Molegnia, ein kleiner Ort zwischen zwei Tunnels. Beschaulich, beinahe leer in der Vorsaison. Der lange Sandstrand ist noch nicht von Walzen geglättet, die Bagni sind noch zu, die Liegestühle und die Sonnenschirme fehlen. Es kommt mir vor, als würden wir irgendwann in der Hälfte des letzten Jahrhunderts Ferien machen. Traumhaft für menschenscheue Leute wie Herrn Ehemann und mich. Die einzigen Menschenmassen bestehen aus Wandergruppen, ansonsten sind nur wenige Leute unterwegs.
Seit Jahren fahren wir im Frühling nach Ligurien ans Meer. Die Ortschaften wechseln; nur in besonders schönen machen wir mehr als einmal Ferien. Dieses Jahr hat Herr Ehemann Molegnia für uns entdeckt. Weil es so schön sei. Fand ich zwar aufgrund der Bilder im Internet nicht wirklich, aber Herr Ehemann war so begeistert, dass ich dachte, mir würde es dann schon irgendwie gefallen. Es gefällt mir nicht irgendwie. Ich habe mich Hals über Kopf verliebt. In den Ort, in die ruhige Umgebung, in die nur wenig verbaute Natur. So unberührt habe ich Ligurien bis jetzt noch nicht gesehen.
Wir beginnen jeden Tag mit einem Kaffee in der Wohnung und spazieren dann so gegen viertel nach acht die wenigen Meter ins Dorf und trinken dort in einer Bar einen viel besseren Kaffee und essen dazu immer dasselbe: Brioche con Cremà. Was so niedlich klingt, sind mit viel Vanillecrème gefüllte Croissants, von den jedes bestimmt eine halbe Milliarde Kalorien hat. Was irrelevant ist, denn sie schmecken köstlich.
Derart gut genährt brechen wir danach zu unseren Wanderungen auf. Da die ligurische Küste über tolle Zugverbindungen verfügt (Stundentakt; oft auf die Minute pünktlich), kommen zu den gewohnten Rundwanderungen auch Wanderungen von A nach B vor. Davon machen wir ausführlich Gebrauch. Mir kommt es vor, als seien diese Wanderungen nie so schön gewesen wie jetzt, die Landschaft um uns herum ist ein Traum in schönsten Farben. Die Wanderwege sind wie immer: oft höllisch steil, oft brutal steinig, oft mit endlos langen Treppen. Aber hey, das ist Ligurien. Ich hatte ein wenig Angst und ziemlich viel Respekt davor, weil ich meinem Knie und generell meinen Gelenken nicht zu viel zumuten wollte. Zu meiner Überraschung ist es zwar anstrengend, aber es geht sehr viel besser als ich befürchtet hatte.
Zum ersten Mal seit Jahren habe ich den Laptop nicht zum Schreiben dabei. Mein fertiges Manuskript liegt beim Verlag im Lektorat. Die Lektorate, die ich für den da bux Verlag gemacht habe, sind längst fertig. Ich atme durch. Und ich gönne mir eine richtige Auszeit. Wenn wir in der Ferienwohnung sind, lese ich. Oder ich mache kurze Filme (Shorts - eins davon am Ende des Posts) von meinen Wanderungen für YouTube. Vor allem erstelle ich keine To-Do-Listen. Das Einzige, das ich tue: Ich bin für meine da bux Arbeitskollegen erreichbar. Das alles fühlt sich richtig an. Und gut.
Morgen ist unser letzter Tag hier. Ich werde ihn geniessen und dann leichten Herzens nach Hause fahren. Es gibt Orte, von denen ich mit viel Schwermut losfahre (Schottland zum Beispiel), weil ich am liebsten sehr lange bleiben würde, wo ich sämtliche Immobilienaushänge genau anschaue und mir vorstelle, wie es wäre, darin zu leben. Italien gehört für mich trotz aller Schönheit nicht zu diesen Orten. Ich bin sehr gerne hier, es sind wunderbare Momente. Ferien halt. Auszeit. Immer und immer wieder schön.