Gestern, auf Facebook, da ist mir ein Post meines Autorenkollegen
Tobias Elsässer ins Auge gesprungen. Nicht wegen eines Bildes, sondern gerade, weil der Post ohne Bild, dafür sehr lang daherkam. Ich wusste: Da wird dir gleich etwas erzählt, das dich interessiert. Ich irrte mich nicht. Was Tobias da geschrieben hatte, interessierte mich nicht nur, es hätte mehr oder weniger direkt aus meiner Schreibfeder stammen können.
Tobias schreibt von "sperrigen" Texten und AutorInnen. Mit "sperrig" ist das gemeint, was um den Mainstream herumschwimmt, oder sogar gegen den Strom ankämpft. Und wie schwer es diese Autoren und ihre Titel zuweilen haben. Im Verlag und im Buchhandel.
Tobias hat mir die Erlaubnis gegeben, seinen Text hier im Blog zu verwenden. (Danke, Tobias!) Nachfolgend könnt ihr seinen Post lesen, mit Zitaten aus dem Text, die mir besonderns eingefahren (CH-Wort für "unter die Haut gegangen") sind.
Bevor ich zu seinem Post komme, hier eine kleine Auswahl seiner - wunderbar - sperrigen Bücher.
Jetzt aber! Der Post von Tobias:
Nach dem Buch ist vor dem Buch. Als Autor der Gegenwart und in
Deutschland, sollte man eigentlich zufrieden sein. Man ist in einem der
größten Märkte beheimatet, die es für Bücher gibt. Es gibt eine groß
angelegte Leseförderung und man wird für Lesungen und Workshops fair
bezahlt. Jedoch spürt man auch einen immensen Produktionsdruck, da die
Anzahl der Titel stetig steigt, die Leserzahl schrumpft und die
Verweildauer eines Buches im Handel immer geringer wird.
Schaut man sich
die Büchertische an, so wird man erschlagen von leidenschaftslosen, am
Reißbrett entworfenen Titeln, die so zielgerichtet daher kommen, wie das
neueste Shampoo von Schwartzkopf oder irgendeiner anderen Marke. "Me
too" steht in der Buchbranche nicht für sexuelle Übergriffe, sondern für
das Kopieren aktueller Trends.
Jeder größere Verlag heftet sich an die
Fersen aktueller Bestseller, um ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Wer
als Autor ein neues Buch anbietet, muss mit einer Reihe vergleichbarer
(erfolgreicher) Titel aufwarten. Und natürlich tut er das auch brav.
Anmerkung von mir: Und wenn sie - also ich - es nicht brav tut, dann fragt der Buchhandel beim Verlag nach, wann dann endlich wieder ein "echter" Gabathuler rauskommt. Und bevor ihr fragt: Ja, da schreit man dann ganz laut: "Das aktuelle Buch von mir IST ein echter Gabathuler, hab's ja selber geschrieben, aber einfach mal in eine andere Richtung, und NEIN, ich suche mir nicht für jedes Buch, das anders ist als die anderen "echten" Gabathuler ein Pseudonym. Alles, was ich schreibe, kommt aus mir raus, und ich bin eine einzige Person, eine einzige Autorin.
Oft
frage ich mich, wie viel Kreativität auf der Strecke bleibt, weil man
aus Angst vor Ablehnung, gleich in Marketing-Sprech argumentiert. Das
Marketing hat mittlerweile gemeinsam mit dem Vertrieb das Ruder in den
Verlagen übernommen. Verkaufszahlen müssen her.
Sperrige Titel sollen
(ohne sie zu bewerben) das Programm abrunden.
Anmerkung von mir: Weshalb es schon mal vorkommen kann, dass am Vortag deiner CH-Buchvernissage in den Social Media deines Verlags nicht auf die Vernissage deines Buches aufmerksam gemacht wird - wie auch die Tage und Wochen zuvor nicht - sondern auf des 30-minütige Live-Auftauen des Spitzentitels des Verlags. Bevor ihr fragt: Ja, das tut höllisch weh und das macht höllisch wütend, und ja, das ist ein Mitgrund, weshalb mein letztes Buch auch das letzte war, das ich für den Verlag geschrieben habe, in dem meine Jugendbücher erschienen sind.
Mutig ist kaum noch einer,
sie zum Spitzentitel zu machen. Dass das Schreiben von guten Büchern
viel Zeit in Anspruch nimmt, scheint in Vergessenheit zu geraten. Alles
muss schnell sein, alles passend, alles an Trends ausgerichtet.
Als
Autor zahlreicher, sperriger Jugendromane, wünschte ich mir (auch von
mir selbst) und anderen Autoren und Verlagen, wieder mehr Mut zu haben.
Das Buch nicht zum austauschbaren Produkt zu degradieren, das nur Teil
einer Wertschöpfungskette ist, sondern Leben verändern und vielleicht
sogar retten kann. Es ist nicht nur Papier zwischen zwei Buchdeckeln,
nicht nur ein paar Stunden Unterbrechung zwischen Netflix und WhatsApp,
es ist die Möglichkeit, ein neues Kapitel seiner eigenen Biografie
aufzuschlagen, genauer hinzuschauen, seine Filterblase zu verlassen und
seinen eigenen Klang im lauter werdenden Rauschen dieser Welt zu finden.
Anmerkung von mir: Ich wünsche mir das auch, habe aber sehr viele meiner Illusionen verloren. Eine Weile habe ich deshalb mit dem Schreiben ganz aufgehört. Die Motivation zum Weitermachen kommt von Jugendlichen, die mir an den Lesungen Rückmeldungen geben, von Mails, die mir bewusst machen, dass ich Menschen erreiche, nicht die grosse Masse, aber Menschen, denen meine Bücher etwas bedeuten. Ich schreibe wieder. Sperriges Zeug. Im Moment auch etwas Luftig-Lockeres. Mit viel Freude an meinen sperrigen Hautpfiguren. Ich arbeite auch an der Neuauflage eines meiner Riesenflops. Weil ich sie total mag, diese Flop-Geschichte. Herausgeben werde ich sie bei BoD. Ich habe mit mir selber eine Wette laufen. 52 Stück möchte ich mindestens verkaufen. Das sind nicht die Tausende, die Verlage und Buchhändler verkaufen wollen (und auch müssen, damit sie überleben können). Das reicht für ein schönes Abendessen zusammen mit Herrn Ehemann. Und damit ist auch gesagt, worauf das bei mir wohl hinausläuft: Schreiben als Hobby. Wenn Jugendliche bei Lesungen jeweils fragen, ob ich vom Schreiben leben kann, dann antworte ich: "Noch - aber immer knapper." Und füge an: "Wenn ich von den Einnahmen aus den Buchverkäufen leben müsste, wäre das dann wohl ein Leben unter der Brücke oder auf dem Campingplatz." Es sind die Lesungen, die mir - noch - ein einigermassen würdiges Einkommen bescheren. Autorenschicksal halt. Darüber zu jammern ist müssig. Wie Sohnemann es mal treffend ausgedrückt hat: "Musst halt Fantasy schreiben. Verkauft sich wie blöd." Heute wäre das dann wohl eher Romantasy. Ist nicht mein Ding. Dazu bin ich zu sperrig.
PS von mir: Ja, das Schreiben von Büchern braucht Zeit. Ich erkläre das in Lesungen so: Pflanzen im Garten wachsen langsam. Wenn man sie überdüngt oder an ihnen zerrt, um das Wachstum zu beschleunigen, gehen sie kaputt.