"Nutzt du schon ChatGPT für deinen Blog?", rief es mir auf Insta entgegen. Ich könne damit mein Blogging aufs nächste Level bringen. Vor diesem Post haben mir gefühlt ein Dutzend Anzeigen DIE PERFEKTE MARKETINGSTRATEGIE für Social Media angepriesen. "Funneling!" schrie es da, "so wirst du erfolgreich", aber bevor ich dazu kam, das Wort Funneling zu googeln, weil ich Ahnungslose keine Ahnung habe, was das ist, knallte mir schon der nächste Coach ein "Vergiss Funneling, mach es so wie ich, DAS ist dein Weg zum Erfolg" aufs Auge. Das war dann endlich mal ein Rat den ich beherzigen konnte, also, zumindest den ersten Teil, den mit dem "Vergiss Funneling", den zweiten Rat ignoriere ich.
Kürzlich habe ich den YouTube Kanal einer "Autorin" gefunden. Ziemlich viele Follower, ziemlich knackige Titel unter den Videos, klang alles sehr ... ähm ... (zu) vielversprechend. Neugierig, aber auch mit einer düsteren Vorahnung, klicke ich auf das Video mit dem Titel (sinngemäss wiedergegeben, kann mich nicht genau erinnern): "Wie du als Self Publisherin dein Buch selbst lektorierst und korrekturliest". Ich schicke mal vorsichtshalber voraus: KEINE seriöse Autorin tut so was. Keine. Weil es unmöglich ist. Weil man als Autorin gegenüber eigenen Fehlern blind wird. Aber die gute YouTube-Frau wollte, dass wir alle ganz viel Geld sparen können, und gab fröhlich Ratschläge wie: "Nutze das Word-Korrektur-Programm, lies den Text noch einmal durch, kümmere dich nicht zu sehr darum, ob Wörter getrennt oder auseinander geschrieben werden, interessiert heutzutage sowieso niemanden mehr, veröffentliche den Text, macht nichts, wenn noch Fehler drin sind, kannst ja Rückmeldungen nutzen und dann das Buch neu herausgeben ..."
Ich sass mit offenem Mund da und hörte weiter zu, so, wie man bei einem schlechten Film dran bleibt, weil man sehen möchte, wie bescheuert das Ende ausfällt: sehr bescheuert oder total bescheuert. Und so wartete ich gespannt auf die Auflösung auf die Frage, wie man sein Buch selbst lektoriert - und siehe da, die fröhliche Frau wusste tatsächlich Rat. Was sie empfahl, waren nichts anderes als Tipps zum Überarbeiten des Textes, etwas, das ich von jeder seriösen Autorin und jedem seriösen Autor erwartete und voraussetze, bevor der Text ins Lektorat geht. Aber die fröhliche Frau war jetzt schon glücklich. "So kannst du viel Geld sparen!", meinte sie und strahlte in die Kamera.
In den Kommentaren bedankten sich schreibende Menschen bei ihr. Ich gestehe, ich hing geplättet in den Seilen. Und ich verstehe nun sehr gut, warum Self Publishing einen derart schlechten Ruf hat. Ich glaube auch zu verstehen, warum Menschen auf YouTube lieber dieser Frau folgen als solchen, die ihnen knallharte Wahrheiten erzählen (ja, die gibt es tatsächlich auch!): Dass Schreiben Arbeit ist, dass man professionell vorgehen muss, dass man im Self Publishing Geld in die Finger nehmen und damit Menschen bezahlen muss, die den Text lektorieren und am Ende auch korrekturlesen. Aber wer will so was schon hören, wenn man den Erfolg auch sehr viel billiger und sehr viel einfacher haben kann?
Mitunter sogar gratis. Da kann man sich ganze Ratgeber kostenlos aus dem Netz laden. Aber so richtig alles steht dann da nicht drin, weil der schreibende Ratgebermensch die Tipps und Tricks voll drauf hat: "Wenn du mehr wissen willst, buche meinen Online-Kurs für sensationell billige 999 Euro" oder so.
Ich fürchte, ich bin abgeschweift. Eigentlich ging es ja um das "Nutzt du schon ChatGPT für deinen Blog?" Die Antwort ist: "Nein." Wieso sollte ich bloggen, wenn die Texte von einer Maschine stammen? Wieso sollte man einen Blogpost lesen, der von einer Maschine generiert wurde? Ja, sogar wenn man mit der Maschine nur Ideen für mögliche Posts sucht: Warum soll ich bloggen, wenn ich selber keine Ideen habe?
Ungefähr eine Zillion Coaches könnten diese Fragen sofort und ohne mit der Wimper zu zucken beantworten. Und ungefähr eine Zillion Mal ginge es um Optimieren, Kunden generieren, Einkommen generieren, Geld verdienen, noch mehr Geld verdienen, erfolgreich werden, noch erfolgreicher werden ... Anders gesagt, um die Kasse zu füllen. Die Kasse des Coaches.
2 Kommentare:
Das schnelle Geld. Ein Narr, wer sich verleiten lässt. Liebgruss!
Ich grüsse herzlich zurück. Im Wissen darum, dass sich viel zu viele verleiten lassen und dann grausam enttäuscht werden und ein ziemlich hartes Lehrgeld bezahlen.
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