Freitag, 28. Oktober 2022

Just for Fun

Just for Fun. Diese drei Wörter haben bei mir im September ordentlich was ausgelöst. Nicht so, wie der Mensch, der sie ausgesprochen hat, sie wohl beabsichtigt hatte. Was bei mir sehr negativ ankam, hat zu einer meiner Häutungen geführt. So nenne ich das jeweils, wenn ich mich und damit meistens auch meinen Beruf in Frage stelle. Die Häutung hat für einmal gar nicht so lange gedauert, es war auch nicht wirklich eine vollständige Häutung, sondern eher ein Wiederentdecken und Bestätigen meiner Werte.

Was war passiert? Ich war für eine Lesung angefragt worden, sagte zu und erfuhr Wochen später, wie hoch resp. tief das Honorar sein sollte. Ob das so in Ordnung gehe, stand da am Ende der Mail. Ganz ehrlich: Ich war geplättet. Ungläubig schaute ich auf den Betrag, rief Herrn Ehemann dazu, der genauso ungläubig schaute und schrieb dann erst einmal ... nichts. Ich wusste, wenn ich jetzt antworten würde, würde das eine dermassen gepfefferte Antwort, dass ich damit den Menschen, der sie lesen würde, tief verletzen würde, und das wollte ich nicht. Vor allem aber ärgerte ich mich, nicht wie üblich gleich nach dem Honorar gefragt zu haben - ich war davon ausgegangen, dass es in diesem Fall schon stimmen würde.

Nach ein paar Tagen, an denen mir immer noch keine Antwort eingefallen war, gab ich auf und entschied, dass ich es darauf ankommen lassen wollte. Anders gesagt, ich spielte Roulette. Entweder wurde meine fehlende Antwort als ein Nein oder ein Ja interpretiert und ich würde die Lesung machen oder eben nicht.

Es stellte sich heraus, dass mein Schweigen als Zusage gewertet wurde und ich merkte, wie es in mir zu rumoren begann. Ich ärgerte mich darüber, nicht klar und deutlich (und höflich) Nein gesagt zu haben. Irgendwann fand ich dann, dass sich das Ärgern nicht lohnte und beschloss, mich einfach auf diese Lesung zu freuen. Ich beschloss aber auch, dass ich nie mehr so reagieren würde, wie ich reagiert hatte.

Die Lesung war dann wunderbar.

Nach der Lesung wollte ich eine Rechnung schreiben und nahm mir vor, in der Begleitmail zu erwähnen, dass alles ausser dem Honorar toll und wunderbar gewesen sei. Ein Telefonat kam mir zuvor und so kam es, dass ich meine Gefühle am Telefon direkt schildern konnte. Ich stellte mich auf den Punkt, dass Autorinnen und Autoren ein angemessenes Honorar für eine Lesung bekommen sollten. Dass wir uns selber das Wasser abgraben, wenn wir zu tiefen Honoraren lesen. Oder anders: Dass wir eine Abwärtsspirale in Gang setzen würden. Irgendwann im Laufe dieses Gesprächs fiel der Satz: "Für mich lesen die Leute auch just for fun." 

Dieser Satz hatte auf mich die Wirkung einer Dampfwalze. Er setzte ausser Kraft, wofür ich mich bisher immer eingesetzt hatte: angemessene Honorare. Denn: Autorin ist ein Beruf. Ich lebe davon resp. möchte gerne davon leben. Das geht nur, wenn ich für berufliche Leistungen angemessen bezahlt werde. Um den armen Bäcker zu bemühen, der immer wieder für Beispiele herhalten muss in meinem Beruf: Ich kann ja auch nicht in eine Bäckerei gehen und fragen, ob ich die Brötchen just for fun bekomme. Ich kann auch nicht ans Steueramt schreiben und erklären, ich fände, es sei jetzt mal Zeit für ein Just for Fun, weshalb ich dieses Jahr aus Spass an der Freude (und weil ich vor lauter Just for Fun Arbeitseinsätzen kein Geld mehr habe) keine Steuern bezahle.

Natürlich habe ich an diesem Anlass nicht Just for Fun gelesen, auch wenn ich viel Freude und Spass hatte. Natürlich habe ich ein Honorar erhalten; es war einfach eins, für das für mich nicht stimmte. Und ja, ich weiss, ich bin selber schuld. Meine gute Autorenkollegin Jutta Wilke hat mir dazu ein paar sehr gute und unangenehme Fragen nach meinen Beweggründen gestellt, die ich ehrlich beantwortet habe und dabei sehr viel über mich und die Art, wie ich ticke, gelernt habe. Danke, Jutta!

Mir ist bei all dem eine Menge klar geworden. Ich kann nur für mich sprechen und handeln. Ich muss das tun, was für mich stimmt. Andere Menschen entscheiden aus vielen (auch guten und sehr nachvollziehbaren) Gründen anders.

Was ich im obigen Abschnitt so kurz und knapp zusammengefasst habe, war ein zuweilen schmerzhafter Denk- und Lernprozess, an dessen Ende ich für mich die Konsequenzen zog:

Ich werde meinen eingeschlagenen Weg weitergehen und weiterhin meinen Beruf so leben, wie er für mich stimmt. Und ich werde tatsächlich ab und zu etwas Just for Fun machen. Nur: Was das ist, möchte ich entscheiden. Im Oktober war es das Ausschreiben einer Schreibrunde in der lokalen Bibliothek. Und es war das Eintauchen in YouTube,wo ich entschieden habe, meinen Autorinnenkanal aus- und aufzubauen. Beides bringt mir kein Geld. Aber dafür jede Menge Spass und Freude. Beides tue ich für mich. Oder in einem Satz zusammengefasst: Ich gehe meine Trampelpfade weiter, auf meine Weise.

4 Kommentare:

Jutta Wilke hat gesagt…

Liebe Alice, da ich ja nun weiß, um welche Lesung es ging, nur eine kleine Anmerkung von mir. "Just for fun" ja, natürlich. Auch ich mache viele Dinge "Just for fun". Nicht alles muss mit Geldverdienen verbunden sein. Vieles macht einfach Spaß, tut uns gut und deshalb machen wir es. Weil es UNS gut tut. Und nicht irgendjemand anderem. Dieses "andere lesen just for fun" für mich, war so unglaublich arrogant, dass es wehtut. Es sagt nämlich eigentlich: Ich bin so toll und berühmt und wunderbar, dass die AutorInnen sich darum reißen, für mich lesen zu dürfen. Auch "just for fun".
Auch ich kann nur für mich sprechen. Ich bin ganz sicher nicht der hellste Stern am AutorInnenhimmel, aber mich im Licht anderer zu sonnen, das habe ich nicht nötig. Ich leuchte für mich alleine. Just for fun :-)

Alles Liebe
Jutta

Alice Gabathuler hat gesagt…

Liebe Jutta

Ich rutsch dann mal an dich ran und wir leuchten gemeinsam. Vielleicht nicht so hell wie andere, aber wir leuchten.

Herzlich
Alice

weggefaehrtin hat gesagt…

liebe alice, empört lese ich von deinen erlebnissen um die lesung, zum glück war die lesung gut. die haltung des auftraggebers führt dazu, dass kreative arbeit immer weniger geschätzt wird, die anzahl der menschen, die von ihrer arbeit leben können, immer weniger wird. kann es daran liegen, dass geistige arbeit nur gut honoriert wird, wenn es um monitäre gewinne geht?
ich wünsche dir eine gute zeit und behutsame auftraggeber, herzlich, roswitha

Alice Gabathuler hat gesagt…

Liebe Roswitha

Danke für deine lieben, aufmunternden Worte.

Das Elend an der Sache ist, dass ganz viele Autor*innen Geld dringend gebrauchen können. Da kann man gar nicht über die Bedingungen diskutieren. Und dann gibt es jene, für die Schreiben ein Nebenberuf ist; die verdienen ihr Geld anderswo und stören sich nicht an geringen Honoraren. All diesen Menschen kann ich nicht böse sein. Ich verstehe sie.

Für mich gibt es nur den Weg, als Einzelperson standhaft zu bleiben. Und zum Glück gibt es (immer noch) viele Veranstalter, die genau wissen, was es bedeutet, sein Einkommen mit dem Schreiben zu verdienen. Die bezahlen gute Honorare. Für mich ist das immer auch eine Form der Anerkennung und Wertschätzung meiner Arbeit.

Alles Liebe
Alice