Dienstag, 18. April 2023

Auszeit in Ligurien


Molegnia, ein kleiner Ort zwischen zwei Tunnels. Beschaulich, beinahe leer in der Vorsaison. Der lange Sandstrand ist noch nicht von Walzen geglättet, die Bagni sind noch zu, die Liegestühle und die Sonnenschirme fehlen. Es kommt mir vor, als würden wir irgendwann in der Hälfte des letzten Jahrhunderts Ferien machen. Traumhaft für menschenscheue Leute wie Herrn Ehemann und mich. Die einzigen Menschenmassen bestehen aus Wandergruppen, ansonsten sind nur wenige Leute unterwegs.

Seit Jahren fahren wir im Frühling nach Ligurien ans Meer. Die Ortschaften wechseln; nur in besonders schönen machen wir mehr als einmal Ferien. Dieses Jahr hat Herr Ehemann Molegnia für uns entdeckt. Weil es so schön sei. Fand ich zwar aufgrund der Bilder im Internet nicht wirklich, aber Herr Ehemann war so begeistert, dass ich dachte, mir würde es dann schon irgendwie gefallen. Es gefällt mir nicht irgendwie. Ich habe mich Hals über Kopf verliebt. In den Ort, in die ruhige Umgebung, in die nur wenig verbaute Natur. So unberührt habe ich Ligurien bis jetzt noch nicht gesehen.

Wir beginnen jeden Tag mit einem Kaffee in der Wohnung und spazieren dann so gegen viertel nach acht die wenigen Meter ins Dorf und trinken dort in einer Bar einen viel besseren Kaffee und essen dazu immer dasselbe: Brioche con Cremà. Was so niedlich klingt, sind mit viel Vanillecrème gefüllte Croissants, von den jedes bestimmt eine halbe Milliarde Kalorien hat. Was irrelevant ist, denn sie schmecken köstlich.

Derart gut genährt brechen wir danach zu unseren Wanderungen auf. Da die ligurische Küste über tolle Zugverbindungen verfügt (Stundentakt; oft auf die Minute pünktlich), kommen zu den gewohnten Rundwanderungen auch Wanderungen von A nach B vor. Davon machen wir ausführlich Gebrauch. Mir kommt es vor, als seien diese Wanderungen nie so schön gewesen wie jetzt, die Landschaft um uns herum ist ein Traum in schönsten Farben. Die Wanderwege sind wie immer: oft höllisch steil, oft brutal steinig, oft mit endlos langen Treppen. Aber hey, das ist Ligurien. Ich hatte ein wenig Angst und ziemlich viel Respekt davor, weil ich meinem Knie und generell meinen Gelenken nicht zu viel zumuten wollte. Zu meiner Überraschung ist es zwar anstrengend, aber es geht sehr viel besser als ich befürchtet hatte.

Zum ersten Mal seit Jahren habe ich den Laptop nicht zum Schreiben dabei. Mein fertiges Manuskript liegt beim Verlag im Lektorat. Die Lektorate, die ich für den da bux Verlag gemacht habe, sind längst fertig. Ich atme durch. Und ich gönne mir eine richtige Auszeit. Wenn wir in der Ferienwohnung sind, lese ich. Oder ich mache kurze Filme (Shorts - eins davon am Ende des Posts) von meinen Wanderungen für YouTube. Vor allem erstelle ich keine To-Do-Listen. Das Einzige, das ich tue: Ich bin für meine da bux Arbeitskollegen erreichbar. Das alles fühlt sich richtig an. Und gut. 

Morgen ist unser letzter Tag hier. Ich werde ihn geniessen und dann leichten Herzens nach Hause fahren. Es gibt Orte, von denen ich mit viel Schwermut losfahre (Schottland zum Beispiel), weil ich am liebsten sehr lange bleiben würde, wo ich sämtliche Immobilienaushänge genau anschaue und mir vorstelle, wie es wäre, darin zu leben. Italien gehört für mich trotz aller Schönheit nicht zu diesen Orten. Ich bin sehr gerne hier, es sind wunderbare Momente. Ferien halt. Auszeit. Immer und immer wieder schön.

Dienstag, 11. April 2023

wasichwirklichwill

Die Tage über Ostern habe ich im Haus in den Bergen verbracht. Ich habe einen Text fertig überarbeitet,  bin mit Herrn Ehemann auf längere Spaziergänge, habe gegessen und geschlafen. Mehr nicht, denn gestern, also am 10. April, war der Abgabetermin für den Text in seiner neuen Form. Ich empfand es als grosses Glück und Privileg, mich in das vertiefen zu können und zu dürfen, was gerade wichtig ist.

Im Text, den ich überarbeitet habe, gibt es eine Schlüsselstelle. wasichwirklichwill. Genau so geschrieben. Ein Wort. Es ist das Wort, das nicht nur meinen Prota, sondern auch mich schon eine Weile beschäftigt. Und wie mein Prota wusste ich erst einmal, was ich NICHT will. Das, so finde ich, ist ein guter Anfang. Mittlerweile bin ich unterwegs zum wasichwirklichwill: Ich will in dieser schwierigen Branche, in der ich arbeite, meine Integrität und Würde behalten. Das klingt logisch und einfach, ist es jedoch nicht. Ich suche für mich immer noch und immer wieder, den Weg den ich gehen kann.

Antworten finde ich im Gehen, in meinem #walkingmayway. Ich finde sie in der Natur, in der Stille, in der Abgeschiedenheit. Manchmal so sehr, dass mir die Rückkehr in den Alltag schwerfällt. Ich merke, wie sich mein Schwerpunkt verlagert, wie ich längere Auszeiten brauche.

Letztes Jahr wollte ich zur Schreibnomadin werden, aber dann hat mir mein Knie einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dieses Jahr wollen es Herr Ehemann und ich noch einmal versuchen. Wir haben uns wunderbar entlegene Orte ausgesucht, die wir erwandern möchten. Es zeichnet sich ab, dass ich mich auf die Nomadin reduzieren möchte, ohne das Schreib davor. Ich glaube, 2023 ist das Jahr, in dem ich mir diese Auszeit beim Schreiben schenke. Das, so finde ich, ist eine gute Fortsetzung ...

Dienstag, 4. April 2023

Du musst deine Einstellung ändern

Gestern war nicht mein Tag. Es war einer dieser Tage, an dem die Welt und das Leben einen auffressen, nur um einen am Abend gelangweilt wieder auszuspucken und einem fies lächelnd zu erklären: "Morgen ist ein neuer Tag."

Schon am Mittag gingen Herr Ehemann und ich die Länder durch, in man auswandern könnte. Am Ende blieb nur Neuseeland, und das vielleicht auch nur, weil wir uns mit der Politk dort nicht ganz so gut auskennen wie mit der Politik in Europa. Finnland hatte sich gerade nach rechts gewählt, in den Nachrichten muss ich mir wieder das Gesicht von T**** angucken, in der Schweiz ist die soziale Kälte auf dem Vormarsch, während wir gleichzeitig Banken retten ... die Liste war endlos, das Loch, das sich in mir auftat, glich immer mehr einem einem Vulkankrater. Es half auch nicht unbedingt, dass ich völlig unerwartet zu einer der organisierten Lesetouren eingeladen wurde, von denen ich mich längst verabschiedet hatte. Es gibt gute Honorare, es gibt okay-Honorare und es gibt die würdelosen Honorare. Ein solches stand auf der Einladung, zusammen mit der Frage, ob ich Lust auf vier Wochen Lesetour oder alternativ 20 einzelne Lesungstage hätte. Ja, Lust hätte ich, wenn auch nicht auf so viele Tage. Ich lehnte trotzdem ab mit der Begründung, dass ich mir ein solches Honorar weder leisten kann noch will. Blöderweise hat mich das alles aber doch mehr genervt als es sollte.

Ich mache immer noch gerne Lesungen. Ich werde auch immer noch für Lesungen gebucht. Und nein, ich will nicht bezahlt werden wie eine Diva, aber ich finde, ich habe ein Honorar verdient, das meine Arbeit und meine Leistung widerspiegelt. "Das war eine der tollsten Lesungen, die wir je hatten" höre ich genauso oft wie "Das war die coolste Lesung, die wir je hatten." Und das, so finde ich, soll auch finanziell gewürdigt werden.

Um zurück zum Thema zu kommen: Am Abend nach den Nachrichten sassen Herr Ehemann und ich auf dem Sofa. Ich hatte immer noch eine dicke, dunkle Zorneswolke über meinem Kopf schweben. Da grinste er und meinte: "Du kannst das alles ganz einfach ändern." Ich: "Wie?". Er: "Du musst deine Einstellung ändern und einfach lernen, konservativ zu denken."

Das mit dem konservativen Denken werde ich in diesem Leben nicht mehr packen und hinbekommen. Aber den Rest schon. Auf meine Weise. Ich werde berichten ... Hier und auf YouTube, wo ich mich gerade neu einrichte und orientiere und wenigstens schon mal die optische Einstellung änderte, in Form eines neuen Banners (siehe Bild). Ich werde in den nächsten Monaten herausfinden, ob ich eine walking Writer oder eine writing Walker bin. Und wo es denn so hingehen soll in diesem Leben als Writer/Walker.