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Freitag, 30. August 2024

Wie man sich erfolgreich kleinredet


Wenn mich jemand bei einer Lesung als "berühmte/bekannte Schweizer Jugendbuchautorin" vorstellte (ja, das gab's tatsächlich ab und zu), wusste ich nie so recht, wohin ich gucken sollte. Es kam dann schon mal vor, dass ich antwortete: "Also, so richtig berühmt bin ich dann auch wieder nicht."

Nehmen wir andere Fragen: 

"Verkaufen sich deine Bücher gut?" - "Ich bin Jugendbuchautorin. Nische, ähm. Da ist es schwierig, viele Bücher zu verkaufen ..." blablabla.  

"Sind Sie oft in den Medien?" - "Na ja, Jugendbuchautorinnen schaffen es normalerweise nicht in Medien ..." blablabla

"Kannst du vom Schreiben leben?" - "Ja, aber nur weil ich das Glück habe, viele Lesungen machen zu können ..." blablabla

"Du schreibst doch diese Kinderbücher. Lohnt sich das?" - "Na ja, es ist so ...." blablabla 

Ich stoppe hier mal, weil das Muster deutlich erkennbar ist. Und ich vermute, dass ihr euch in diesen Antworten erkennt, auch wenn ihr keine Bücher schreibt. Vor allem, wenn ihr weiblich und etwas älter seid. Aber nicht ausschliesslich. 

Wir gehen automatisch davon aus, dass wir kritisiert werden dürfen. Komplimente oder wertschätzende Rückmeldungen zu uns machen verlegen, wir hüpfen sofort in den Relativiermodus. Reden uns kleiner als wir sind. Sind uns das nicht einmal immer bewusst, so sehr ist es uns in Fleisch und Blut übergegangen. Wenn etwas gut klappt, schreiben wir es dem Glück zu, wenn uns etwas danebengeht, suchen wir die Schuld bei uns.

Selbst wenn man das Muster erkennt, ist es schwer, daraus auszubrechen. Jeder Tiefschlag, den wir einstecken, nehmen wir als ein "Siehst du, ich hab's ja gewusst."

So richtig bewusst geworden ist mir dieses Kleinreden vor ein paar Jahren. Ich musste so eine Art Autorinnen-Lebenslauf von mir einschicken. Da waren dann all meine Bücher, meine Preise aufgelistet, die Werkbeiträge, die ich erhalten habe. Die vielen Lesungen, die Workshops. Und ich sass da und dachte: DAS bin ich. Das ist ziemlich cool und ziemlich gut. 

Und trotzdem werde ich als Autorin immer wieder zur Schildkröte. Das ist mein Bild von mir: Ich strecke den Kopf aus dem Panzer (neues Buch!) und warte von vornherein darauf, dass man mir auf die Rübe haut (schlechte Rezis, keine Rezis, schlechte Verkaufszahlen, fehlende Werbung ...), immer bereit, den Kopf sofort einzuziehen. So als Schutzmechanismus.

Wobei ich bei dem bin, was meine Berufskollegin Jutta das Gewicht der schlechten Erfahrungen nennt. Zu oft erlebt, zu oft verletzt, zu oft übergangen, zu oft enttäuscht. Ich gebe ihr völlig recht. Und weiss gleichzeitig, dass das den allermeisten Autor:innen (und vielen anderen in anderen Berufen) so geht. Je älter man wird, desto mehr dieser Erfahrungen hat man gesammelt, nach Gründen gesucht (bin ich zu laut, zu dick, zu "prolo", zu direkt, zu ... halt irgendwas mit "zu") und irgendwann steht man vor der Sinnfrage (Warum tue ich das überhaupt?) wie vor einer monströs dicken, endlos hohen Wand. Um weitere Enttäuschungen zu vermeiden, redet man sich vorsichtshalber schon mal so klein, wie man sich fühlt. Damit man dann eben nicht enttäuscht wird und ist.

Das ist verständlich. Aber: Das ist auch völlig bescheuert!

Jemand, den ich sehr mag, sagte kürzlich zu mir: "Das ist ein Generationenproblem, ein Problem, das vor allem Frauen in unserem Alter haben." Sie führte es darauf zurück, wie wir aufgewachsen sind, was man von uns erwartet hat, was das Bild von uns Frauen war, welches Bild wir vermitteln soll(t)en. 

Ganz egal, welche Erklärung wir für unser Verhalten suchen und finden, eins ist sicher und eins ist klar: Es ist und bleibt beibt bescheuert. Je älter ich werde, desto stärker löse ich mich davon. Es ist ein langer Lernprozess, einer meiner Trampelpfade, die ich eingeschlagen habe und auf dem ich mittlerweile meistens gut unterwegs bin, jedes Jahr ein wenig besser.

Eine kleine Rückblende:

Vor ein paar Jahren, in einem Literaturhaus grad über der Grenze, also höchstens acht Kilometer entfernt, war ich an einer Lesung einer sehr lieben Autorenfreundin. Sie beantwortete eine Frage, schaute zu mir hin und sagte so was in der Art: "Meine Kollegin Alice kann Ihnen das bestätigen."

Nach der Lesung kam eine Vertreterin des Literaturhauses, eine bestimmt sehr belesene Frau, auf mich zu und fragte: "Sie sind Autorin? Sollte ich Sie kennen?" Ich eierte und laberte ziemlich ungeschickt herum, sagte was von Nische, andere Zielgruppe, andere Art Buch und dann "Nein." Und der Abend war für mich gelaufen. Nicht einmal unbedingt, weil die Frage sehr unhöflich formuliert gewesen war, sondern weil meine Antwort so dermassen beschämend ausgefallen war. Sie war beschämend und vor allem oberbescheuert. Ich hätte nett lächeln und antworten sollen: "Ja." Mit einem Punkt dahinter. Ohne blablabla.

Heute würde ich das tun. Heute würde ich sie stehen lassen mit dieser Antwort und hoffen, dass sie sich schlecht fühlt und nicht ich. Vielleicht wäre ich auch nett und würde nach meinem "Ja" darauf warten, dass sie mich fragt, wer ich bin und was ich mache.

Ich will weiter dazulernen. Weil man nicht überheblich ist, wenn man sich genau den Stellenwert zugesteht, den man hat. Weil es nicht eingebildet oder unangebracht ist, zu seinen guten Eigenschaften und seinen Erfolgen zu stehen. Weil Schildkröten zwar total tolle Tiere sind, aber ich es satt habe, nur darauf zu warten, meinen Kopf in den Schutzpanzer zu stecken, um nicht verletzt zu werden oder Wunden von Verletzungen zu lecken.

Ich nehme mir auch zunehmend die Freiheit, einen grossen Bogen um Menschen und Institutionen zu machen, die mir nicht gut tun. Das bedeutet nicht, dass diese Menschen oder Institutionen schlecht sind, es bedeutet nur, dass sie für mich nicht gut sind. Ich habe auch gelernt, nicht dort Anerkennung zu suchen, wo ich sie sowieso nicht finden werde. Wenn man erst einmal so zu leben begonnen hat, merkt man, um wie viel besser dieses Leben wird.

Rückschläge und Abstürze sind vorprogrammiert. Das liegt in der Natur der Sache. Wichtig ist, auf seinem eingeschlagenen Pfad zu bleiben, das Herz offen und den Kopf in den Wind zu halten. Ich wünsche uns allen, die auf diesem Weg sind, viel Glück und viele gute Erlebnisse und Begegnungen.

Donnerstag, 30. Mai 2024

Erfolgreich werden auf die einfache Tour


"Nutzt du schon ChatGPT für deinen Blog?", rief es mir auf Insta entgegen. Ich könne damit mein Blogging aufs nächste Level bringen. Vor diesem Post haben mir gefühlt ein Dutzend Anzeigen DIE PERFEKTE MARKETINGSTRATEGIE für Social Media angepriesen. "Funneling!" schrie es da, "so wirst du erfolgreich", aber bevor ich dazu kam, das Wort Funneling zu googeln, weil ich Ahnungslose keine Ahnung habe, was das ist, knallte mir schon der nächste Coach ein "Vergiss Funneling, mach es so wie ich, DAS ist dein Weg zum Erfolg" aufs Auge. Das war dann endlich mal ein Rat den ich beherzigen konnte, also, zumindest den ersten Teil, den mit dem "Vergiss Funneling", den zweiten Rat ignoriere ich.

Kürzlich habe ich den YouTube Kanal einer "Autorin" gefunden. Ziemlich viele Follower, ziemlich knackige Titel unter den Videos, klang alles sehr ... ähm ... (zu) vielversprechend. Neugierig, aber auch mit einer düsteren Vorahnung, klicke ich auf das Video mit dem Titel (sinngemäss wiedergegeben, kann mich nicht genau erinnern): "Wie du als Self Publisherin dein Buch selbst lektorierst und korrekturliest". Ich schicke mal vorsichtshalber voraus: KEINE seriöse Autorin tut so was. Keine. Weil es unmöglich ist. Weil man als Autorin gegenüber eigenen Fehlern blind wird. Aber die gute YouTube-Frau wollte, dass wir alle ganz viel Geld sparen können, und gab fröhlich Ratschläge wie: "Nutze das Word-Korrektur-Programm, lies den Text noch einmal durch, kümmere dich nicht zu sehr darum, ob Wörter getrennt oder auseinander geschrieben werden, interessiert heutzutage sowieso niemanden mehr, veröffentliche den Text, macht nichts, wenn noch Fehler drin sind, kannst ja Rückmeldungen nutzen und dann das Buch neu herausgeben ..." 

Ich sass mit offenem Mund da und hörte weiter zu, so, wie man bei einem schlechten Film dran bleibt, weil man sehen möchte, wie bescheuert das Ende ausfällt: sehr bescheuert oder total bescheuert. Und so wartete ich gespannt auf die Auflösung auf die Frage, wie man sein Buch selbst lektoriert - und siehe da, die fröhliche Frau wusste tatsächlich Rat. Was sie empfahl, waren nichts anderes als Tipps zum Überarbeiten des Textes, etwas, das ich von jeder seriösen Autorin und jedem seriösen Autor erwartete und voraussetze, bevor der Text ins Lektorat geht. Aber die fröhliche Frau war jetzt schon glücklich. "So kannst du viel Geld sparen!", meinte sie und strahlte in die Kamera. 

In den Kommentaren bedankten sich schreibende Menschen bei ihr. Ich gestehe, ich hing geplättet in den Seilen. Und ich verstehe nun sehr gut, warum Self Publishing einen derart schlechten Ruf hat. Ich glaube auch zu verstehen, warum Menschen auf YouTube lieber dieser Frau folgen als solchen, die ihnen knallharte Wahrheiten erzählen (ja, die gibt es tatsächlich auch!): Dass Schreiben Arbeit ist, dass man professionell vorgehen muss, dass man im Self Publishing Geld in die Finger nehmen und damit Menschen bezahlen muss, die den Text lektorieren und am Ende auch korrekturlesen. Aber wer will so was schon hören, wenn man den Erfolg auch sehr viel billiger und sehr viel einfacher haben kann?

Mitunter sogar gratis. Da kann man sich ganze Ratgeber kostenlos aus dem Netz laden. Aber so richtig alles steht dann da nicht drin, weil der schreibende Ratgebermensch die Tipps und Tricks voll drauf hat: "Wenn du mehr wissen willst, buche meinen Online-Kurs für sensationell billige 999 Euro" oder so.

Ich fürchte, ich bin abgeschweift. Eigentlich ging es ja um das "Nutzt du schon ChatGPT für deinen Blog?" Die Antwort ist: "Nein." Wieso sollte ich bloggen, wenn die Texte von einer Maschine stammen? Wieso sollte man einen Blogpost lesen, der von einer Maschine generiert wurde? Ja, sogar wenn man mit der Maschine nur Ideen für mögliche Posts sucht: Warum soll ich bloggen, wenn ich selber keine Ideen habe?

Ungefähr eine Zillion Coaches könnten diese Fragen sofort und ohne mit der Wimper zu zucken beantworten. Und ungefähr eine Zillion Mal ginge es um Optimieren, Kunden generieren, Einkommen generieren, Geld verdienen, noch mehr Geld verdienen, erfolgreich werden, noch erfolgreicher werden ... Anders gesagt, um die Kasse zu füllen. Die Kasse des Coaches.

Fazit: Wenn ihr auf einfache Tour erfolgreich werden wollt, versucht es als Coach in den Social Media. Oder als Self Publisher ohne Ahnung von irgendwas. Viel Glück.

Freitag, 28. Januar 2022

Von Gummistiefeln und Erfolg, der Neider schafft

Gestern habe ich mir die ersten Gummistiefel seit meiner Kindheit gekauft. Für mich so was wie ein Grossereignis. Und ich habe mich tatsächlich gefreut wie ein Kind. Habe ein Fotoshooting mit den Stiefeln gemacht. Den Kauf auf Insta verkündet. Die Stiefel so hingestellt, dass Herr Ehemann sie beim Nachhausekommen einfach sehen MUSSTE.

"Pink?", rief er fassungslos vom Eingangsflur ins zweite Stockwerk unterm Dach, wo ich mein Büro habe.
"Yap!", rief ich zurück.
"Mit BLUMEN???", kam es kurz danach noch lauter und fassungsloser.
"YAP", rief ich fröhlich zurück.

Dazu muss man wissen, dass ich seit mehr als 40 Jahren nicht nur keine Gummistiefel mehr besessen habe, sondern auch nichts Pinkes getragen habe. Und dass ich mir NIE Kleidung mit Blumenmuster kaufe. Ich verstand also das Unverständnis von Herrn Ehemann.

Aber es ist so: Ich habe die Stiefel spätabends online gesehen, mich Hals über Kopf in sie verliebt und beschlossen, am nächsten Tag in der Filiale im Ort nachzugucken, ob sie genau diese Stiefel haben. Hatten sie. Und ich wurde stolze und glückliche Gummistiefelfrau. Von Gummistiefeln, in der tatsächlich Platz für meine ansonsten für Gummistiefel viel zu stämmigen Bauernwaden ist (was übrigens der Grund war, warum ich nie welche für mich gekauft hatte).

Mein persönliches Grossereignis ist nicht einmal eine Fussnote im Vergleich zum Grossereignis, das dieser Tage in der Schweiz stattfindet. Da steht ein Banker vor Gericht, zusammen mit ein paar anderen finanziellen Mittel- und Schwergewichten des Schweizer Who's who der Finanzwelt. Wegen Spesenritterei, Mauschelei, Betrug. Jeder einzelne von ihnen ist empört, dass man ihn vor Gericht gezerrt hat, wo er doch nichts falsch gemacht hat. In den Augen dieser Menschen funktioniert die Welt nun mal so. Da sind moralische und ethische Kompasse längst ausser Kraft gesetzt. Da wird zur Selbstverständlichkeit, was für andere unfassbar ist. Da ist man sogar stolz darauf, auf diese Art Kohle zu machen. Und kann partout nicht nachvollziehen, warum man für so was bestraft werden sollte.

Ich bin weder entsetzt noch empört - für beides davon fehlt mir der Überraschungseffekt. Mich widern solche Menschen einfach nur an und ich mache einen grossen Bogen um sie. Heute Morgen hat der Anwalt des Hauptangeklagten dazu gesagt: "Erfolg schafft Neider." In diesem Moment ist mir tatsächlich der Begriff vom alten, weissen Mann ins Hirn geblitzt. Gleich danach der Gedanke, dass dieser Satz ziemlich kontraproduktiv gewesen sein könnte. Aber vielleicht ja auch nicht. Nicht in diesem Land, in dem ich lebe, und in dem Geld und finanzieller Erfolg so hohe Priorität haben. Hier gilt für zu viele immer noch: Du bist, was du hast (und eigentlich ist es unterm Strich egal, wie du dazu gekommen bist).

Was ich - als Gummistiefelfrau - dazu aus ganzem Herzen sagen kann: Nein, auf solche Menschen bin ich nicht neidisch. Zum Glück.

PS: Ich rechne mit einem Freispruch für die Angeklagten.