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Montag, 24. Mai 2021

Autor*in werden - ja oder nein? (Kleingedrucktes inklusive)

Bei Lesungen wird man allerhand gefragt. Zum Beispiel, was die Schattenseiten des Autorenlebens sind. Nun, da gibt es eine lange Liste. Um nur ein paar zu nennen: Für die meisten ist es ein brotloser Job oder zumindest ein Tiefstverdienerjob, ein Balanceakt auf dem Hochseil ohne Sicherheitsnetz. Kommt dazu, dass die Buchbranche ein sehr hartes Pflaster ist, auf dem man unsanft aufschlagen kann, weshalb man mit Vorteil über ein sehr dickes Fell, viel Durchhaltewillen sowie eine gehörige Portion Gelassenheit und Galgenhumor verfügt. 

Kürzlich wagte bei einer Lesung jemand eine Anschlussfrage. Ob ich den Beruf Autor*in dennoch empfehlen könne. Ich musste keine Sekunde nachdenken. "Ja, klar", antwortete ich.

Weil Schreiben etwas Tolles ist. Ein Eintauchen in andere Leben und andere Welten. Als Autor*in hat man keine fixen Arbeitszeiten (ausser man gibt sie sich selber), keine immer gleich strukturierten Arbeitsabläufe, man lernt spannende Menschen kennen, man kann - wenn man will - Mitglied der riesigen Autorencommunity in den Social Media werden. Wer sich für den Beruf Autor*in entscheidet, öffnet eine Tür zu einer aufregenden Welt.

Achtung, jetzt kommt das Kleingedruckte: 
Mit ziemlicher Sicherheit braucht man zumindest am Anfang einen Brotberuf, sprich, einen zweiten zusätzlichen Beruf, der ein einigermassen geregeltes Einkommen generiert. Am besten fährt man, wenn man genau weiss, worauf man sich einlässt und auch sicher ist, dass man damit umgehen kann. Und dennoch wird es mindestens einmal im Monat einen Moment geben, in dem man sich fragt, warum man nicht ................. (an dieser Stelle einen vernünftigen, bodenständigen Beruf einfügen) geworden ist.

Was ich ganz sicher und aus tiefstem Herzen empfehlen kann: Schreibt. Privat oder beruflich. Denn das Schreiben ist ein Weg in die Welt und darüber hinaus - und ein Weg zu sich selbst.

Mein Lesetipp: Andreas Eschbachs fadengerad ehrliche Gedanken und Tipps zum Schreiben. Die findet ihr auf seiner Webseite. Wer sich durch alles durchgelesen hat und trotzdem immer noch Autor*in werden will, für den ist der Beruf gemacht.

Freitag, 31. August 2018

"Die schwärenden Wunden der Buchbranche"

Die Autorin Bettina Belitz legt immer mal wieder den Finger auf die (sehr) wunden Punkte der Buchbranche. In ihrem neusten Blogartikel berichtet sie über die Erfahrung mit ihrer Serie "Mein Date mit den Sternen". Es sind Erfahrungen, die viele AutorInnen in solcher oder ähnlicher Form kennen. Wenn wir uns untereinander austauschen, sind das die Themen, die uns beschäftigen und über die wir sprechen.

Ich habe meine Konsequenzen aus solchen Erfahrungen gezogen. Es war ein langer, schmerzhafter Prozess mit Wunden, die nur sehr langsam heilten und in dessen Verlauf ich sehr ernsthaft darüber nachdachte, mit dem Schreiben aufzuhören. Heute geht es mir wunderbar. Ich bin innerlich ruhig und gelassen (mit gelegentlichen Ausnahmen, die meinem Temperament geschuldet sind), voll motiviert und vor allem voller Ideen. Ich spüre eine unbändige Schreiblust, arbeite an tollen Projekten, bin begeisterte Verlegerin.

Manchmal werde ich gefragt, ob ich denn nicht alle meine Geschichten einfach im da bux Verlag veröffentlichen wolle / könne. Die Antwort ist Nein. Weder will noch kann ich. Zum nicht wollen: Der Verlag ist kein Vehikel, das für meine Bücher geschaffen wurde, er entspringt einem ganz anderen Gedanken. Zum nicht können: Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht, denn da bux ist ein wunderbarer kleiner Nischenverlag für ein  bestimmtes Zielpublikum. Da würden meine umfangreicheren Bücher gar nicht reinpassen.

Im Augenblick gebe ich meine Backlist im Self Publishing heraus. Ich schreibe aber auch an neuen Projekten. Auf Verlagssuche bin ich damit nicht, werde auch nicht auf Verlagssuche gehen. Eher wahrscheinlich ist, dass ich diese Titel im Self Publishing herausgeben werde. Oder sehr gerne auch bei einem kleinen, engagierten Verlag, dem seine AutorInnen etwas wert sind, auch wenn sie nicht Zehntausende von Büchern verkaufen.

Das eigentlich Schönste an der ganzen Sache ist, dass ich solche Zeilen heute ohne den leisesten Anflug von Verbitterung und Enttäuschung schreiben kann. Die Wunden sind vernarbt, die Narben tun nicht mehr weh. Ich liebe meinen Beruf.

Mittwoch, 30. Mai 2018

Mehr Mut zur Sperrigkeit

Gestern, auf Facebook, da ist mir ein Post meines Autorenkollegen Tobias Elsässer ins Auge gesprungen. Nicht wegen eines Bildes, sondern gerade, weil der Post ohne Bild, dafür sehr lang daherkam. Ich wusste: Da wird dir gleich etwas erzählt, das dich interessiert. Ich irrte mich nicht. Was Tobias da geschrieben hatte, interessierte mich nicht nur, es hätte mehr oder weniger direkt aus meiner Schreibfeder stammen können.

Tobias schreibt von "sperrigen" Texten und AutorInnen. Mit "sperrig" ist das gemeint, was um den Mainstream herumschwimmt, oder sogar gegen den Strom ankämpft. Und wie schwer es diese Autoren und ihre Titel zuweilen haben. Im Verlag und im Buchhandel.

Tobias hat mir die Erlaubnis gegeben, seinen Text hier im Blog zu verwenden. (Danke, Tobias!) Nachfolgend könnt ihr seinen Post lesen, mit Zitaten aus dem Text, die mir besonderns eingefahren (CH-Wort für "unter die Haut gegangen") sind.

Bevor ich zu seinem Post komme, hier eine kleine Auswahl seiner - wunderbar - sperrigen Bücher.


Jetzt aber! Der Post von Tobias:

Nach dem Buch ist vor dem Buch. Als Autor der Gegenwart und in Deutschland, sollte man eigentlich zufrieden sein. Man ist in einem der größten Märkte beheimatet, die es für Bücher gibt. Es gibt eine groß angelegte Leseförderung und man wird für Lesungen und Workshops fair bezahlt. Jedoch spürt man auch einen immensen Produktionsdruck, da die Anzahl der Titel stetig steigt, die Leserzahl schrumpft und die Verweildauer eines Buches im Handel immer geringer wird. 
Schaut man sich die Büchertische an, so wird man erschlagen von leidenschaftslosen, am Reißbrett entworfenen Titeln, die so zielgerichtet daher kommen, wie das neueste Shampoo von Schwartzkopf oder irgendeiner anderen Marke. "Me too" steht in der Buchbranche nicht für sexuelle Übergriffe, sondern für das Kopieren aktueller Trends.  
Jeder größere Verlag heftet sich an die Fersen aktueller Bestseller, um ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Wer als Autor ein neues Buch anbietet, muss mit einer Reihe vergleichbarer (erfolgreicher) Titel aufwarten. Und natürlich tut er das auch brav. 

Anmerkung von mir: Und wenn sie - also ich - es nicht brav tut, dann fragt der Buchhandel beim Verlag nach, wann dann endlich wieder ein "echter" Gabathuler rauskommt. Und bevor ihr fragt: Ja, da schreit man dann ganz laut: "Das aktuelle Buch von mir IST ein echter Gabathuler, hab's ja selber geschrieben, aber einfach mal in eine andere Richtung, und NEIN, ich suche mir nicht für jedes Buch, das anders ist als die anderen "echten" Gabathuler ein Pseudonym. Alles, was ich schreibe, kommt aus mir raus, und ich bin eine einzige Person, eine einzige Autorin.

Oft frage ich mich, wie viel Kreativität auf der Strecke bleibt, weil man aus Angst vor Ablehnung, gleich in Marketing-Sprech argumentiert. Das Marketing hat mittlerweile gemeinsam mit dem Vertrieb das Ruder in den Verlagen übernommen. Verkaufszahlen müssen her.
Sperrige Titel sollen (ohne sie zu bewerben) das Programm abrunden. 
Anmerkung von mir: Weshalb es schon mal vorkommen kann, dass am Vortag deiner CH-Buchvernissage in den Social Media deines Verlags nicht auf die Vernissage deines Buches aufmerksam gemacht wird - wie auch die Tage und Wochen zuvor nicht - sondern auf des 30-minütige Live-Auftauen des Spitzentitels des Verlags. Bevor ihr fragt: Ja, das tut höllisch weh und das macht höllisch wütend, und ja, das ist ein Mitgrund, weshalb mein letztes Buch auch das letzte war, das ich für den Verlag geschrieben habe, in dem meine Jugendbücher erschienen sind.

Mutig ist kaum noch einer, sie zum Spitzentitel zu machen. Dass das Schreiben von guten Büchern viel Zeit in Anspruch nimmt, scheint in Vergessenheit zu geraten. Alles muss schnell sein, alles passend, alles an Trends ausgerichtet.
Als Autor zahlreicher, sperriger Jugendromane, wünschte ich mir (auch von mir selbst) und anderen Autoren und Verlagen, wieder mehr Mut zu haben. Das Buch nicht zum austauschbaren Produkt zu degradieren, das nur Teil einer Wertschöpfungskette ist, sondern Leben verändern und vielleicht sogar retten kann. Es ist nicht nur Papier zwischen zwei Buchdeckeln, nicht nur ein paar Stunden Unterbrechung zwischen Netflix und WhatsApp, es ist die Möglichkeit, ein neues Kapitel seiner eigenen Biografie aufzuschlagen, genauer hinzuschauen, seine Filterblase zu verlassen und seinen eigenen Klang im lauter werdenden Rauschen dieser Welt zu finden.
Anmerkung von mir: Ich wünsche mir das auch, habe aber sehr viele meiner Illusionen verloren. Eine Weile habe ich deshalb mit dem Schreiben ganz aufgehört. Die Motivation zum Weitermachen kommt von Jugendlichen, die mir an den Lesungen Rückmeldungen geben, von Mails, die mir bewusst machen, dass ich Menschen erreiche, nicht die grosse Masse, aber Menschen, denen meine Bücher etwas bedeuten. Ich schreibe wieder. Sperriges Zeug. Im Moment auch etwas Luftig-Lockeres. Mit viel Freude an meinen sperrigen Hautpfiguren. Ich arbeite auch an der Neuauflage eines meiner Riesenflops. Weil ich sie total mag, diese Flop-Geschichte. Herausgeben werde ich sie bei BoD. Ich habe mit mir selber eine Wette laufen. 52 Stück möchte ich mindestens verkaufen. Das sind nicht die Tausende, die Verlage und Buchhändler verkaufen wollen (und auch müssen, damit sie überleben können). Das reicht für ein schönes Abendessen zusammen mit Herrn Ehemann. Und damit ist auch gesagt, worauf das bei mir wohl hinausläuft: Schreiben als Hobby. Wenn Jugendliche bei Lesungen jeweils fragen, ob ich vom Schreiben leben kann, dann antworte ich: "Noch - aber immer knapper." Und füge an: "Wenn ich von den Einnahmen aus den Buchverkäufen leben müsste, wäre das dann wohl ein Leben unter der Brücke oder auf dem Campingplatz." Es sind die Lesungen, die mir - noch - ein einigermassen würdiges Einkommen bescheren. Autorenschicksal halt. Darüber zu jammern ist müssig. Wie Sohnemann es mal treffend ausgedrückt hat: "Musst halt Fantasy schreiben. Verkauft sich wie blöd." Heute wäre das dann wohl eher Romantasy. Ist nicht mein Ding. Dazu bin ich zu sperrig.

PS von mir: Ja, das Schreiben von Büchern braucht Zeit. Ich erkläre das in Lesungen so: Pflanzen im Garten wachsen langsam. Wenn man sie überdüngt oder an ihnen zerrt, um das Wachstum zu beschleunigen, gehen sie kaputt.