Freitag, 18. Juli 2025

Dieser eine Moment


853 Mal gecheckt. Mindestens. 49 Mal leer geschluckt. Mindestens. Die Hand verkrampft auf der Maus, der Puls ungesund hoch. Muffensausen. Nervenflattern. Leichte Übelkeit. Der Gedanke: Komm, trink noch einen Kaffee ... oder etwas Stärkeres ... bevor ... ach, oder doch lieber erst morgen ... 

Hilft alles nichts. Augen zu und durch und ... KLICK.

Die Textdatei ist weg. Freigegeben.

Dasselbe Elend bei der Coverdatei.

Danach keine Erleichterung, sondern das nagende Gefühl, einen Fehler (oder zwei oder drei) übersehen zu haben. 

Verdrängung, nicht daran denken. 

Kaffee.

Stunden später fühle ich sie doch noch, die Erleichterung darüber, es geschafft zu haben. Freude. Auch ein bisschen Stolz. Eines meiner vergriffenen Herzblutbücher wird bald wieder erhältlich sein. Vor ein paar Jahren ist es aus der Verlags-Backlist gefallen, bald reiht es sich wieder bei jenen Büchern ein, die ein zweites Leben bekommen. Mit meinen beiden Klicks habe ich #no_way_out an BoD geschickt, den Anbieter, bei dem ich meine ausgemusterten Bücher neu herausgebe. 

Nun dauert es irgendwas zwischen einer und drei Wochen, bevor das Buch in den Online-Shops angekommen ist und man es auch im Buchhandel bestellen kann. Ein bisschen Nervosität und Anspannung bleibt. Das ist gut so. Es zeigt mir, dass ich immer noch für meine Geschichten brenne.

Mehr zu Buch dann, wenn es lieferbar ist und ich sein neues Leben offiziell feiern kann. 

Wer Lust auf einen Einblick in die Welt der vergriffenen Bücher und die Bedeutung von Backlists (lieferbare Titel) hat, dem empfehle ich dazu mein YouTube-Video zu diesem Thema:


Samstag, 12. Juli 2025

Fünf Dinge, die ...

Ist euch schon mal aufgefallen, wie einfach unser Leben geworden ist? Wenn nicht, guckt YouTube. Dort haben clevere Content Creators herausgefunden, dass wir alles im Leben mit fünf Dingen locker und problemlos auf die Reihe bekommen.

  • Fünf Dinge, die Sie essen sollten, wenn sie gesund bleiben wollen.
  • Fünf Dinge, die Sie nie essen sollten, wenn Sie gesund bleiben wollen. 
  • Fünf Übungen, die Sie machen sollten, wenn sie auch im Alter noch fröhlich wandern gehen wollen.
  • Fünf einfache Routinen, mit denen sogar Sie - ja SIE - garantiert abnehmen. 
  • Fünf Tricks für den ultimativen Bestseller.
  • Fünf Dinge, mit denen Sie Ihr Buch garantiert ruinieren.
  • Fünf Tricks, mit denen Sie Ihre Katze dazu bringen, an der Haustür zu klopfen statt die Nase am Fenster platt zu drücken. 
  • Fünf Arten, einen Frosch zu küssen und ihn in einen Prinzen zu verwandeln.  

Weil ich noch keine Liste mit "Die einzige Liste mit fünf Dingen, die Sie wirklich benötigen" gefunden habe, habe ich jetzt trotz aller Versprechen auf ein überschaubares, unkompliziertes Leben ein Problem, denn mit jeder Liste wird mein Leben etwas komlexer und unübersichtlicher. Ein Beispiel gefällig? Mittlerweile habe ich gefühlte 20 "Fünf Dinge"-Listen für meine tägliche Gymnastik, bin also alleine damit schon fast vollbeschäftigt und habe keine Zeit für diesen Bestseller, den ich theoretisch locker schreiben könnte, wenn ich mich bloss an diese eine Fünfpunkteliste halten würde und gleichzeitig ein Auge auf die fünf Dinge richten würde, mit denen ich mein Buch garantiert ruiniere. 

Mein nächstes Problem: Das Aufwärtsgehen beim Wandern ist leider trotz 100 verschiedenen Muskelübungen immer noch ein Krampf. Beim Essen stecke ich in schier unlösbaren Konflikten: Was mache ich, wenn ein Lebensmittel auf der Liste der fünf Dinge aufgeführt ist, die ich UNBEDINGT essen soll, und gleichzeitig auf der Liste der fünf Lebensmittel steht, die ich NIE, ABER GAR NIE, essen darf, wenn ich den Löffel nicht schon mit 69 abgeben will. Und sowieso: Warum sind diese fünf Lebensmittel in jedem Ratgebervideo wieder andere? Bei 10 geschauten Videos komme ich - samt Überschneidungen - auf mindestens 40 Lebensmittel. Und nehme zu statt ab. Da nützen mir dann auch die fünf Routinen aus dem Abnehmvideo nichts mehr. Ausserdem: Wer garantiert mir, dass diese fünf Tricks für den Bestseller funktionieren, wo doch die Person, die mir diese Tricks verrät, noch kein einziges Buch geschrieben und veröffentlicht hat. Ich meine, ich erstelle ja auch keine Liste mit fünf einfachen Tricks, wie man einen Jumbojet fliegt. Wenigstens habe ich keine Katze mehr, der ich beibringen will, wie man an die Haustür klopft. Und einen tollen Ehemann habe ich auch an meiner Seite; ich muss also nicht fünf Frösche küssen, nur um festzustellen, dass ich mir damit einen Ausschlag an den Lippen hole.

Und ja, ich bin alt. Einmal ein Video mit Knieübungen für Menschen ab 60 schauen reicht, um dann mit Videos geschwemmt zu werden, die mir das gnadenlos unter die Nase reiben:

  • Fünf Gründe, warum Sie mit 60 Schwierigkeiten beim Abnehmen haben. 
  • Fünf Kleidungsstücke, die Sie ab 60 auf keinen Fall mehr tragen dürfen.
  • Fünf Frisuren, die ab 60 ein totales No-Go sind.
  • Fünf Schminktipps, die Sie mit 60 wie mit 30 aussehen lassen.
  • Fünf Songs, für die Sie mit 60 definitiv zu alt sind, auch wenn Sie wieder wie 30 aussehen.

Ich weiss nicht, wann das mit diesen Listen angefangen hat. Ich weiss nur, dass YouTube mit jeder Liste langweiliger wird. Erst hat uns der Algorithmus auf ein einziges Thema reduziert. Jetzt reduziert er uns auf fünf Dinge. Und irgendwann langweilen wir uns mit Ein-Punkt-Listen zu Tode, falls wir nicht vorher gestorben sind, weil wir uns nicht an die ultimativen Punkte auf den Listen gehalten haben.

Das Coole daran ist: Nie war Revolution einfacher als heute. Mit einer Sechspunkteliste bist du Che Guevara. Ohne Liste mit fünf Dingen, ohne die es nicht geht, bist du zwar niemand, aber dafür bist du frei.

Ich bin zurück in der Bloggerwelt. Alt, mit knirschenden Kniegelenken, ungenormt wie mein Garten in den Bergen, ohne Versprechen auf ein einfaches, unkompliziertes Leben, aber bereit, das Ding hier wieder zu rocken. 

Freitag, 28. März 2025

Walking Writer

Der März war ein anstrengender Monat. Viel Arbeit für den da bux Verlag, 11 Lesungen, ein Workshop, Enkelhütetage und anderes mehr. Vor allem musste ich diesen Monat oft um 4.45 Uhr aufstehen. Die Erschöpfung hat sich am Dienstag schon angekündigt, am Mittwoch begann der Husten, am Donnerstag fuhr ich zu den letzten zwei Lesungen des Monats, und auf dem Heimweg habe ich dann nur noch versucht, nicht schon im Zug auseinanderzufallen. Das habe ich zu Hause getan :-).

Heute geht es mir noch nicht gut, aber schon viel besser. Ich bin in diesem Zustand, wo man dünnhäutiger ist, wo die Gefühle intensiv sind und wo man so wahnsinnig gelassen und vor allem sehr klar erkennt, was man will und was nicht. 

Ich will in Zukunft wieder mehr Walking Writer sein - das ist meine Bezeichnung, die ich mir in den Social Media gegeben habe. Wandern, der Natur nahe sein, schreiben, an kreativen Projekten werkeln. Das alles soll wieder mehr Raum haben in meinem Leben.

Was im März dazukam: Der Wahnsinn in den USA. Es ist schwer, die richtigen Worte dafür zu finden, aber ich versuche es mal. Dieser Wahnsinn erdet mich. Und gleichzeitig schält er Unwichtiges weg, schärft mein Empfinden für das, was wirklich zählt, noch mehr. Kondensiert auf ein Wort ist das: Liebe. Dabei will ich bis in meinen innersten Kern ich sein und bleiben, mit all den Werten, die mir wichtig sind. Und ich weiss, dass ich damit nicht allein bin. Darauf gründet meine Hoffnung.

Wieder einmal fühlt sich alles nach Auf- oder vielleicht besser Umbruch an. Heute noch inteniver als sonst. Ich werde auf mich hören. Und berichten.

Montag, 24. März 2025

Wunderbar verrückte Dinge

Meine Tage und Wochen sind voll. Voll mit Liebe, voll mit Terminen, voll mit wunderbaren Begegnungen bei Lesungen, voller erfüllter Stunden im Garten, voll mit Spaziergängen im erwachenden Frühling - und voller unglaublich verrückter Dinge.

Zu den verrückten Dingen gehört die doppelte Nomination zum bookstar.ch. Einmal als Autorin mit Mittelstreifenblues, einmal als da bux Verlegerin mit Allein am Mic von Petra und Jonny Ivanov. Und: srf Kultur hat Die Mutprobe auf die Liste der spannendsten Schweizer Krimis aller Zeiten gesetzt.

Ich habe keine Ahnung, wie oft ich euch in den letzten Jahren hier im Blog erzählt habe, wie wichtig die Anerkennung und Würdigung der Arbeit für mich ist. Und jetzt werde ich irgendwie gleichzeitig von allen Seiten her damit eingedeckt. Das ist so schön, so erfüllend, so ... na ja, verrückt halt.

Freitag, 14. März 2025

Wie ich meine Buchtitel (nicht) finde


"Suchen/haben/finden Sie zuerst den Titel und schreiben dann das Buch?"

Bei dieser Frage muss ich jeweils wahlweise lachen, verzweifelt die Haare raufen oder weinen, je nachdem, zu welchem Zeitpunkt meines Schreibprozesses sie mir gestellt wird.

Die nackte Wahrheit ist, dass es fast keine Bücher von mir gäbe, wenn ich zuerst einen Titel haben müsste. Wenn ich mit dem Schreiben beginne, bin ich umgeben von wunderbaren Buchfiguren, die ich mir über Wochen, Monate und manchmal Jahre ausgedacht habe. Ich kenne mein Setting, ich kenne den Grundplot, ich habe mir einen roten Erzählfaden gesponnen, ich kenne das Ziel, ich kenne die Erzählperspektive ... aber ich habe meistens nicht die blasseste Ahnung, wie das Buch heissen wird. 

Meine Buchdatein speichere ich deshalb unter den seltsamsten Dateinamen. Beispiele:

Nick - Blackout
Crazy Story - #no_way_out
Songs for Elia - Mittelstreifenblues
Young Carers - Marla rockt
Die Gerechten - Mordsangst
Dragon - Hundert Lügen

Es gibt ein paar wenige Bücher, bei denen wusste ich von Anfang an, wie sie heissen sollten, aber sie sind in der Minderheit. Dead.end.com oder Blue Blue Eyes zum Beispiel. Oder ein paar, bei denen mir tatsächlich während des Schreibens ein Titel eingefallen ist, den ich gut finde. Matchbox Boy ist so einer.

Aber so ganz generell schiebe ich die Titelsuche vor mir her, immer in der Hoffnung, dass mich ein Gedankenblitz trifft, der mir den einzigartig-genialen und vollkommen passenden Titel in den Kopf brennt. Entweder stehe ich permanent am falschen Ort und werde deshalb nicht getroffen - oder die Gedankenblitze mögen mich nicht. Ich habe auch jede Menge Titeldenkkappen, aber die taugen höchstens dazu, mich leicht dämlich aussehen zu lassen.

Im Moment suche ich mal wieder. Ich laufe durch die Gegend und hoffe auf eimerweise Inspiration, entsprungen in der Stille und Ruhe der Natur (vergeblich). Ich schnappe mir ein Notizbuch und notiere sehr strukturiert Schlüsselwörter, aus denen dann etwas entstehen sollte (grad auch vergeblich). 

Falls ihr also irgendwo auf euren Wegen der Titelmuse begegnet, schickt sie bitte zu mir. Sie kann alles von mir haben, wenn sie mir einen guten Titel liefert, notfalls auch meinen Schokoladevorrat.

PS: Ratet mir nicht zur KI. Sogar das habe ich versucht. Die Resultate waren jämmerlicher als alles, was mir eingefallen ist. Und das will was heissen.

Ich bleibe dran. Versprochen.