Ich habe es kommen sehen. Im Gegensatz zu früher tut es nicht mehr weh. Dennoch ist da ein weh in meinen Gefühlen, nämlich in der leisen Wehmut, die sich beim Lesen des Briefes vom Verlag in mir ausgebreitet hat. Hundert Lügen wird aus dem Programm genommen, verramscht, fristet noch eine Weile ein Leben als Buch in den Wühltischen und ist dann weg. Wieder Buch weniger auf der Backlist. 15 habe ich für den Thienemann-Verlag geschrieben, jetzt sind noch drei beim Verlag gelistet (Blackout, no_way_out, Matchbox Boy), und ich denke, bald wird es nur noch das Buch Blackout sein. Zum Glück habe ich die meisten meiner Bücher im Self Publishing neu aufgelegt, zum Glück schreibe ich für den da bux Verlag, der seine Backlist hegt und alle Titel verfügbar hält.
Autor*innen, die am Markt bleiben wollen, die zu Lesungen eingladen werden möchten, die ganz generell von ihrem Beruf leben möchten können, schreiben unbeirrt weiter, ein Buch nach dem anderen. Was hinten aus der Backlist fällt, wird vorne mit neuen Büchern aufgefüllt. Es ist ein Karussell, das sich frustrierend schnell dreht und schon mal zur rasanten Achterbahn werden kann.
Ich habe schon vor längerer Zeit beschlossen, mich aus diesem Karussell zu verabschieden. Für mein Berufsleben als Autorin ist das schon fast tödlich, mir persönlich tut es unendlich gut.
Im Gegensatz zu den letzten paar Malen, wurde ich sogar vom Verlag informiert, dass mein Buch ausgemustert wird. Ich hätte damit die Möglichkeit, ein paar (oder sogar viele) Exemplare zu kaufen, bei mir zu lagern und selber zu verkaufen. Vor ein oder zwei Jahren hätte ich das noch getan, um die Zeit zu überbrücken, bis ich das Buch selber wieder herausgegeben habe. Diesmal ist es anders. Ich kaufe gerade mal zehn Stück, und ich lasse das mit dem selber Herausgeben auf mich zukommen. Vielleicht mache ich es, vielleicht auch nicht.
Das liegt nicht am Buch. Hundert Lügen ist eins meiner absoluten Herzblutbücher. Ich liebe es. Sehr sogar. Ich finde - ganz unbescheiden - es hätte ein (sehr viel) besseres Leben verdient gehabt. Die Rezensionen warent toll, das Buch hat einen Preis gewonnen und tauchte erst kürzlich wieder auf einer Empfehlungsliste auf. Das schmeichelt zwar dem Ego, aber es hilft nicht, wenn die Verkaufszahlen nicht stimmen. Und die stimmen leider nur, wenn eine ganze Menge anderer Dinge auch stimmen.
Das Hadern habe ich mir abgewöhnt. Bei mir ist eine tiefe, ruhige Gelassenheit eingekehrt. Es gab Momente, in denen ich gedacht habe, dass zwanzig Bücher reichen. Das nun gut ist. Aber das Schreiben macht mir immer noch Freude. Es ist jedoch in den Hintergrund getreten, weil ich extrem gerne Verlegerin bin. Und weil ich so viele Dinge gerne tue, die nichts mit dem Schreiben zu tun haben. Ich schreibe eigentlich wieder wie früher: aus Leidenschaft, aus Spass an der Freude. Aber nicht mehr vollberuflich, sondern in einem (kleinen) Teilzeitpensum.
Stand derzeit: Aller Voraussicht nach erscheint nächstes Jahr etwas Neues von mir. Zudem ist meine Agentin mit zwei Kinderbuchprojekten von mir auf Verlagssuche. Hätte ich auch nicht gedacht, dass ich das jemals wieder tun würde. Ich tue es wie damals bei meinem ersten Buch: Ohne Erwartungen. Entweder es wird oder es wird nicht. Und so (fast) still und leise arbeite ich an Büchern, die ich unter Pseudonym veröffentlichen möchte.