Sonntag, 2. Oktober 2022
Lesen und Schreiben im Herbst
Schreibrunde Bibliothek Buchs / Workshop für Lehrpersonen / Lesungen / Schreibworkshops
Gestern habe ich auf meiner Webseite die Rubrik "Aktuelles" um den Oktobereintrag ergänzt. Im Fokus stehen die vielen verschiedenen Begegnungen diesen Herbst und Winter. Bei allen geht es ums Schreiben und ums Lesen. Auf alle freue ich mich sehr. Deshalb habe ich mir gedacht, ich stelle sie euch auch hier im Blog vor.
Schreibrunde in der Bibliothek Buchs/SG
Ich gebe zu: Diese Idee ist geklaut, und zwar von meiner Autorenfreundin Jutta Wilke, die schon seit ein paar Jahren einmal im Monat zu sich nach Hause an ihren grossen Tisch einlädt. Schreibtisch nennt sie diesen Anlass, an dem sich Schreibende zum Austausch treffen. Wenn du also näher bei Hanau lebst als bei mir im Werdenberg und Lust auf gemeinsames Schreiben hast: Hier ist der Link zum Schreibtisch von Jutta Wilke. In unserer Schreibrunde in der Bibliothek in Buchs/SG treffen sich Menschen, die gerne schreiben, einmal pro Monat zu einer lockeren Runde, in der wir gemeinsam an unseren Texten arbeiten, sie uns gegenseitig vorlesen, uns darüber austauschen und einander konstruktive Rückmeldungen geben.
Willkommen in dieser Runde sind Menschen, die gerne schreiben, egal, wie alt, egal, welche Art Texte. Seien es Gedichte, Songtexte, Briefe, Kurzgeschichten, Romane, Biografien usw. Auf Papier oder dital. Mit Bleistift, Füller, Kugelschreiber oder Tastatur. Schwungvoll oder suchend. Mit oder ohne Hemmungen. Wir beginnen den Abend mit einer lockeren Schreibübung und arbeiten dann gemeinsam an unseren Texten. Wir lesen vor, tauschen und aus und geben einander konstruktive Rückmeldungen. Immer am ersten Donnerstagabend des Monats. Start ist am 3. November
Workshops für Lehrpersonen
Im Verlaufe der Jahre
sind zu meinen Schreibworkshops auch Workshops für Lehrpersonen
dazugekommen, in denen ich entweder allein oder gemeinsam mit Stephan
Sigg Tipps und Anregegungen gebe, wie man Klassenlektüre im Unterricht
einsetzen kann. Diese Workshops leben nicht zuletzt vom gegenseitigen
(Erfahrungs)Austausch.
Lesungen
Natürlich mache ich auch immer noch
leidenschaftlich gerne Lesungen, entweder zu einem bestimmten Buch oder
(Wunsch)Thema, meistens jedoch wählen die Schülerinnen und Schüler ganz
spontan an der Lesung das Buch, zu dem ich mehr erzähle und aus dem ich
vorlese.
Schreibworkshops für Jugendliche
Meine
Begeisterung fürs Schreiben gebe ich gerne in Schreibworkshops weiter.
Meistens gebe ich dabei Schreibtipps, die die Jugendlichen dann in
verschiedenen Übungen umsetzen. Manchmal sind es jedoch auch ganz
konkrete Themenworkshops, zum Beispiel jener in Alpnach, in dem die
Schülerinnen und Schüler zuerst die beiden Krawallnacht-Bücher lesen und
dann selber Geschichten aus zwei Perspektiven schreiben (im Bild drei
der Geschichten, die letztes Jahr entstanden sind).
Mittwoch, 28. September 2022
News am Mittwoch
Kürzlich sass ich mit Christian Imhof von Qultur in einem Aufnahmestudio. Wir unterhielten uns über mein neues Buch Marla rockt und über das Schreiben und die damit verbundenen Erwartungen.
Gestern habe ich das Video mit dem Interview auf meinem YouTube Kanal geteilt und festgestellt, dass ich schon wieder viel zu lange nichts auf den Kanal hochgeladen habe. Das liegt nicht an Desinteresse oder Lustlosigkeit, sondern an der Zeit und meinen Ansprüchen. Ich würde gerne sehr schöne, professionell daherkommende Videos machen, aber an so etwas kann man schon mal zwei Tage arbeiten - und diese Zeit habe ich weder jetzt noch in den kommenden Monaten.
Also habe ich gestern ein Video gedreht, das einfacher nicht daherkommen könnte: Ein Take, nur am Anfang und Ende geschnitten, ansonsten belassen,wie es ist. Kein Intro, kein Sound, keine Einspieler. Nur ich. Den einzigen Fehler habe ich mit einer Texteinblendung korrigiert. Trotzdem hat sogar dieses kleine Filmchen Zeit gefressen. Weil erst die Beleuchtung nicht wollte, dann meine Augen zu irritierend geschminkt wirkten und dann schlich sich auch noch ein unerklärliches Brummen in den Ton. Was habe ich experimentiert und gepröbelt, bis das Brummen raus war! So quasi als Kirsche auf dem Sahnehäubchen, hat es eine Glühbirne der Deckenbeleuchtung ins Jenseits katapultiert. So heftig, dass die Sicherung für das ganze mittlere Stockwerk rausknallte (und das Bild des Takes suboptimal ist, aber immer noch besser als die irritierenden Augen). Über die Gestaltung des Thumbnails reden wir jetzt nicht. Für Reklamationen wendet euch bitte ans Jenseits, in dem auch die Glühbirne schwebt.
Hier sind sie, meine News zum Mittwoch. Zumindest diesem heutigen Mittwoch. Wann die nächste Folge online geht, weiss - falls überhaupt - nur die Glühbirne. Ich kann nur sagen: Meine Absichten sind gut (my intentions are good).
Montag, 26. September 2022
Ernten
Samstag, 17. September 2022
Ein ganz besonderer Lesungsort
Eigentlich hätte ich im Schopf lesen sollen. Aber dann kündigte sich der Wetterumschwung an. Zuerst blieb der Veranstalter der Rahmenhandlung noch ziemlich gelassen und schrieb mir: Alice, das wird kalt. Zieh dich warm an und bringe eine Decke und einen Teppich mit. Ich lachte und schrieb zurück, dass ich erst mal einen Eisbär schiessen ginge und dann mit seinem Fell antraben würde. Zusätzlich überlegte ich mir, wie absolut cool es wäre, auf einem Teppich zur Lesung einzufliegen.
Die Entwarnung kam einen Tag später: Du liest im Fotomuseum. Der Eisbär war gerettet, aber leider bedeutete das auch eine ganz profane Anreise per Bahn. Und eine Umdisponierung der Lesung. Denn: Fotomuseum klang nach Josephs Laden aus der Lost Souls Reihe. Ich änderte also meinen Plan und entschied, vor der Kurzgeschichte zwei Seiten aus Blue Blue Eyes zu lesen.
Als ich das Fotomuseum Fetzer betrat, stockte mir der Atem. Ich WAR in Josephs Fotoladen. Alte Fotoapparate und Kameras, Bilder an den Wänden, sogar der Postkartenständer, den Joseph jeden Tag vor seinen Laden stellt, war da. Ich war überwältigt. Glücklich. Und mitten drin in Lost Souls.Statt in die geplante Kurzstory einzutauchen, erzählte ich von Josephs Laden und von Ayden und las erst einmal die Stelle mit der Kundin, die zwanzigtausend Pfund für Aydens Bild bot.
Vier Gruppen besuchten mich an jenem Abend. Sie wandelten auf einem Leseparcours von Lesungsort zu Lesungsort, und mit jeder Gruppe wurde die Lesung persönlicher. Am Ende las ich aus Blue Blue Eyes und Hundert Lügen, verband alles mit der Musik von The Beauty of Gemina und erzählte von Petra Ivanov und Mitra Devi, die die Antologie Mord in Switzerland herausgegeben haben, aus der ich den ersten beiden Gruppen die Regenbogenwolken vorgelesen habe. Mitra Devi wiederum war der Verbindungslink zu The Beauty of Gemina; sie hatte die Band für ihren Dokumentarfilm Gothic begleitet und interviewt. Und so schloss sich der Kreis.
Mir wurde einmal mehr bewusst, dass all mein Schreiben, all meine Geschichten, stark miteinander verwoben sind. Wie sehr sie sich um Musik und Menschen drehen, die mir wichtig sind. Und als Höhepunkt sassen wir gemeinsam in einem Fotoladen in der Altstadt von Plymouth resp. im Fotomuseum Fetzer in Bad Ragaz
Schön war's. Wunderschön.
Freitag, 9. September 2022
Meine Schreibprojekte
Dieses Jahr mache ich das, wovon alle abraten - ich schreibe an drei Projekten gleichzeitig und bis jetzt läuft es so richtig gut. Ich denke, das liegt daran, dass es drei völlig unterschiedliche Projekte sind.
Lost Souls Ltd.
Weil ich im letzten Post versprochen habe, über die Lost Souls zu berichten, fange ich mit ihnen an. Ich habe den Showdown eingeitet, bin aber noch etwa 80 Seiten vom Ende entfernt, weil ich mir vorgenommen habe, das Finale gut aufzugleisen und nicht zu schnell zu erzählen. Zudem haben alle Lost Souls Bücher einen Epilog. Den kenne ich schon und freue mich sehr darauf, ihn zu schreiben.
Kürzlich habe ich in einem Anfall von Übermut den Klappentext in einem ersten Entwurf geschrieben. Es ist erst ein Entwurf und vor allem ist er zu lang, aber ich möchte ihn trotzdem mit euch teilen:
LOST SOULS LTD. – Als Jugendliche haben sie die Leben unzähliger anderer Jugendlichen gerettet, bis sie selber ins Visier eines Psychopathen gerieten und um ihr eigenes Leben kämpfen mussten. Dem Tod nur knapp entronnen, beschlossen sie, sich nie wieder einer solchen Gefahr auszusetzen. Doch nun holt sie ihre Vergangenheit ein.
In einem Wald in den Vogesen liegen drei Tote. In Strassburg verschwindet eine Journalistin. In Cornwall taucht eine schwer verletzte Jugendliche auf. Und ein Anrufer erinnert Kata Steel an eine alte Schuld. Ihr Freund Ayden findet, dass man keine Schulden begleichen muss, für die man im Voraus bezahlt hat, aber Kata erkennt sich in der Verletzten wieder und will helfen. Zu einem Preis, der viel zu hoch sein könnte.
Diese Woche stehe ich in Kontakt mit der Agentur bürosüd, weil sie mir das Cover für die Neuauflage von Hundert Lügen fürs Self Publishing aufarbeiten. Heute habe ich mich erkundigt, wie es mit der Coverplanung aussieht, wenn ich Lost Souls 5 Anfang 2023 veröffentlichen möchte. Als Folge davon konnte ich den Jahresplan für die Lost Souls weiter konkretisieren. Bis nach der Frankfurter Buchmesse braucht die Agentur das Briefing, damit sie mir Covervorschläge entwerfen können. Das passt für mich perfekt.
Das Jugendbuchprojekt
Darüber darf ich noch nicht allzu viel erzählen, aber ich verrate schon mal, dass meine Deadline Ende Januar 2023 ist und ich bei diesem Projekt bis auf wenige Seiten mit dem Schreiben im Plan bin. Und ich kann auch verraten, dass dieses Buch ganz anders wird als alle meine bisherigen.
Ein gemeinsames Projekt mit Jutta Wilke
Es ist das erste Mal, dass ich mit jemandem zusammen ein Buch schreibe. Das macht Spass und beflügelt. Da es sich um ein ungewohntes Format handelt, hatten wir vor allem am Anfang Mühe, den richtigen Ton, die richtige Dramaturgie und die richtige Form zu finden. Wir mussten mehr als einmal wieder zurück auf Feld eins und heftig überarbeiten, aber wir sind zuversichtlich, die Deadline Ende Dezember 2022 zu schaffen. Mehr zu diesem Projekt findet ihr im Blogpost Bloggen reloaded von Jutta Wilke.
Um uns abzusprechen, zoomen wir meistens, doch wir treffen uns auch ganz real, letztes Mal in Basel, wo sich Hausfrau Hanna zu uns gesellt hat. Schön war's, richtig schön.
Hausfrau Hanna hilft mir übrigens auch bei den Lost Souls. Sie berät mich in Sachen schwedische Aussprache und sie hat einen tollen Namen für die Wochenzeitung gefunden, für die meine Journalistin schreibt. Nur das mit dem Namen meiner Protagonistin hat sie mir verhagelt, wobei sie da nichts dafür kann, weil ja nicht Hausfrau Hanna für die Diskrepanz zwischen geschriebener und gesprochener Sprache zuständig ist. Danke, Hausfrau Hanna.
Sonntag, 4. September 2022
Nach dem Ramschen ist vor dem Self Publishing
Das erste Mal, als der Verlag, bei dem meine Jugendbücher erschienen sind, eine meiner Geschichten aus dem Programm genommen hat, hat es weh getan. Später wurde es ärgerlich, aber ich gewöhnte mich daran. Vergriffen und nicht nachgedruckt, zu viele an Lager und zu wenige verkauft und dann geramscht; ich kenne beides. Hätte ich meine Bücher nicht nach und nach im Self Publishing selber wieder veröffentlicht, hätte ich für meine Lesungen irgendwann fast keine Bücher mehr zur Auswahl gehabt.
Mittlerweile bin ich total gelassen. Ich habe meine Backlist gefüllt, nicht mit allen vergriffenen oder geramschten Titeln, aber mit genügend. Ich kann mir Zeit lassen mit den Neuauflagen. Und so habe ich diesen Frühsommer sehr gemütlich begonnen, die Hundert Lügen neu zu setzen. Ich merke dabei, wie viel mir diese Geschichte bedeutet und bin froh, dass ich mich für eine Neuauflage entschieden habe.
Vor ein paar Tagen habe ich bei der Agentur angeklopft, die das Cover ursprünglich gemacht hat. Zwei Tage später hatte ich den Entwurf der angepassten Version in meiner Mailbox. Was man anpassen muss? – Das Verlagslogo und die ISBN-Nummer (es gibt eine neue). Eigentlich müsste man fürs Self Publishing auch Klappentexte ändern, doch ich habe bei meinen letzten Büchern die Klappentexte selber geschrieben, also kann ich sie auch verwenden.
Am gleichen Tag, an dem ich mich bei der Agentur gemeldet habe, habe ich mein Buch bei BoD angemeldet und dabei die neue ISBN-Nummer erhalten. Mit dem Hochladen der Text- und Coverdatei muss ich noch warten. Ich will das Buch in Ruhe und mit Unterstützung von Jutta Wilke noch einmal gründlich auf Fehler durchforsten. Beim Setzen des Texts habe ich schon mal ein paar Fehler eliminiert, die sich ins Original geschlichen hatten; weil ich aber auch noch am Text herumgeändert habe, ist es sehr gut möglich, dass ich dabei neue Fehler produziert habe.
Da ich an mehreren Schreibprojekten sitze und zusätzlich das Unterrichtsmaterial für die vier neuen da bux Bücher gestalte, erlaube ich mir pro Tag höchstens eine Stunde Arbeit an Hundert Lügen, der Rest der Zeit gehört den aktuellen Projekten. Ziel ist es, das Buch bis Ende November wieder im Verkauf zu haben. Und dann?
Genau das habe ich mir kürzlich überlegt. Bei Thienemann liegen noch drei Bücher von mir (von ursprünglich fünfzehn). Ich rechne damit, dass #no_way_out und Matchbox Boy früher oder später auch vom Markt genommen werden, mein erster Titel Blackout wird ihnen auch irgendwann folgen. Ich merke, dass mich das nicht mehr gross beschäftigt, obwohl #no_way_out ein absolutes Herzblutbuch von mir ist. Ich sehe die Verkaufszahlen und denke mir, dass sich eine Neuauflage echt nicht lohnt.
Wenn der Zeitpunkt kommt, an dem sie aus dem Verkauf verschwinden, werde ich einen (sehr) kleinen Stapel an Lager nehmen, mich freuen, dass es sie gegeben hat und es gut sein lassen. Es wird neue Bücher geben, vielleicht viele, vielleicht wenige, das lasse ich auf mich zukommen. Für meine Lesungen habe ich auf jeden Fall mehr als genug, nicht zuletzt dank der Neuauflagen im Self Publishing. Mein nächster Self Publishing Titel ist dann eine Neuerscheinung. Dazu in Kürze mehr.
Freitag, 26. August 2022
Grounding
Da wollte ich Schreibnomadin sein. Viel schreiben und viel wandern an verschiedenen Orten. Und dann hat mich mein Knie gegroundet. Es weigerte sich, gesund zu werden. Am Mittwoch musste es dann in die Röhre für ein MRI. Jetzt habe ich eine Diagnose. Fazit: Ich bleibe gegroundet. Als nächstes steht ein Termin beim Kniespezialisten an und dann gucken wir weiter. Weil für mich zu neuen Orten auch das Erkunden zu Fuss gehört, muss ich mein Nomadenleben erst einmal auf Eis legen. Ein bisschen Pendeln zwischen den Orten bleibt mir dennoch. Ich kann hier in Werdenberg schreiben und im Haus in den Bergen. Einfach ohne das Wandern und ohne zu heftiges Herumwuseln im Garten. Wobei: Einfach ist das falsche Wort, bin ich doch ein Bewegungsmensch.
Ich bin trotzdem guter Dinge. Es ist kühler geworden, am Morgen sogar wunderbar frisch. Ich arbeite an tollen Projekten, in einem knappen Monat erscheint unsere Edition 7 und damit auch mein Marla rockt. Ab September habe ich wieder Termine, wenige nur, aber das passt perfekt zum Grounding. Ich muss mir keine Gedanken machen über Sprints zum Bahnhof, lange Tage mit Anreisen, dicht gedrängte Programme. Und ich habe Zeit für meine Geschichten. Ich wage ja gerade das absolut verrückte Experiment, drei Texte gleichzeitig voranzutreiben. Bis jetzt bin ich gut unterwegs und der Plan ist, so gut wie möglich auf Kurs zu bleiben. Eine grosse Hilfe ist mir dabei mein Work-Tracker im Bullet Journal.
So gerne würde ich euch über meine Projekte erzählen, aber zwei davon sind für Verlage, und da darf man nie zu viel verraten, vor allem nicht zu früh. Das dritte sind die Lost Souls. Das gebe ich selber heraus und kann und darf euch Einblicke gewähren; ich werde euch auch schon bald um den einen oder anderen Rat bitten. Vorerst habe ich diesen Monat den Showdown eingeleitet und in einem Anfall von Übermut einen ersten Entwurf des Klappentexts geschrieben. Den stelle ich euch dann im nächsten Blogpost vor. Will ja nicht, dass der ausgerechnet unter dem Titel Grounding erscheint ... Von wegen Nomen est Omen und so.
Deshalb: Der nächste Post wird einen glänzend, schillernden, leuchtenden Titel haben. Und da kommen dann alle gute Nachrichten rein. Versprochen.
Montag, 15. August 2022
Warum Herr K. keine Schweizer Literatur liest
Am 13. August erschien im St. Galler Tagblatt und seinen Schwesterzeitungen unter dem Titel "Konservative haben schon immer die besseren Bücher geschrieben" ein Interview mit dem Schriftsteller Thomas Hürlimann. Das Interview las sich sehr viel spannender und intelligenter als der dämlich-reisserische Titel.
Heute doppelte in derselben Zeitung der Wirtschaftsprofessor Peter V. Kunz mit einer Kolumne nach, deren Titel denjenigen vom 13. August noch toppt: "Warum ich keine Schweizer Literatur lese - ich frage mich: Wieso müssen alle Schriftsteller links sein."
Mal ganz abgesehen davon, dass "alle" ein sehr absoluter Begriff ist und die Aussage damit nie und nimmer stimmen kann: Selbst wenn wirklich alle links wählen würden, so what? Ich würde mal sagen, die meisten Bauern stimmen bürgerlich und ich kaufe und esse ihre Produkte trotzdem.
Aber gucken wir doch mal näher hin:
Etwas heuchlerisch dünkt es mich, wenn diese Autoren den Staat oder die «Gesellschaft» kritisieren, jedoch staatliche Förderung durch Steuergelder immer gerne akzeptieren.
Ah ja, interessant. Da könnten wir jetzt doch glatt wieder über Bauern und flächendeckende Subventionen reden, aber das finde ich nicht fair. Also reden wir über Banken, die nach dem Crash 2018 mit Steuergeldern gerettet werden mussten. Banken, deren Manager für arbeitende Menschen mit viel weniger Gehalt als sie nichts als ein müdes Lächeln übrig hatten, die hohe Bonuszahlungen erhielten, weil sie sie "verdient hatten" (auch wenn die Börsenkurse gnadenlos abschmierten). Wir können auch über die Privatwirtschaft reden, die am liebsten so wenig Staat wie möglich hätte, aber wenn es eng wird sehr gerne und mit grosser Selbstverständlichkeit Geld vom Staat nimmt. Das geht natürlich alles in Ordnung, sind ja alle systemrelevant und haben gute Gründe, gell. Aber die Schriftsteller*innen, die sollen doch einfach dankbar sein und die Klappe halten, so nach dem Motto "Shut up and sing." Und wenn sie es nicht tun, dann sind sie heuchlerisch. Diese linken Socken! Und ich dachte immer, Demokratie ist, wenn man sagen darf, was man denkt, unabhängig von Abhängigkeiten.
Es missfällt mir, wenn Schriftsteller nicht nur an gesellschaftlichen Debatten teilnehmen, was völlig in Ordnung geht, sondern als «moralisches Gewissen» inszeniert werden.
Ich verstehe, dass man nicht einfach jemanden als moralisches Gewissen vorgesetzt bekommen will. Will ich ja auch nicht. Nur, es ist so: Das suchen sich Autor*innen nicht aus. Da wird also den Schriftsteller*innen etwas vorgeworfen, wofür sie nichts können. Ich behaupte jetzt auch einmal sehr pauschal: Kein einziger Schriftsteller und keine einzige Schrifstellerin bezeichnet sich selbst als moralisches Gewissen.
Viele Schriftsteller scheinen zudem ständig an sich und an ihrer Umwelt zu leiden ...
Also, die meisten Berufskolleg*innen, die ich kenne, sind ziemlich bodenständige, fidele Zeitgenossen, mit denen man herrlich lachen kann. Gut, nicht alle, aber die meisten. Was wir jedoch von Berufs wegen tun: Wir schauen genauer hin. Auch dorthin, wo andere vielleicht nicht hinschauen wollen. Dort, wo es ungemütlich wird. Dort, wo man wirklich an der Welt zu leiden beginnt. Und dann schreiben und reden wir darüber. Das ist Teil unseres Jobs.
Gegen das Ende der Kolumne kommt Herr Kunz, der bestimmt nicht wenig verdient, zum Einkommen. Er hat recht, wenn er schreibt, dass viele Schriftsteller*innen einen Brotberuf ausüben, um genügend zu verdienen und vor allem, dass sie mehr von Lesungen als von den Einnahmen der Bücher leben. Sein Fazit:
Doch es sollte den Autoren vermutlich zu denken geben, wenn mehr Geld verdient wird mit Lesungen oder Kolumnen als mit «richtigen» Publikationen.
Zwar gibt uns das mit dem geringen Einkommen aus unseren Buchverkäufen zu denken, aber wahrscheinlich auf ganz andere Art, als Herr Kunz sich das vorstellt. Schriftsteller*innen erhalten in der Regel etwas zwischen 5 und 10 Prozent des Nettoladenpreises eines Buches. Und weil Bücher ja nichts kosten dürfen, ist das verdammt wenig. Um ein einigermassen vernünftiges Einkommen zu generieren, sind wir auf Lesungen und einen Brotberuf angewiesen. Und im Gegensatz zu den Bauern (sorry, schon wieder) erhält auch längst nicht jeder Schriftsteller und jede Autorin Geld vom Staat, so, wie längst nicht jeder und jede von grossen oder kleinen Zeitungen interviewt wird. Uns geht es wie sehr vielen anderen Kulturschaffenden. Wir beuten uns mehr oder weniger fröhlich selber aus, leben als selbständig Erwerbende auf einem Hochseil ohne Netz. Wir sind uns dessen bewusst und die meisten von uns wissen ganz genau, worauf sie sich eingelassen haben.
Was mir aber wirklich den Hut gelupft hat: Was zum Teufel sind "richtige" Publikationen? Gibt es auch "falsche"?
Und warum diese Anführungs- und Schlusszeichen? Boah ...
Die Online-Zeitschrift "Die Ostschweiz" haut übrigens heute in dieselbe Kerbe und titelt: "Zwangsverlinkt". Im ersten Satz steht dann: "Künstler wählen links."
PS: Um ein sehr ähnliches Thema geht es in meiner letzten Qultur-Kolumne. Nicht um links wählende Autor*innen, sondern über sogenannt selbsternannte. Bitte hier klicken zum Lesen: Selbsternannt. Basta! Punkt!!!