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Donnerstag, 19. September 2024

Mein persönlicher Jahresanfang


Ich tauche aus dem Sommerblues auf. Er hat mich auch dieses Jahr erwischt, allerdings nicht so stark wie auch schon. Nicht zuletzt, weil ich diesen Sommer riesiges Glück erfahren und erleben durfte, für das ich endlos dankbar bin und das mich endlos glücklich macht. Körperlich und beruflich falle ich jedoch immer noch in riesige Blues-Löcher im Sommer.

Körperlich, weil ich die Hitze nicht ertrage, das Wandern praktisch auf Eis legen muss, meine Kraft und Energie schwindet und ich an ganz heissen Tagen nicht mal nach draussen an die Luft will, an der nichts Frisches mehr ist. Beruflich, weil mir die Hitze nicht nur den Körper, sondern auch das Hirn lähmt, meine Kreativität dahinschmelzen lässt, meinen Arbeitswillen eindampft und mich in gähnend unproduktive Lustlosigkeit einhüllt. So dümple ich durch den Sommer, werde von Woche zu Woche langsamer und unkreativer und unzufriedener (und auch eine Zumutung für meinen Herrn Ehemann).

Kürzlich ist der erste Schnee gefallen, hat die Bergspitzen weiss gepudert und klare, kühle Luft gebracht. Ich konnte in sämtlichen Poren fühlen, wie das Leben in mich zurückkehrt. Plötzlich war die Arbeitslust wieder da. Ideen für Projekte poppten von überall her auf, die Lustlosigkeit ist glasklaren Vorstellungen gewichen. Ich weiss wieder, was ich will und was ich nicht will, ich sitze wieder am Rechner und arbeite an tollen Aufgaben.

Gestern stiegen Herr Ehemann und ich spontan ins Auto, fuhren an einen Ort, an dem wir beide seit unserer Kindheit/Jugend nicht mehr gewesen waren und wanderten los. Es war das pure Glück. Wenn Herz uns Seele laut singen könnten, wären wir mit Musik auf voller Lautstärke durch diese Landschaften gelaufen, die mehr als einmal wechselten. Das letzte berufliche Hadern löste sich im Morgennebel auf, der über einem Bergbach aufstieg. Ich fühlte mich stark und gewiss in den Dingen, die ich ändern will.

Heute Morgen, auf dem Weg zur Physiotherapie kam ich am Werdenbergersee vorbei. Und da überfiel mich eine Erkenntnis fast schon blitzschlagartig: Herbst ist Jahresanfang!

Ich dachte immer, mein persönlicher Jahresanfang müsse der Frühling sein, weil ich mich zu keiner Jahreszeit so wach, so lebendig, so in Aufbruchstimmung befinde wie im Frühling. Trotzdem ist Frühling nicht der Anfang. Weil danach der Sommer kommt und mich in ein Loch reisst. Wenn ich nun das innere Jahr im Herbst anfange, kann ich mit der starken Gewissheit ins Jahr gehen, dass ich den Sommer emotional und körperlich überlebt habe. Ich kann aus dieser Gewissheit Kraft schöpfen und mit viel Frische an die Arbeit. Im Winter kann ich die Ideen und Projekte umsetzen, die in mir gewachsen sind. Der Frühling ist der Totalbooster, mit dem ich noch einmal durchstarten kann. Und der Sommer? Tja: Den Sommer mache ich in Zukunft zur meiner persönlichen Faultierjahreszeit, in der ich nicht einmal mehr versuchen will so zu tun, als könnte ich auch nur ansatzweise etwas auf die Reihe bekommen. 

In diesem Sinne: Happy New Year from me und die neugierige Frage, wann euer inneres Jahr anfängt.

Freitag, 30. August 2024

Wie man sich erfolgreich kleinredet


Wenn mich jemand bei einer Lesung als "berühmte/bekannte Schweizer Jugendbuchautorin" vorstellte (ja, das gab's tatsächlich ab und zu), wusste ich nie so recht, wohin ich gucken sollte. Es kam dann schon mal vor, dass ich antwortete: "Also, so richtig berühmt bin ich dann auch wieder nicht."

Nehmen wir andere Fragen: 

"Verkaufen sich deine Bücher gut?" - "Ich bin Jugendbuchautorin. Nische, ähm. Da ist es schwierig, viele Bücher zu verkaufen ..." blablabla.  

"Sind Sie oft in den Medien?" - "Na ja, Jugendbuchautorinnen schaffen es normalerweise nicht in Medien ..." blablabla

"Kannst du vom Schreiben leben?" - "Ja, aber nur weil ich das Glück habe, viele Lesungen machen zu können ..." blablabla

"Du schreibst doch diese Kinderbücher. Lohnt sich das?" - "Na ja, es ist so ...." blablabla 

Ich stoppe hier mal, weil das Muster deutlich erkennbar ist. Und ich vermute, dass ihr euch in diesen Antworten erkennt, auch wenn ihr keine Bücher schreibt. Vor allem, wenn ihr weiblich und etwas älter seid. Aber nicht ausschliesslich. 

Wir gehen automatisch davon aus, dass wir kritisiert werden dürfen. Komplimente oder wertschätzende Rückmeldungen zu uns machen verlegen, wir hüpfen sofort in den Relativiermodus. Reden uns kleiner als wir sind. Sind uns das nicht einmal immer bewusst, so sehr ist es uns in Fleisch und Blut übergegangen. Wenn etwas gut klappt, schreiben wir es dem Glück zu, wenn uns etwas danebengeht, suchen wir die Schuld bei uns.

Selbst wenn man das Muster erkennt, ist es schwer, daraus auszubrechen. Jeder Tiefschlag, den wir einstecken, nehmen wir als ein "Siehst du, ich hab's ja gewusst."

So richtig bewusst geworden ist mir dieses Kleinreden vor ein paar Jahren. Ich musste so eine Art Autorinnen-Lebenslauf von mir einschicken. Da waren dann all meine Bücher, meine Preise aufgelistet, die Werkbeiträge, die ich erhalten habe. Die vielen Lesungen, die Workshops. Und ich sass da und dachte: DAS bin ich. Das ist ziemlich cool und ziemlich gut. 

Und trotzdem werde ich als Autorin immer wieder zur Schildkröte. Das ist mein Bild von mir: Ich strecke den Kopf aus dem Panzer (neues Buch!) und warte von vornherein darauf, dass man mir auf die Rübe haut (schlechte Rezis, keine Rezis, schlechte Verkaufszahlen, fehlende Werbung ...), immer bereit, den Kopf sofort einzuziehen. So als Schutzmechanismus.

Wobei ich bei dem bin, was meine Berufskollegin Jutta das Gewicht der schlechten Erfahrungen nennt. Zu oft erlebt, zu oft verletzt, zu oft übergangen, zu oft enttäuscht. Ich gebe ihr völlig recht. Und weiss gleichzeitig, dass das den allermeisten Autor:innen (und vielen anderen in anderen Berufen) so geht. Je älter man wird, desto mehr dieser Erfahrungen hat man gesammelt, nach Gründen gesucht (bin ich zu laut, zu dick, zu "prolo", zu direkt, zu ... halt irgendwas mit "zu") und irgendwann steht man vor der Sinnfrage (Warum tue ich das überhaupt?) wie vor einer monströs dicken, endlos hohen Wand. Um weitere Enttäuschungen zu vermeiden, redet man sich vorsichtshalber schon mal so klein, wie man sich fühlt. Damit man dann eben nicht enttäuscht wird und ist.

Das ist verständlich. Aber: Das ist auch völlig bescheuert!

Jemand, den ich sehr mag, sagte kürzlich zu mir: "Das ist ein Generationenproblem, ein Problem, das vor allem Frauen in unserem Alter haben." Sie führte es darauf zurück, wie wir aufgewachsen sind, was man von uns erwartet hat, was das Bild von uns Frauen war, welches Bild wir vermitteln soll(t)en. 

Ganz egal, welche Erklärung wir für unser Verhalten suchen und finden, eins ist sicher und eins ist klar: Es ist und bleibt beibt bescheuert. Je älter ich werde, desto stärker löse ich mich davon. Es ist ein langer Lernprozess, einer meiner Trampelpfade, die ich eingeschlagen habe und auf dem ich mittlerweile meistens gut unterwegs bin, jedes Jahr ein wenig besser.

Eine kleine Rückblende:

Vor ein paar Jahren, in einem Literaturhaus grad über der Grenze, also höchstens acht Kilometer entfernt, war ich an einer Lesung einer sehr lieben Autorenfreundin. Sie beantwortete eine Frage, schaute zu mir hin und sagte so was in der Art: "Meine Kollegin Alice kann Ihnen das bestätigen."

Nach der Lesung kam eine Vertreterin des Literaturhauses, eine bestimmt sehr belesene Frau, auf mich zu und fragte: "Sie sind Autorin? Sollte ich Sie kennen?" Ich eierte und laberte ziemlich ungeschickt herum, sagte was von Nische, andere Zielgruppe, andere Art Buch und dann "Nein." Und der Abend war für mich gelaufen. Nicht einmal unbedingt, weil die Frage sehr unhöflich formuliert gewesen war, sondern weil meine Antwort so dermassen beschämend ausgefallen war. Sie war beschämend und vor allem oberbescheuert. Ich hätte nett lächeln und antworten sollen: "Ja." Mit einem Punkt dahinter. Ohne blablabla.

Heute würde ich das tun. Heute würde ich sie stehen lassen mit dieser Antwort und hoffen, dass sie sich schlecht fühlt und nicht ich. Vielleicht wäre ich auch nett und würde nach meinem "Ja" darauf warten, dass sie mich fragt, wer ich bin und was ich mache.

Ich will weiter dazulernen. Weil man nicht überheblich ist, wenn man sich genau den Stellenwert zugesteht, den man hat. Weil es nicht eingebildet oder unangebracht ist, zu seinen guten Eigenschaften und seinen Erfolgen zu stehen. Weil Schildkröten zwar total tolle Tiere sind, aber ich es satt habe, nur darauf zu warten, meinen Kopf in den Schutzpanzer zu stecken, um nicht verletzt zu werden oder Wunden von Verletzungen zu lecken.

Ich nehme mir auch zunehmend die Freiheit, einen grossen Bogen um Menschen und Institutionen zu machen, die mir nicht gut tun. Das bedeutet nicht, dass diese Menschen oder Institutionen schlecht sind, es bedeutet nur, dass sie für mich nicht gut sind. Ich habe auch gelernt, nicht dort Anerkennung zu suchen, wo ich sie sowieso nicht finden werde. Wenn man erst einmal so zu leben begonnen hat, merkt man, um wie viel besser dieses Leben wird.

Rückschläge und Abstürze sind vorprogrammiert. Das liegt in der Natur der Sache. Wichtig ist, auf seinem eingeschlagenen Pfad zu bleiben, das Herz offen und den Kopf in den Wind zu halten. Ich wünsche uns allen, die auf diesem Weg sind, viel Glück und viele gute Erlebnisse und Begegnungen.

Mittwoch, 14. August 2024

Showbusiness für schüchterne Menschen

Nicht selten werde ich bei Lesungen gefragt, ob ich auf der Strasse erkannt werde. Wenn ich dann sage: "Nein, zum Glück nicht" ernte ich erstaunte Blicke, denn Fame ist heute gleichermassen Auszeichnung und Währung. Wer Fame hat, ist wer. Und zum Fame  gehört für die meisten Sichtbarkeit, also ein bekanntes Gesicht.

Nach meiner Antwort stelle ich eine Gegenfrage: "Wer weiss, wie die Autorin von Tribute von Panem aussieht? Oder der Autor von Gregs Tagebüchern?" Keine einzige Hand geht nach oben. 

Dann erzähle ich, dass es mir genau gleich geht. Wie ich durch grosse Buchmessen gelaufen bin, vorbei an unendlich vielen Leuten, unter denen bestimmt ganz tolle und ganz bekannte Autorinnen und Autoren gewesen sind. Aber weil ich von den meisten keine Ahnung habe, wie sie aussehen, habe ich sie nicht erkannt, auch nicht die berühmten, die Zehntausende, Hunderttausende, Millionen von Büchern verkauft haben (okay, es gibt Ausnahmen). Weil die allermeisten von uns schlicht keine Ahnung haben, wie die Autoren und Autorinnen der Bücher aussehen, die wir lesen. 

Damit ist das "Nein" meiner Antwort geklärt. Es beweist, dass Fame nicht unbedingt etwas mit Sichtbarkeit zu tun hat. Aber da ist noch der zweite Teil meiner Antwort, das"zum Glück".

Ich habe nicht den Wahnsinns-Fame, aber selbst wenn ich den hätte, würde ich auf der Strasse lieber nicht erkannt werden. Weil ich eine sehr private Person bin. Weil ich tief in meinem Innern schüchtern bin (man kann lernen, das zu überspielen und gut damit umzugehen). Weil ich mit dem Erkanntwerden schlecht umgehen kann. Mittlerweile bin ich wenigstens so weit, dass ich mich echt freuen kann, wenn mich jemand erkennt, aber halt auch nur, weil mir das extrem selten passiert. Die Vorstellung, ein öffentliches Gesicht zu sein, überfordert mich. 

Heute bin ich auf der Suche nach einem Autorenzitat über das Schreiben bei Lee Child auf den einen Satz gestossen, der das alles in Kürzestform auf den Punkt bringt.  

"Writing is showbusiness for shy people. That's how I see it."

Yap, das sehe ich auch so. Danke, Lee Child. Ich kann damit beim nächsten Mal auf die Frage, ob man mich auf der Strasse erkennt, eine viel bessere Antwort geben als bisher.  

Nachtrag: Mir ist noch etwas eingefallen. Man könnte den Satz ergänzen: "Writing is showbusines for shy and introvert people."

Donnerstag, 1. August 2024

Zurück an den Start


With each book you write you have to learn how to write that book - so every time, you have to start all over again.

Dani Shapiro


Von und über Austin Kleon habe ich in diesem Blog schon öfter geschrieben. Kürzlich entdeckte ich in einer Instagram-Fotostrecke einen Buchtipp von ihm: Still writing von Dani Shapiro. Der Titel machte mich neugierig, denn diesem Ich schreibe immer noch hängte mein Kopf sofort ein trotz allem an. Ich fühlte mich mitten ins Herz getroffen, denn ja ich schreibe. Immer noch. Trotz allem. Also googelte ich erst das Buch, las die Leseprobe und googelte dann die Autorin. Im Rahmen dieser Suche bin ich auf das obige Zitat gestossen: "Mit jedem Buch, das du schreibst, musst du lernen, wie du das Buch schreibst - du startest jedes Mal von vorne."

In diesem Zitat habe ich den Grund oder zumindest einen Grund gefunden, warum ich immer noch schreibe. Ich liebe diese Neuanfänge. Je länger ich schreibe, desto mehr suche ich sehr bewusst das Startfeld, das mich in eine neue Richtung führt. So, wie ich mir im Leben neue Trampelpfade suche, suche ich im Schreiben das Neue. Thema, Setting, Erzählform, Erzählperspektive. Alles braucht seine Zeit, manchmal muss ich auch damit experimentieren, bis ich wirklich eine Form oder die Perspektive gefunden habe, die zu den Figuren und der Geschichte passt. Beim Mittelstreifenblues hat es besonders lange gedauert. Dass ich zwei Erzählperspektiven wollte, wusste ich schnell, daran, wie sie klingen sollten, habe ich lange nachgehorcht und alles Mögliche ausprobiert, bis ich bei der Gedichtform für Jelscha landete und wusste: Das ist es.

Aber selbst wenn eigentlich alles vorgegeben ist, wie bei Band fünf der Lost Souls, benötige ich viel Zeit und auch mehrere Versuche und Anläufe, bis es für mich ganz klar ist, welche Perspektiven ich wähle und wie ich die Geschiche erzählen möchte. 

Ich habe längst aufgehört, mir zu überlegen, ob ich mich ins Abseits schreibe, wenn ich immer wieder in neue Schreibgefilde aufbreche. STOPP. Hier muss ich den Rewind-Button drücken und etwas ausholen. Früher war mir nicht bewusst, dass man sich überhaupt ins Abseits schreiben kann. Diese Erkenntnis tauchte erst auf meinem Radar auf, als meine Lost Souls sich nicht so gut verkauften wie erhofft. Auf Nachfrage beim Verlag bekam ich die Antwort: "Die Buchhandlungen wollen einen richtigen Gabathuler." Will heissen, Jugendbücher, wie ich sie bis anhin geschrieben hatte. Ich habe dem Verlag gesagt, er solle den Buchhandlungen ausrichten, die Lost Souls seien richtige Gabathuler, denn immerhin hatte ich die Bücher geschrieben. Nach den Lost Souls folgte ein Kinderbuch. Wieder das "Falsche", weil wieder so anders. Aber da war es mir dann schon egal; da hatte ich nichts mehr zu verlieren. Heute bin ich sozusagen narrenfrei. Ich folge beim Schreiben immer noch und immer wieder meinem Gefühl und meiner Experimentierlust, ohne Scheren im Kopf. Einen Bestseller wird mir das wohl nicht mehr einbringen. Aber immerhin ein zufriedenes, erfülltes Autorinnenleben. Und das ist auch schon ganz schön viel.

Montag, 8. Juli 2024

Vom Leben und Schreiben


Seit Tagen versuche ich mich an einem Post. Ich öffne Blogger und fange entweder gar nicht erst an oder ich fange an und bremse mich dann selber aus. Vorgestern habe ich mir eine Ladung Frust von der Seele geschrieben. Entstanden ist ein fixfertiger Post. Ich habe ihn nicht hochgeladen. (Nein, ihr habt nichts verpasst - es ging um Joe Biden.)

Gestern hat mich Jutta Wilke mit ihrer Morgenmail gefordert. Ich habe ihr zwei Antworten geschrieben, eine spontane und auch etwas verletzte gestern und eine überlegte heute. Das Fazit geht so: Ja, im Mittelstreifenblues hat es weniger Wut und weniger Zorn auf Menschen und vor allem die Welt als in anderen Büchern von mir. Dafür viel Hoffnung und viel Liebe. Weil es an beidem zu fehlen scheint. Brüllaffen und Wutbürger mögen laut sein und schreien, aber es gibt so viele Menschen, die ein hassfreies, friedliches Leben führen möchten. Wir müssen deswegen keine rosa Brille anziehen beim Bücherschreiben. Aber ich wünsche mir Buchfiguren, die uns Vorbilder sein können. In all ihren Zweifeln, Ängsten, verlorenen Hoffnungen und auf der Suche nach Liebe.

Heute, auf unserer Wanderung im Appenzell, kamen wir an einer Sitzbank vorbei. "Wie geht's?" wollte sie wissen. Fand ich cool. Und ich stellte mir vor, wie sich jemand darauf setzt (so wie Elia im Mittelstreifenblues) und Antworten auf diese und noch viele andere Fragen sucht. Wie sich jemand zu ihm/ihr setzt und fragt: "Wie geht's dir?" Und wie die Menschen auf der Sitzbank sich einander öffnen.

"Gut", würde ich sagen, wenn ich auf der Bank sässe und mich jemand fragen würde. Und vielleicht davon erzählen, dass das in diesen Zeiten nicht immer so ist (siehe gelöschten Biden-Post), aber heute schon. Und dann würde ich von der Liebe erzählen. Vom Lieben und Geliebtwerden. Davon, dass nicht 90 Prozent der Welt Idioten sind, sondern dass es sich nur so anfühlt. Davon, dass ich, wie die Protas aus Tschick, aus dem Jutta heute in ihrer Morgenmail zitiert hat, meistens das grosse Glück habe, auf die 10 Prozent zu treffen, die eben keine Idioten sind. Dass es infolgedessen viel mehr als 10 Prozent sein müssen. Und mir das unendlich viel Kraft und Zuversicht gibt. Und dass ich Bücher schreiben möchte, mit denen ich diese Kraft und Zuversicht weitergeben kann. Das bedeutet nicht, dass meine Protas nie mehr wütend oder zornig oder verletzt oder traurig oder am Ende ihrer Kraft sind. Es bedeutet auch nicht, dass ich als Autorin den Finger nicht mehr auf die wunden Punkte lege. Es bedeutet, dass ich meinen Buchfiguren und meinen Leser*innen Wege aus diesen Gefühlen heraus aufzeigen möchte, Wege, die sie gehen können. Damit das Licht der Hoffung und Zuversicht nie ganz ausgeht.

Vielleicht ist es mit diesem Post so, wie mit vielem im Leben. Vielleicht konnte ich ihn erst heute schreiben, weil ich erst heute dafür bereit bin.

Und wie geht es dir? Möchtest du uns davon erzählen? Dann schreibe doch einen Kommentar. Würde mich sehr freuen.

Donnerstag, 16. Mai 2024

Solothurner Literaturtage - ein Rückblick


Das setzte ich als einzigen Punkt auf die To-Do-Liste im Bullet Journal. GENIESSEN. Gemeint waren die Solothurner Literaturtage, zu denen ich mit meinem Buch Mittelstreifenblues - völlig unerwartet - zum dritten Mal eingeladen war. Da es wohl meine letzte Einladung an die Literaturtage war, hatte ich mir vorgenommen, tief einzutauchen und die Zeit dort zu geniessen. Kleiner Vorausspoiler: Es ist mir zu 100 Prozent gelungen. 

Ich reiste am Montag an, checkte in meinem (wunderschönen) Zimmer in einem Altbau direkt am Fluss ein, stellte erst einmal den Schreibtisch von der Wand ans Fenster mit Blick auf die Altstadt und richtete mich dann gemütlich ein. Bis zum Nachtessen setzte ich mich an den Schreibtisch, führte mein Bullet Journal nach, guckte nach draussen und fühlte mich so richtig als Autorin. Nach all den Monaten, in denen ich hauptsächlich als Verlegerin gearbeitet hatte, war es genau der passende Zeitpunkt für diesen bewussten Rollenwechsel.

Am Abend waren die Autor:innen vom JuKiLi (Jugend- und Kinderliteratur) Solothurn zu einem gemeinsamen Abendessen eingeladen. Für mich war kein vertrautes Gesicht dabei, was eine neue aber auch sehr gute Erfahrung war. Auf all den Lesetouren, an denen ich bis vor ein paar Jahren teilnahm, traf ich immer wieder auf liebe und bekannte Gesichter. Diesmal war es anders. Ich lernte neue Berufskolleg:innen kennen, alle spannend und mit tollen Projekten. Es entwickelte sich ein unterhaltsamer, interessanter Austausch mit Menschen, die für ihre Arbeit brennen. Wie ansteckend das war! Wie gut das getan hat. 

Am Dienstagmorgen traf ich mich mit Autorin Karin Bachmann zu einem sehr langen Brunch, am Nachmittag hatte ich dann meine erste Lesung aus dem Buch Mittelstreifenblues. Bestens betreut von meiner Ansprech- und Kontaktperson Rico und dem Techniker Ramon. Weil Mittelstreifenblues ein stilles, ruhiges Buch ist, das zwar viel Handlung aber nicht wirklich viel Action hat, war ich mir nicht ganz sicher, wie die Lesung funktionieren würde. Es wurde dann auch etwas stiller und ruhiger als sonst, aber es war wunderschön.


Der Mittwochmorgen stand ganz im Zeichen von Lesungen. Zwei waren es, eine vor einer sehr grossen Gruppe, eine mit einer sehr kleinen. Zu meiner Freude fand ich heraus, dass auch Lesungen aus Mittelstreifenblues fröhlich, witzig und lebhaft sein können. Die stillen Passagen aus dem Buch passten trotzdem bestens in diese Lesung hinein. Für mich war diese Lesung ein Highlight. Bei der kleinen Gruppe wurde der Austausch persönlich; weil es sich um sehr leseschwache Jugendliche handelte, wünschte ich mir jedoch, ich hätte mein da bux Buch Voll Risiko dabeigehabt; es hätte besser gepasst. Ich habe gar nicht so viel vorgelesen, sondern viel mehr erzählt und vor allem den Austausch gesucht, der die Lebenswelt der Jugendlichen berücksichtigte. Fazit der drei Lesungen: Jede war anders als die andere, jede war einzigartig und schön.

Am Nachmittag traf ich mich mit Autor Franco Supino zu einem Kaffee. Für einmal ging es gar nicht so sehr ums Schreiben, sondern um viel Persönliches und Privates. Und am Abend holte ich Herrn Ehemann vom Bahnhof ab, der das lange Wochenende mit mir in Solothurn verbrachte.

Am Donnerstag gingen wir beide wandern und entdeckten dabei für uns die ehemalige Cellulose-Fabrik Attisholz, die heute ein derart cooles Kulturareal ist, dass wir beinahe nicht aus dem Staunen rauskamen. Wir streiften endlos lange über das Gelände, blieben immer wieder stehen, ich fotografierte wie wild und konnte gar nicht fassen, dass es so einen Ort wirklich gibt. Mein Tipp: hingehen und ansehen. Unbedingt.


Am Abend fand die Eröffnungsfeier statt. Viersprachig. Mit rätoromanischer Begrüssung. Die Feier wurde zu einer Würdigung der Solothurner Autorin Gertrud Wilker, die dieses Jahr 100 Jahre alt geworden wäre. Leider ist ihr Werk in Vergessenheit geraten, aber dank einer engagierten Historikerin, die die Literaturtage an diesen Geburtstag erinnerte, durften wir diese spannende Autorin entdecken. Einerseits durch ihre Originaltexte, andererseits durch Interpretationen von Autor:innen, Übersetzerinnen und einer Illustratorin, die live Collagen schneidet. Ich sass wie gebannt auf meinem Stuhl und habe mich keine Sekunde gelangweilt oder das Gefühl gehabt, hier werde ein Pflichtprogramm heruntergespult. Dass das Catering danach der absolute Wahnsinn war, hat den Abend schlicht perfekt gemacht.

Am Freitag durfte ich Teil einer Podiumsdiskussion über Serien im Kinder- und Jugendbuchbereich sein. Der Saal war voll, das Publikum sehr interessiert, der Moderator hat perfekt durch den Anlass geführt. Mit mir auf dem Podium sassen Barbara Russlow und Katja Alves.


Zu keiner Zeit war ich vor einem der Anlässe nervös oder aufgeregt. Ich habe mich einfach nur gefreut darauf. Es war ein Miteinander, ein Aufeinander-Eingehen, ein Austausch mit und unter Begeisterten. Ich weiss, dass das viel zu schön klingt, um wahr zu sein, aber genau so habe ich es empfunden. Ich habe unendlich viel aus diesen Begegnungen mitgenommen.

Am Freitagnachmittag und Abend trafen wir noch einmal gute und liebe Berufskolleg:innen. Es war ein Heimkommen, ein Ankommen, ein Ernten von all dem, was in den letzten Jahren an Gutem gewachsen ist. Das hat all das Negative, das Schwierige, das Frustrierende, das Harte, das es in diesen Jahren als Autorin auch gegeben hat, relativiert, kleiner und weniger wichtig gemacht, hat mich spüren lassen, dass das, was ich tue, richtig und gut ist, dass man seinen Weg auch in einem sehr schwierigen Umfeld gehen kann. Aber auch, dass man die Wahl hat, wie man seinen Weg gehen will. 

 
Den letzten Tag in Solothurn haben wir mit Wandern verbracht. Zwanzig Kilometer der Aare entlang. Ein Traum. Die Verleihung des Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreises habe ich sehr bewusst ausgelassen, weil sie mich an all das Negative der vergangenen Jahre erinnert hätte. Und so wurde der Tag zum perfekten Abschlusstag in Solothurn.

Mit nach Hause genommen habe ich das Brennen für meinen Beruf. Ein Brennen, wie ich es seit Jahren nicht mehr gekannt habe. Und einen ganz klaren Blick darauf, wie ich als Autorin weitermachen möchte. Dazu dann mehr in einem anderen Blogpost. 

Ich wünsche euch Leidenschaft und viel Feuer für das, was ihr tut. Versucht zu brennen. Und wenn das nicht geht, sucht nach dem Funken, der euch daran erinnert, weshalb ihr mal mit dem angefangen habt, für das ihr vielleicht nicht mehr so brennen könnt. Denn wenn ihr den Funken findet, könnt ihr das Feuer wieder entzünden. Alles Gute. Tragt euch Sorge.

Donnerstag, 25. April 2024

Handfeste Tipps für kreative Menschen

Autorenratgeber gibt es wie Sand am Meer. Ganz viele davon übrigens von Menschen, die ausser einem Ratgeber übers Schreiben noch nie ein Buch geschrieben haben. Ich habe vor langer Zeit aufgehört, mir welche zu kaufen. Aus den paar wirklich guten, die bei mir auf dem Regal stehen, habe ich mir die Tipps herausgenommen, die für mich und zu mir passen. Selber würde ich keinen Schreibratgeber schreiben, weil der nur aus einer Seite bestehen würde, auf der stehen würde: Finde für dich heraus, was für dich und zu dir passt. Na ja, ich könnte dann ja auch noch erzählen, wie andere es so machen ... und dass das, was für andere passt, für einen selbst oft halt nicht passt. Womit ich dann schon wieder beim Finde für dich heraus, was für dich und zu dir passt wäre.

Zurück zu den Ratgebern, die aus mehr als einer Seite bestehen. Und dort zu jenen, die ich als wirklich brauchbar und handfest empfinde: Die Bücher von Austin Kleon, Ratgeber generell für kreative Menschen, nicht nur für Autor:innen. Sie sind eine wahre Fundgrube. Fadengerade, ungeschönt realistisch, gnadenlos ehrlich. Gleichzeitig inspirierend und motivierend. Vor allem sehr brauchbar und praxisnah. Sie liegen neben meinem Bett, kommen mit mir ins Haus in Cumbel, manchmal sogar mit in die Ferien. Ich liebe es, in diesen Büchern zu blättern oder sie einfach auf einer beliebigen Seite aufzuschlagen, denn ich kann mich darauf verlassen, dass mich ganz bestimmt ein gutes Zitat, eine herrliche Textpassage oder eine tolle Illustration anspringt.

Austin Kleon ist auch eine grosse Hilfe, wenn es darum geht, seine Social Media Seiten spannend zu gestalten. Zeig deine Arbeit, ist sein Motto und sein Leitfaden. Nun ist das einfacher, wenn man fotografiert, malt, tanzt, singt usw. als wenn man schreibt. Kinder- und Jugendbuchautor:innen dürfen bei den Schullesungen keine Kinder/Jugendliche fotografieren, weshalb man auf Instagram und Co jede Menge leerer Stuhlreihen sieht. Oder einen Tisch mit Büchern vor leeren Stuhlreihen. Oder Herr Autor oder Frau Autorin in einem Selfie vor leeren Stuhlreihen. Wir dürfen nichts über den Inhalt des Buches verraten, das wir gerade schreiben. Also zeigen wir unsere publizierten Bücher. Entweder schön drapiert oder im Buchladen, bestenfalls einen ganzen Stapel davon, schlechtestenfalls halten wir verlegen grinsend unser Buch in die Linse. Manchmal zeigen wir uns bei der Hin- oder Rückfahrt zu und von Lesungen. Und wenn uns gar nichts mehr einfällt, stellen wir schon mal das Foto einer schönen Kaffeetasse mit einem Notizblock daneben online. Das ist alles schön und gut ... und irgendwann völlig langweilig und beliebig.

Ich habe mir lange gesagt: Der Austin hat gut reden. Was soll ich denn zeigen? Leere Stuhlreihen (okay, habe ich gemacht, mache ich immer noch, einfach anders als früher). Aber je öfter ich in seinen Büchern schmökere, desto klarer wird mir: Es gibt sooo vieles zu zeigen und vor allem zu erzählen:  Hintergrundinformationen zum Buch, über die Figuren, über die Recherchen, darüber, was mich inspiriert und motiviert, auch wer mich inspiriert und motiviert. Was das Schreiben in mir auslöst, was mich am Schreiben hindert. Welche Passagen in meinen Büchern zu meinen Lieblingspassagen gehören ... 

Kürzlich habe ich laut gelacht, als ich Jutta Wilkes Instagram-Post über die Hürden beim Schreiben von Jugendbüchern gelesen habe:

Ich denke, das ist ziemlich genau das, was Austin Kleon mit Show your Work meint. Er sagt auch: Teile die Arbeit von anderen, nicht nur deine eigene. Zeige, wer dich inspiriert. Erzähle, warum. Denn damit lernt man gleich über zwei Menschen mehr: den Menschen, der dich insipriert und dich.

Zurzeit stecke ich mal wieder in einer heftigen Austin-Kleon-Phase. Und ich habe das Gefühl, die Ideen wachsen aus meinem Kopf heraus wie ein Dschungel bei warmem Sommerregen. Ich lasse sie mal wachsen, mache mir Notizen und zeige euch in den nächsten Wochen und Monaten meine Arbeit. 

Wenn ihr Lust habt, mir zu erzählen, was euch inspiriert, schreibt mir doch einen Kommentar. Würde mich sehr freuen.

Donnerstag, 8. Februar 2024

Dilemma

 
 
Gestern fiel ein Termin in der Nähe von Zürich sehr kurzfristig aus. Genauso kurzfristig habe ich mich entschlossen, stattdessen in die Berge zu fahren. Ich wollte die Traurigkeit abschütteln, die mich seit längerem begleitet, wollte meine Autorenseele erden und mit Kraft füllen. Kurz nach Chur fühlte ich, wie es mir besser ging, wie meine innere Wackligkeit nachliess. Die Rheinschlucht - immer und immer wieder überwältigend schön - tat mir gut. In Ilanz stieg ich von der Bahn ins Postauto um und merkte, wie ich mit jedem Kilometer mehr bei mir ankam.

Ich blieb nicht lange, nur ein paar Stunden. Ich tat auch nicht viel, denn im ungeheizten Haus war es kalt, im Schreibstall noch kälter und draussen grad auch. Die Sonne schaffte es nicht durch die Wolken, aber all das spielte keine Rolle. Die Traurigkeit verzog sich zwar nicht wirklich, sie schrumpfte jedoch zu einer leisen Melancholie und ich konnte meine Gedanken sortieren und mir überlegen, wie ich mit meinem Dilemma umgehen soll.

Das Dilemma hat mit den Bergen und meinem neuen Buch zu tun. Die Geschichte ist meine Liebeserklärung an die Berge und die Menschen, die in den Bergen leben. Sie wurzelt dort, wo ich auch wurzle. Ich bin tief mit ihr und den Buchcharakteren verbunden. Und zu dieser Geschichte hat das Buch ein Flachlandcover bekommen. Eine Aufnahme aus dem Mittelland, die auch aus Mecklenburg-Vorpommern stammen könnte. Es ist eine schöne Aufnahme mit einer ganz besonderen Stimmung, die bestimmt vielen Menschen gefallen wird. Der Verlag ist begeistert. Nur für mich stimmt das Bild halt überhaupt nicht. 

In dem Moment, in dem mir klar wurde, dass das Cover definitiv so bleiben und aussehen wird, hat sich meine Vorfreude auf das Buch verzogen wie ein geprügelter Hund und einer tiefen Traurigkeit Platz gemacht. Mit Frust oder Wut hätte ich umgehen können, aber nicht mit dieser abgrundtiefen Traurigkeit. Ich komme mir ihr nicht klar. Und ich werde sie nicht los. Ich kann sie verdrängen, habe das jetzt einige Wochen lang gut geschafft, aber mit dem Näherrücken des Erscheinungstermins ist sie zurückgekommen.

Ich würde so gerne sagen, dass ich das alles sehr professionell sehe und vor allem, dass ich professionell damit umgehen kann. Aber beides wäre eine Lüge. Früher wäre ich zumindest so professionell gewesen, dass ich in den Social Media begeistert das Cover gezeigt hätte, mit einem Text dazu, in dem ich verkünde, wie sehr ich mich freue. Das kann und will ich nicht mehr. Mein Entschluss vor einiger Zeit, meine Social Media Accounts nicht zu löschen, hing mit der Bedingung zur Ehrlichkeit zusammen. Was mich zum Dilemma bringt: Wie gehe ich mit all dem um?

Ich glaube, ich habe einen Weg gefunden, wie ich auf das neue Buch eingehen kann: Ich zeige auf Insta Bilder aus der Welt meiner Protas mit passenden Buchzitaten. Anders gesagt: Ich stelle meine Hauptfiguren vor. Das funktioniert für mich. Bei den Lesungen bin ich ehrlich. Wenn mich die Jugendlichen nach meinem neuen Buch fragen, erzähle ich ihnen davon - und verschweige nicht, wie traurig mich das Cover macht.

Wer jetzt schon Einblicke in meine Protas und ihre Welt möchte, findet sie auf Insta. Oder wartet hier noch ein Weilchen. Ich werde die Portraits hier in einem Blogpost vorstellen, sobald ich die wichtigsten Figuren beisammen habe und der Erscheinungstermin des Buches etwas näher liegt.

Mittwoch, 31. Januar 2024

(K)ein typischer Tagesablauf

Ich werde oft gefragt, wie ein typischer Arbeitstag bei mir abläuft. Bis Ende Dezember 2023 war die Antwort wenigstens für den ersten Teil des Tages klar: Ich stehe auf, werfe die Kaffeemaschine an, hole die Zeitung aus dem Briefkasten, mache mir einen Kaffee, stelle die Kaffeetasse neben die Zeitung, lese das Neuste von (sehr) nah und (sehr) fern und trinke dazu meinen Kaffee. Ein Ritual, das sich über Jahrzehnte nicht geändert hat. Bis meinem Zeitungsanbieter einfiel, dass es günstiger kommt, die Zeitung nicht per Frühzustellung sondern per Post zu verteilen. Einen Monat lebe ich nun schon ohne Zeitung am Morgen, und hätte ich nicht meine täglichen Morgenmails, die ich mit Jutta Wilke austausche, stünde ich ritual- und hilflos im Schilf der Verlorenen. Und nein, online Zeitung lesen ist Null Ersatz für das Lesen einer Printzeitung am frühen Morgen.

Nach dem ritualähnlichen Einstieg in den Morgen verläuft jeder Tag ein wenig anders. Ich würde euch jetzt gerne sagen, dass ich sehr diszpliniert und klar strukturiert an meine Arbeiten gehe, aber das wäre eine glatte Lüge. Manchmal frage ich mich, ob ich überhaupt etwas tue und wenn ja, was. Wie oft und wie viel ich als Autorin arbeite. Wie oft und wie viel als Verlegerin. Ob ich daneben Projekte auf die Reihe bekomme, die ich mir vorgenommen habe. Ist das alles überhaupt messbar?

Kürzlich habe ich gelesen, wenn man an diesem Punkt sei, an dem man sich fragt: "Habe ich überhaupt was geschafft heute/diese Woche/diesen Monat oder habe ich mehr oder weniger nur prokrastriniert?", dann solle man sich mal aufschreiben/anschauen, was man so alles erledigt hat. Genau das habe ich gemacht, und die abgehakten Punkte in meinem Bullet Journal haben mir gezeigt, dass es gar nicht so wenig war: Ich habe lektoriert, geschrieben, zehn Lesungen gemacht, Termine wahrgenommen, war Sekretärin, Logistikerin und meine eigene Social Media Beauftragte, habe drei Handwerksprojekte umgesetzt, ein grosses und zwei kleinere, und habe mein Monatsziel von 170 gelaufenen Kilometer sogar leicht übertroffen. Bei Autor:innen auch wichtig: Die Zeit, die man in Gedanken bei seinen Figuren und seinen Geschichten verbringt, zeigen sich in keinem Arbeitsplan.

All diese oben erwähnten Tätigkeiten habe ich zu den verschiedensten Tageszeiten ausgeübt. Ein konkretes Muster zeichnet sich nicht ab, ein sich wiederholender Tagesablauf sowieso nicht. Ich glaube, das macht es schwierig zu erkennen, was man alles erledigt hat. Diese sehr unterschiedlichen Tagesabläufe sind aber auch genau das, was ich mag. Regelmässige Arbeitszeiten und Verpflichtungen kann ich mir längst nicht mehr vorstellen. Ich empfinde sie als viel zu einengend für mich.

Wichtig ist, sich nicht zu sehr zu verausgaben. Das habe ich jahrelang gemacht, wie so viele andere selbständig Erwerbende auch. Weil es für mich normal war, weil es zum Teil nicht anders ging, weil ich mir auch oft eingeredet habe "Wenn du jetzt absagst, bekommst du keine Anfragen mehr". Erst jetzt, wo ich älter (alt) werde, erlaube ich mir ein Zurückfahren meiner Aktivitäten, erlaube ich mir Arbeitsportionen, die ich bewältigen kann. 

Und genau jetzt, wo ich meistens Zeit und Musse für meine Printzeitung hätte, liegt sie am Morgen nicht mehr in meinem Briefkasten. Zum grossen Glück habe ich Jutta Wilke und unser Morgenmail-Schreibritual. Die Morgenmail für heute ist längst geschrieben - die Arbeit wartet. Na, dann mal los! Hinein in einen Tag, der (k)ein typischer sein wird.

(Bild: Pixabay, TaniaRose)

Freitag, 26. Januar 2024

Eigentlich ... ist es genau richtig und gut so


Ihr kennt das: Eigentlich wolltet/solltet ihr ... Aber dann zuckt das Leben mit den Schultern, schlägt einen Haken und guckt euer geplantes "Eigentlich" nicht mal mit dem Allerwertesten an. So geht es mir mit dem heutigen Post gleich mehrfach.

Eigentlich ... hatte ich mir vorgenommen, dieses Jahr jeden Mittwoch einen Blogpost hochzuladen, allenfalls am Donnerstag. Heute ist Freitag. Also immerhin noch die richtige Woche. Tschakka.

Eigentlich ... wollte ich diese Woche etwas zu den Demonstrationen gegen rechts schreiben. Den Text dazu habe ich am Mittwoch auf der Fahrt nach Zürich geschrieben. Aber dann habe ich die Autorin Monica Cantieni getroffen, die ein tolles Projekt auf die Beine gestellt hat, das bestens zu dem passt, was ich geschrieben habe. Leider ist das Projekt noch nicht ganz so weit, weshalb ich den geplanten Text nach hinten schiebe. Was ich jedoch schon mal kann und auch sehr gerne tue: auf Jutta Wilkes Blogpost verlinken, den sie nach den Demonstrationen vom Wochenende geschrieben hat.

Eigentlich ... wollte ich heute Morgen ins Haus in den Bergen fahren. Aber dann habe ich auf Insta gesehen, dass Susanne Oswald in Chur liest, also beinahe bei mir um die Ecke. Susanne war im gleichen Forum für Kinder- und Jugendbuchautor:innen wie ich und ist schon vor einer ganzen Weile mit ihren wunderbaren Büchern für Erwachsene durchgestartet. Ich habe also meine Pläne über den Haufen geworfen und fahre heute Abend nach Chur und morgen früh dann ins Haus in den Bergen.

Eigentlich ... hätte ich für Januar ganz konkrete Ziele gehabt, was mich und meine Körper betrifft. ähm ... Mehr schreibe ich da jetzt besser nicht dazu.

Eigentlich ... finde ich diese ganzen Haken, die das Leben so schlägt, wenn man eigentlich etwas machen will/sollte, total cool (Ausnahme: das mit den Abmachungen zwischen mir und meinem Körper).

Keine Haken geschlagen haben meine ersten Lesungen des Jahres. Die gingen voll geradeaus und waren Freude pur. Tolle Jugenliche, tolle Lehrpersonen, tolle Lesungen. Einfach nur schön. Ohne das kleinste bisschen "Eigentlich."

Wenn ihr gucken wollt, womit mich die Jugendlichen empfangen und überrascht haben, schaut euch die beiden Kurzvideos an. Viel Spass.


 

Mittwoch, 17. Januar 2024

Ein Ende mit Schrecken - vom Scheitern


Das Ende zeichnete sich ab, aber wir wollten nicht aufgeben. Wir: Jutta und ich. Sieben Monate lang hatten wir an einem gemeinsamen Projekt gearbeitet. Zuerst voller Vorfreude, viel Spass und ungeheurer Motivation. Für beide von uns war es in mehrfacher Hinsicht eine neue Herausforderung: gemeinsam schreiben - und erst noch an etwas für uns völlig Neuem. Ein Escape-Krimi sollte es werden. Setting: ein verlassenes Kloster. Wir entwarfen tolle Protas - samt einer Katze -, dachten uns eine Geschichte aus, schauten uns umpfzig Grundrisse von Klostern an und erfanden unseren eigenen. Wir tasteten uns an das Format heran. Zwei Seiten Text, dann ein Rätsel. Jedes Mal ein Cliffhanger. Die Rätsel alleine waren eine Riesenherausforderung, der sich vor allem Jutta annahm - ich war ihr Versuchskaninchen fürs Lösen dieser Rätsel und habe mir an so manchem fast die Zähne ausgebissen; auf jeden Fall fand ich alle toll.

Drei Probekapitel sollten wir schreiben, bevor es das definitive Go-Ahead geben sollte. Wir liefen zu Höchstform auf, fanden schnell heraus, wo die Stolpersteine lagen (zwei Seiten sind sehr wenig bis zum ersten Cliffhanger und Rätsel - Rätsel erfinden hat es in sich), aber wir kniffelten begeistert an Formulierungen herum, kürzten, änderten, verbesserten. Die erste Reaktion darauf: kritisch verhalten. Wir mussten anpassen, vieles von dem, was wir an unserem Text liebten, entsprach nicht dem, was der Verlag erwartete.

Im Nachhinein betrachtet, hätten wir die Übung nach diesen drei Probekapiteln abbrechen sollen. Aber unser Ehrgeiz war geweckt. Der Spass wurde weniger, der Stress mehr, die Freude am Projekt war längst gedämpft und brach immer weniger durch. Aber wir wollten das Ding professionell durchziehen.

Am Ende gaben wir unsere Geschichte Anfang Januar 2023 (also ziemlich genau vor einem Jahr) pünktlich ab. Sie fand keine Gnade. Der Text wurde nicht angenommen, was bedeutete, dass es auch kein Geld gab (okay, JAJAJA, es war dämlich einen solchen Vertrag zu unterschreiben). Wir gaben noch einmal alles. Plotteten um, legten ein langes, detailliertes Konzept mit den Änderungen vor. Auch das neue Konzept mit Kurzzusammenfassung sämtlicher 24 Kapitel fand keinen Gefallen. Das war der Moment, in dem wir uns für den Abbruch der Übung entschieden.

Im Gespräch mit der Lektorin bot uns diese an, das Projekt weiterzuverfolgen und den Veröffentlichungstermin um ein Jahr zu verschieben, aber wir wussten alle drei, dass das nichts mehr wird. Wir entschieden uns gegen einen Schrecken ohne Ende und zogen das Ende mit Schrecken vor. Das bedeutete auch, uns einzugestehen, dass wir grandios gescheitert waren. Aber so was von.

Finanziell war es eine Katastrophe, extrem viel Arbeit für praktisch nichts. Schlimmer für mich war, was es mit meinem Schreiben machte. Ich schrieb in dieser Zeit auch meinen Roman zu Ende und verlor jegliches Gespür dafür, ob der Text gut war oder nicht. Mir hatte unsere erste Escape-Version gefallen. Aber sie war so was von durchgefallen. Konnte ich meiner Wahrnehmung noch trauen? War das, was ich da ablieferte, überhaupt brauchbar? Ich war insgeheim überzeugt, dass auch mein Roman abgelehnt werden würde. Dass er nicht gut genug war. Anders gesagt: Das Scheitern machte mich unsicher. Diese Unsicherheit hielt über Wochen an, sie blieb auch, als wir längst mit dem Lektorat und dem Überarbeiten des Romans angefangen hatten.

Den Abbruch des Escape-Projekts habe ich nie bereut, auch nicht, dass wir ihn viel zu spät vollzogen haben. Ich bereue es nicht einmal, mich an diesem Format versucht zu haben. Es ist ein spannendes Format, eines, das mir gefällt, eines, das sehr anspruchsvoll ist. Ich habe eine Unmenge über mich und das Schreiben im Team gelernt. Und da war vor allem am Anfang eine wahnsinnige Schreibfreude, an die ich mich sehr gerne erinnere.

Heute, ein Jahr später, ist das alles längst Schnee von gestern. Es ist, als hätte das Loslassen, das mit dem Scheitern einherging,  neue Kräfte freigesetzt. Mein Roman kommt Mitte März in die Buchläden. Ich habe in der Zwischenzeit begeistert mit verschiedenen Textformen experimentiert. Mein Kopf ist voller Ideen für nächste Projekte. Selten war die Schreiblust so gross wie in diesen Tagen. Und vor ein paar Wochen habe ich tatsächlich davon geträumt, eine neue Escape-Geschichte zu schreiben. Aber ich denke, das sollte ich wohl besser bleiben lassen.

Scheitern ist Teil unseres Berufs. Immer und immer wieder. Im Kleinen und im Grossen. Als Autorin bin ich so was wie eine Wellensurferin. Ich geniesse die Momente, in denen ich oben auf der Welle surfe, ich stöhne und grummle mich durch die Flauten, mache mir selber Mut. Ab und zu wirft mich eine Riesenwelle an den Strand, so heftig, dass ich nicht mehr weiss, was oben und unten ist. Dann sitze ich bedröppelt da, spucke mir den Sand aus dem Mund, lecke meine Wunden. Und wenn ich genügend in Selbstmitleid gebadet habe, stehe ich auf, wische den Sand ab und suche mein Surfbrett (und meinen Laptop). Tschakka.

Freitag, 27. Oktober 2023

Eine Heimat für mein Buch


Gestern habe ich den Verlag besucht, in dem mein neues Buch seine Heimat gefunden hat. Ich habe meine Verlegerinnen Anne Wieser und Bettina Spoerri getroffen und bin mit dem Fotografen Miklós Klaus Rózsa durch den Park gegangen. Einige Fotos sind echt gut geworden, auf anderen sehe ich ziemlich dämlich aus (was nicht die Schuld des Fotografen ist), aber das ist okay, solange es ein paar brauchbare darunter hat.

Wichtig ist was ganz anderes: Ich fühle mich beim Geparden Verlag richtig gut aufgehoben. Da wird mit Herzblut sehr professionell gearbeitet, ich bekomme immer sehr zeitnah Bescheid, was gerade läuft, konnte die Vorschautexte einsehen und durfte auch schon in den Satzentwurf reingucken. Es dauert noch eine Weile, bis das Buch rauskommt, aber die Vorfreude wächst mit jedem Tag. 

Ich habe auch erfahren, dass es das Coverbild schon gibt - gesehen habe ich es noch nicht. Und so geht es mir ein bisschen wie euch: Ich muss noch warten. Ihr auf mehr Informationen zum Buch, ich aufs Cover. Bis dahin lohnt sich ein Blick ins Verlagsprogramm des Geparden Verlags. Bitte auf diesen Link klicken: Geparden Verlag Bücher.  

PS. Das Fotoshooting war gar nicht so schlimm. 

Samstag, 21. Oktober 2023

Bitte lächeln - oder lieber nicht?

Irgendwann bevor mein erstes Buch erschien, fragte der Verlag nach Fotos. Ich hatte keine. Also, ich hatte schon, aber nicht von mir, sondern vor allem von den Kindern und von Landschaften, auf denen ab und zu auch ich zu sehen war, aber brauchbar waren die nicht. Das war der Moment, in dem mir klar wurde, dass ich offizielle Fotos benötigte. Gleichzeitig wurde mir ein wenig anders, denn ich mag es nicht, fotografiert zu werden. Zum Glück hatte ich einen wunderbaren Kollegen. Sein Beruf: Fotograf. "Scott", sagte ich zu ihm, "ich brauche Fotos." Scott ist Optimist. "Das bekommen wir hin", meinte er. 

Und so sass ich zum ersten Mal im Leben in einem Studio. Mit richtiger Beleuchtung, Hintergründen und allem, was so dazu gehört. Scott gab alles. Rückte meinen Kopf zurecht, mein Kinn nach oben, redete mir gut zu, drückte ab. Es war hoffnungslos. Die Bilder waren Schrott. Ihr kennt das: dieses gezwungene Lächeln, das nicht bis zu den Augen reicht, diese leichte Verlegenheit, diese Steife, diese Künstlichkeit.

Kurz vor (oder vielleicht auch während) dem Verzweifeln begannen wir rumzublödeln. Scott drückte den Auslöser. Es entstanden tonnenweise Ausschussbilder. Ich liebte sie. Weil sie echt waren. Am Ende landeten sie fast alle auf meiner Webseite. Schräg, doof, unvorteilhaft - und witzig. Die Webseite erstellte damals ein Schüler von mir, die Fotos waren von Scott, das Ganze wirkte ziemlich handgestrickt, aber mir wurde mehr als einmal gesagt, dass man von allen möglichen Autoren und Autorinnen auf einer Liste mich ausgewählt hatte - wegen der Fotos. Leider starb die Seite den Tod aller früheren Webseiten: zu statisch, zu sehr 1.0, zu wenig bedienerfreundlich. Die Startseite habe ich mir kopiert. Es ist das Bild ganz oben im Post (Ganz unten im Post findet ihr noch eine zweite Fotostrecke - die wirklich verrückten, die ich so sehr mag). Der Verlag bekam die offizielle Version, die mit dem künstlichen Lächeln, hihi. Dieses und ein zweites Bild waren jahrelang meine beiden offiziellen Fotos. 

Jetzt, 17 Jahre später wieder die Frage vom Verlag: Hast du Fotos? Ich habe eins oder zwei geschickt, beide nicht ganz so alt wie mein erstes offizielles Foto, aber halt schon ziemlich älter und auch ziemlich verbraucht. Also, nicht ich, sondern das Bild. Weshalb ich am nächsten Donnerstag einen Termin mit dem Profifotografen des Verlags habe. Und boah, habe ich einen Bammel davor. Ich bin zwar ein bisschen besser geworden in Sachen Posieren für Portraitfotos, hatte in der Zwischenzeit auch ein paar Termine bei einer tollen Fotografin, aber ich fühle mich immer noch viel zu wenig wohl. Mir macht es nichts aus, während Lesungen oder in Gesprächen fotografiert zu werden; diese Fotos sind selten perfekt, oft sind sie das pralle Leben mit all seinen Makeln und Schönheitsfehlern. Aber so hochoffiziell? Phuuu. Ich verrate euch was: Ich habe Schiss vor diesem Termin. Werde stundenlang überlegen, was ich anziehen soll. Ob ich lächeln soll. Oder lieber doch nicht. Vielleicht bleiben am Schluss ein paar brauchbare Fotos. Ich glaube, ich frage für mich persönlich dann nach den Ausschussfotos. Haltet mir bitte die Daumen, ja? Danke. Und lieber, mir noch unbekannter Fotograf: sei gnädig, habe Geduld mit mir ... und lass mich rumblödeln.

PS: Zum (tollen) Verlag und zum neuen Buch mehr in einem anderen Post.

Sonntag, 19. Februar 2023

Wenn Lesungen beflügeln

 

Hinter mir liegen zwei anstrengende, aber auch wunderbare Wochen mit Lesungen an verschiedenen Oberstufenschulen. Auf jede einzelne habe ich mich gefreut, denn schon die Kontaktaufnahme und der Mailaustausch verliefen unkompliziert und herzlich. Wir einigten uns auf ein Datum - manchmal weit im Voraus, manchmal eher kurzfristig - und klärten dann spätestens eine Woche vor den Lesungen noch die letzten Details. Überall waren die Jugendlichen auf die Lesung vorbereitet, zum Teil wurde ich mit wunderschönen Plakaten empfangen, letzten Freitag in Marthalen holte mich eine ganze Schulklasse vom Bahnhof ab. Das sind Momente, in denen ich Begeisterung und Wertschätzung spüre und ich gestehe: Beides tut mir unendlich gut.

Lesungen mit gut vorbereiteten Klassen bereiten besonders viel Freude. Oft gibt es für mich schon vor der Lesung ganz viel zu sehen. An Stellwänden und Wandtafeln hängen kleine Plakate mit Portraits von mir oder verschiedenen Arbeiten zu meinen Büchern und dieses Mal auch Fotostorys zum Blackout. 








 

 

 

Sind sie nicht toll?

Zu den Fotostorys und Autorenportraits geht es hier:



Mittwoch, 1. Februar 2023

Mit Zuversicht voran - Blackout wird zurückkommen

Foto: 2009 / Fotografin: Kay

 Die Melancholie über die vergriffenen Bücher ist verflogen, die Zuversicht ist wieder da und mit ihr auch ganz viel Motivation und Energie. Ich habe die Rechte für beide Bücher - no_way_out und Blackout zurück und schon mit dem Buchsatz vom Blackout angefangen. 

Normalerweise lasse ich mir Zeit mit vergriffenen Büchern; es kann schon mal eins, zwei oder gar drei Jahre gehen, bis ich ein vergriffenes Buch noch einmal im Self Publishing herausgebe. Aber bei Blackout pressiert es mir. Ich habe bis Ende Juni gut 30 Lesungen, die allermeisten bei Klassen, die Blackout gerade gelesen haben oder am Lesen sind oder das Buch nach der Lesung lesen werden. Die meinsten Schulen haben das Buch im Klassensatz schon an Lager und oft schon mit mehreren Klassen gelesen, andere bestellen es sich bei der Medienzentrale in Solothurn. Aber Bücher gehen beim vielen Lesen schon mal kaputt und müssen ersetzt werden. Deshalb möchte ich, dass das Buch so schnell wie möglich wieder erhältlich ist. Ich achte auch beim Buchsatz darauf, dass er mit der Originalversion übereinstimmt, sprich, dass die Seitenzahlen aufeinander abgestimmt sind.

Weil ich als Autorin und Verlegerin nicht einfach alles beiseite legen und mich nur dem Buchsatz für ein vergriffenes Buch widmen kann, muss ich mir die Arbeit einteilen. Ich möchte jedoch so schnell wie möglich vorankommen und spätestens Anfang April mit allen Arbeiten (Buchsatz, Covergestaltung, Klappentext schreiben, das Buch bei BoD hochladen ...) fertig sein. Haltet mir bitte die Daumen.

Und hier für alle, die sich das gerne ausführlicher anhören (oder anschauen) möchten:

Donnerstag, 19. Januar 2023

Abschiedsmelancholie


Kürzlich musste ich mich von no way out verabschieden. Ohne Benachrichtigung des Verlags, der das Buch einfach aus dem Programm nahm. Ich fand selber heraus, dass es vergriffen ist. Gestern Morgen guckte ich ins Autorenportal des Verlags - und Blackout war weg. Ich wusste aus Erfahrung, dass das kein gutes Zeichen ist. Also hin zum Buchkatalog.de., der in Sachen vergriffene Bücher meine Informationsquelle geworden ist.


"Vergriffen", stand da hinter dem roten Punkt.
(Anmerkung am Rande: Man schafft es also, das Buch offiziell als vergriffen zu melden, aber man schafft es nicht, die Autorin zu benachrichtigen.)

Ich sass da und versuchte, das zu verdauen. Gerade hatte ich wieder eine Lesung abgemacht mit einer Schule, an der das Buch gelesen wird. Auf meinem YouTube Kanal guckten sich alleine in den letzten 48 Stunden rund 50 Leute den Blackout Buchtrailer und die Blackout Kurzlesung an. Und jetzt ist das Buch weg. Wieder ohne vorherige Information durch den Verlag. Mein Lager zuhause: fünf Stück. Wenn mich also Schulen anfragen, ob ich noch Exemplare habe, kann ich nicht wirklich helfen.

Zum Glück hatte ich keine Zeit, mich wirklich darüber aufzuregen, denn ich war auf dem Sprung zu einer tollen Veranstaltung (dazu mehr in einem anderen Post). Die Freude und die Begeisterung die ich daraus mitnehmen durfte, trug mich durch den Nachmittag. Am Abend schlich sich dann die Melancholie ein.

Ich muss in kurzer Zeit Abschied nehmen von zwei Büchern, die mein Autorinnenleben geprägt haben. Blackout war mein erstes Buch, es hat mich all die Jahre begleitet, ist an vielen Schweizer Oberstufen zu einer ziemlich verankerten Klassenlektüre geworden. Das Buch hat mich zur Autorin gemacht, ich verdanke ihm unzählige Lesungen, auch heute noch. Mit seinem Verschwinden verschwindet ein Stückweit auch etwas von mir. no way out war mein zehntes Buch, das Buch, nach dem ich dachte, ich könnte jetzt eigentlich aufhören zu schreiben, weil alles gesagt ist, was ich sagen wollte. Es war mir unendlich wichtig und es war mir eine tiefe Freude, als es den Preis als bester deutschsprachiger Jugendkrimi bekam.

Heute Morgen habe ich entschieden, dass ich diesen Abschied für mich würdig feiern möchte. Den Büchern noch einmal zuwinken. Ihnen sagen, wie viel sie mir bedeuten. Ihren wunderbaren Protas danken, dass sie mich gefunden haben. Mich vor den Leserinnen und Lesern verneigen, die die Geschichten gelesen haben. Für alle Feedbacks danken. Wissen, dass diese Bücher nicht nur mir etwas bedeuten. Mich an all die Jugendlichen erinnern, die mir gesagt haben, wie gerne sie das Buch gelesen haben. Ich wusste noch nicht, wie ich das anstellen sollte. Entstanden ist dieser Post (ein Glas Wein an einem Donnerstagmorgen fand ich dann doch etwas zu viel). Es bleibt die Melancholie.

Dienstag, 27. Dezember 2022

Autorinnenleben pur

 Ein Jahresrückblick der anderen Art. Momente aus meinem Autorinnenleben.
Unbedingt den Ton anmachen, bevor ihr reinguckt.
Mit Musik fegt es nämlich (noch) mehr.


Freitag, 28. Oktober 2022

Just for Fun

Just for Fun. Diese drei Wörter haben bei mir im September ordentlich was ausgelöst. Nicht so, wie der Mensch, der sie ausgesprochen hat, sie wohl beabsichtigt hatte. Was bei mir sehr negativ ankam, hat zu einer meiner Häutungen geführt. So nenne ich das jeweils, wenn ich mich und damit meistens auch meinen Beruf in Frage stelle. Die Häutung hat für einmal gar nicht so lange gedauert, es war auch nicht wirklich eine vollständige Häutung, sondern eher ein Wiederentdecken und Bestätigen meiner Werte.

Was war passiert? Ich war für eine Lesung angefragt worden, sagte zu und erfuhr Wochen später, wie hoch resp. tief das Honorar sein sollte. Ob das so in Ordnung gehe, stand da am Ende der Mail. Ganz ehrlich: Ich war geplättet. Ungläubig schaute ich auf den Betrag, rief Herrn Ehemann dazu, der genauso ungläubig schaute und schrieb dann erst einmal ... nichts. Ich wusste, wenn ich jetzt antworten würde, würde das eine dermassen gepfefferte Antwort, dass ich damit den Menschen, der sie lesen würde, tief verletzen würde, und das wollte ich nicht. Vor allem aber ärgerte ich mich, nicht wie üblich gleich nach dem Honorar gefragt zu haben - ich war davon ausgegangen, dass es in diesem Fall schon stimmen würde.

Nach ein paar Tagen, an denen mir immer noch keine Antwort eingefallen war, gab ich auf und entschied, dass ich es darauf ankommen lassen wollte. Anders gesagt, ich spielte Roulette. Entweder wurde meine fehlende Antwort als ein Nein oder ein Ja interpretiert und ich würde die Lesung machen oder eben nicht.

Es stellte sich heraus, dass mein Schweigen als Zusage gewertet wurde und ich merkte, wie es in mir zu rumoren begann. Ich ärgerte mich darüber, nicht klar und deutlich (und höflich) Nein gesagt zu haben. Irgendwann fand ich dann, dass sich das Ärgern nicht lohnte und beschloss, mich einfach auf diese Lesung zu freuen. Ich beschloss aber auch, dass ich nie mehr so reagieren würde, wie ich reagiert hatte.

Die Lesung war dann wunderbar.

Nach der Lesung wollte ich eine Rechnung schreiben und nahm mir vor, in der Begleitmail zu erwähnen, dass alles ausser dem Honorar toll und wunderbar gewesen sei. Ein Telefonat kam mir zuvor und so kam es, dass ich meine Gefühle am Telefon direkt schildern konnte. Ich stellte mich auf den Punkt, dass Autorinnen und Autoren ein angemessenes Honorar für eine Lesung bekommen sollten. Dass wir uns selber das Wasser abgraben, wenn wir zu tiefen Honoraren lesen. Oder anders: Dass wir eine Abwärtsspirale in Gang setzen würden. Irgendwann im Laufe dieses Gesprächs fiel der Satz: "Für mich lesen die Leute auch just for fun." 

Dieser Satz hatte auf mich die Wirkung einer Dampfwalze. Er setzte ausser Kraft, wofür ich mich bisher immer eingesetzt hatte: angemessene Honorare. Denn: Autorin ist ein Beruf. Ich lebe davon resp. möchte gerne davon leben. Das geht nur, wenn ich für berufliche Leistungen angemessen bezahlt werde. Um den armen Bäcker zu bemühen, der immer wieder für Beispiele herhalten muss in meinem Beruf: Ich kann ja auch nicht in eine Bäckerei gehen und fragen, ob ich die Brötchen just for fun bekomme. Ich kann auch nicht ans Steueramt schreiben und erklären, ich fände, es sei jetzt mal Zeit für ein Just for Fun, weshalb ich dieses Jahr aus Spass an der Freude (und weil ich vor lauter Just for Fun Arbeitseinsätzen kein Geld mehr habe) keine Steuern bezahle.

Natürlich habe ich an diesem Anlass nicht Just for Fun gelesen, auch wenn ich viel Freude und Spass hatte. Natürlich habe ich ein Honorar erhalten; es war einfach eins, für das für mich nicht stimmte. Und ja, ich weiss, ich bin selber schuld. Meine gute Autorenkollegin Jutta Wilke hat mir dazu ein paar sehr gute und unangenehme Fragen nach meinen Beweggründen gestellt, die ich ehrlich beantwortet habe und dabei sehr viel über mich und die Art, wie ich ticke, gelernt habe. Danke, Jutta!

Mir ist bei all dem eine Menge klar geworden. Ich kann nur für mich sprechen und handeln. Ich muss das tun, was für mich stimmt. Andere Menschen entscheiden aus vielen (auch guten und sehr nachvollziehbaren) Gründen anders.

Was ich im obigen Abschnitt so kurz und knapp zusammengefasst habe, war ein zuweilen schmerzhafter Denk- und Lernprozess, an dessen Ende ich für mich die Konsequenzen zog:

Ich werde meinen eingeschlagenen Weg weitergehen und weiterhin meinen Beruf so leben, wie er für mich stimmt. Und ich werde tatsächlich ab und zu etwas Just for Fun machen. Nur: Was das ist, möchte ich entscheiden. Im Oktober war es das Ausschreiben einer Schreibrunde in der lokalen Bibliothek. Und es war das Eintauchen in YouTube,wo ich entschieden habe, meinen Autorinnenkanal aus- und aufzubauen. Beides bringt mir kein Geld. Aber dafür jede Menge Spass und Freude. Beides tue ich für mich. Oder in einem Satz zusammengefasst: Ich gehe meine Trampelpfade weiter, auf meine Weise.

Mittwoch, 19. Oktober 2022

NaNoWriMo - Ein Buch in einem Monat?

Jedes Jahr im November hauen weltweit unzählige Menschen Buchstaben und Wörter in die Tasten, die sie am Ende des Tages zählen und auf die Webseite von NaNoWriMo (National Novel Writing Month) hochladen. Ziel ist es, am Abend des 30. November 50'000 Wörter geschrieben zu haben.

Angefangen hat alles 1999 in den USA. Natürlich war dem Gründer von NaNoWriMo klar, dass man in 30 Tagen keinen druckreifen Roman schreiben kann, das war auch gar nicht Ziel und Zweck der Sache. Es ging um etwas ganz anderes: den inneren Kritiker ausschalten, der in schreibenden Menschen sitzt, diesen Kritiker, der uns ausbremst, weil wir andauernd das schon Geschriebene besser machen möchten. Dieser Kritiker hindert uns (zu) oft daran, in einen guten Schreibfluss zu kommen. Wenn man in 30 Tagen 50'000 Wörter schreiben will, hat man keine Zeit, sich ausbremsen zu lassen.

Ich habe bei meiner ersten Teilnahme tatsächlich 50'000 Wörter geschafft. Was daraus geworden ist, erzähle ich in meinem Mittwochsvideo (siehe unten). Später sind alle Versuche an Zeitmangel, an einem krachend zusammenstürzenden Plot oder unerwarteten Wendungen im Leben gescheitert. Ich habe nie wieder die Ziellinie überschritten resp. überschrieben. Dieses Jahr will ich das ändern. Ich bin dabei!

Das Video zum Thema habe ich in meinem Schreibretreat gedreht, praktisch in Echtzeit, weil ich ja zum Schreiben (und Wandern und Gärtnern) in den Bergen war, und nicht, um stundenlang zu filmen. Und deshalb habe ich glatt vergessen zu erzählen, warum ich dieses Jahr dabei bin und vor allem, wie. Nachdrehen zu Hause wollte ich nicht. 

Aber ich kann es hier im Blog erzählen: Wer mitliest weiss, dass ich zurzeit parallel an drei Buchprojekten schreibe. Ich komme voran, aber nicht ganz so zackig, wie ich es geplant hatte. Also nutze ich NaNoWriMo sozusagen als Booster resp. Ansporn. Eigentlich brauche ich auch nicht mehr 50'000 Wörter; ich denke, bis es am 1. November losgeht, bin ich in meiner Arbeit so weit fortgeschritten, dass es eher 30'000 als 50'000 Wörter sind, aber das macht nichts. Dann hat NaNo seinen Zweck auch erfüllt. Und ich kann ja früher mit dem beginnen, was NaNoWriMo gerade NICHT auf dem Radar hat: dem gründlichen Überarbeiten. 

Auf jeden Fall werde ich Ende November / Anfang Dezember ein Fazit ziehen. Hier im Blog und drüben auf YouTube.

Sonntag, 2. Oktober 2022

Lesen und Schreiben im Herbst

Schreibrunde Bibliothek Buchs / Workshop für Lehrpersonen / Lesungen / Schreibworkshops

Gestern habe ich auf meiner Webseite die Rubrik "Aktuelles" um den Oktobereintrag ergänzt. Im Fokus stehen die vielen verschiedenen Begegnungen diesen Herbst und Winter. Bei allen geht es ums Schreiben und ums Lesen. Auf alle freue ich mich sehr. Deshalb habe ich mir gedacht, ich stelle sie euch auch hier im Blog vor.

Schreibrunde in der Bibliothek Buchs/SG 

Ich gebe zu: Diese Idee ist geklaut, und zwar von meiner Autorenfreundin Jutta Wilke, die schon seit ein paar Jahren einmal im Monat zu sich nach Hause an ihren grossen Tisch einlädt. Schreibtisch nennt sie diesen Anlass, an dem sich Schreibende zum Austausch treffen. Wenn du also näher bei Hanau lebst als bei mir im Werdenberg und Lust auf gemeinsames Schreiben hast: Hier ist der Link zum Schreibtisch von Jutta Wilke.  In unserer Schreibrunde in der Bibliothek in Buchs/SG treffen sich Menschen, die gerne schreiben, einmal pro Monat zu einer lockeren Runde, in der wir gemeinsam an unseren Texten arbeiten, sie uns gegenseitig vorlesen, uns darüber austauschen und einander konstruktive Rückmeldungen geben.

Willkommen in dieser Runde sind Menschen, die gerne schreiben, egal, wie alt, egal, welche Art Texte. Seien es Gedichte, Songtexte, Briefe, Kurzgeschichten, Romane, Biografien usw. Auf Papier oder dital. Mit Bleistift, Füller, Kugelschreiber oder Tastatur. Schwungvoll oder suchend. Mit oder ohne Hemmungen. Wir beginnen den Abend mit einer lockeren Schreibübung und arbeiten dann gemeinsam an unseren Texten. Wir lesen vor, tauschen und aus und geben einander konstruktive Rückmeldungen. Immer am ersten Donnerstagabend des Monats. Start ist am 3. November

Workshops für Lehrpersonen

Im Verlaufe der Jahre sind zu meinen Schreibworkshops auch Workshops für Lehrpersonen dazugekommen, in denen ich entweder allein oder gemeinsam mit Stephan Sigg Tipps und Anregegungen gebe, wie man Klassenlektüre im Unterricht einsetzen kann. Diese Workshops leben nicht zuletzt vom gegenseitigen (Erfahrungs)Austausch.

Lesungen 

Natürlich mache ich auch immer noch leidenschaftlich gerne Lesungen, entweder zu einem bestimmten Buch oder (Wunsch)Thema, meistens jedoch wählen die Schülerinnen und Schüler ganz spontan an der Lesung das Buch, zu dem ich mehr erzähle und aus dem ich vorlese.

Schreibworkshops für Jugendliche 

Meine Begeisterung fürs Schreiben gebe ich gerne in Schreibworkshops weiter. Meistens gebe ich dabei Schreibtipps, die die Jugendlichen dann in verschiedenen Übungen umsetzen. Manchmal sind es jedoch auch ganz konkrete Themenworkshops, zum Beispiel jener in Alpnach, in dem die Schülerinnen und Schüler zuerst die beiden Krawallnacht-Bücher lesen und dann selber Geschichten aus zwei Perspektiven schreiben (im Bild drei der Geschichten, die letztes Jahr entstanden sind).