Lieber
Christian
Vielen
Dank für deinen Brief und deine Fragen.
Nicks
Freund. Das ist so eine Geschichte. Eine, die auf etwas beruht, was wirklich
passiert ist. Auch damals hat niemand gewusst, warum. Ich habe im Blackout
bewusst darauf verzichtet, diese Geschichte genauer aufzuschreiben. Sie wäre zu
lang; sie wäre ein eigenes Buch.
Ich
habe zu jedem Buch ein Notizbuch, in dem ich mir Gedanken mache zu meiner Geschichte.
Wenn ich auf Lesetour gehe, nehme ich das jeweilige Notizbuch mit, weil ich
unterwegs arbeite. Das ist der eine Grund. Der andere: Man kann hinten ins Buch
bei meinen Lesungen seinen Namen reinschreiben. Und wenn ich dann ein neues
Buch schreibe, suche ich mir aus diesen Notizbüchern die passenden Namen für
meine Figuren aus. Bei Blackout war das ein bisschen anders. Blackout war mein
erstes Buch und da habe ich wirklich Namen genommen, hinter denen eine Geschichte
steckt, Orte beschrieben, die mir etwas bedeuten. So gibt es zum Beispiel
Susannas Laden wirklich. Er steht nicht in Buchs, sondern in Vaduz. Kristen
heisst Kristen, weil Kristen aus Zürich die erste war, die einen Teil des
Textes gelesen hat und die mir gesagt hat: „Ja, das kannst du weiterschreiben,
das wird was.“ Caduff hat seinen Namen von jemandem, den mein Mann und ich gut
kennen. Mir hat der Name Caduff immer gefallen und ich wusste, ich würde eine
meiner Figuren nach ihm benennen. Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie
erschrocken ich war, als der Verlag mir schrieb, der Name Caduff sei nicht so
geläufig und ob ich ihn nicht auswechseln könne. Ich wollte ihn aber behalten J
Das
Schöne an meinem Beruf: Jeder Tag ist anders. Wenn ich zuhause bin, beginnen
die Tage jeweils gleich. Ich stehe früh auf, weil ich ein Morgenmensch bin. Ich
trinke dann meinen Kaffee und lese die Zeitung. Danach beantworte ich meine
Mails (ich bin nicht nur Autorin, sondern gleichzeitig auch meine Sekretärin).
Von da an nimmt der Tag verschiedene Richtungen. Ich schreibe, spinne meine
Geschichten weiter und arbeite an verschiedenen Projekten. Wenn ich auf
Lesetour bin, sind die Tage ganz anders. Dann bin ich oft eine Woche im Hotel
und reise von dort zu den Lesungen. Manchmal reise ich auch von zuhause aus an.
Da muss ich dann wirklich früh aufstehen, sogar für meine Begriffe zu früh,
aber nur so gelange ich aus meiner Ostschweizer Pampa an die Lesungsorte.
Ich
habe bis jetzt sechzehn Bücher geschrieben und arbeite am siebzehnten. Zudem
schreibe ich ab und zu fürs Radio.
Die
Ideen für meine Bücher kommen von überall her. Ganz viele kommen aus der Musik.
Mich inspirieren Songs oder auch einzelne Songzeilen. Dann sind es auch Themen,
die mich interessieren. Oder Menschen, denen ich begegne, Gespräche, die ich
belausche, Zeitungsartikel, die ich lese. Du siehst, die Ideen sind wirklich
überall.
Zum
Ende möchte ich im Augenblick noch nicht zu viel sagen. Ich werde zu all die
Enden, die du und deine Klassenkameraden geschrieben haben, einen separaten
Brief schreiben. Das hängt damit zusammen, dass ich diese Briefe auch als
Videos online stelle – und nicht in jedem spoilern möchte. Es wird ein Video
geben, das klar mit ACHTUNG, SPOILER gekennzeichnet ist.
Herzlich
Alice
Gabathuler
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