Montag, 16. März 2020

Ankommen in einem Leben, wie man es nicht kennt

Das ist mein erster Post seit langem. Hier und generell in den Social Media. Weil ich einfach nicht wusste, was ich schreiben sollte. Weitermachen, als sei nichts? - Ging nicht. Etwas zum Virus schreiben? - Das tun genügend andere.

Ich war letzte Woche auf einer organisierten Lesetour. Schon am ersten Mittag sass ich in einem Café und notierte in mein Tagebuch den Satz: "Genau das, was ich nicht mehr will." Gelassen, ruhig, ohne Frust oder Zorn. So rein berufsmässig hatte ich mich also schon für einen neuen Lebensabschnitt entschieden.

Aber das war nichts im Vergleich zu dem, was in dieser Woche sonst noch passieren würde. Obwohl die Informationen drängender wurden, das Virus näher kam, die Gefahr, die mit ihm einherging ebenfalls, fühlte sich alles ziemlich normal an. Gut: Beim Zugfahren hatte ich etwas mehr Platz, begrüsst wurde nicht mehr mit Handschlag. Häufiges Händewaschen gehörte dazu. Und dennoch verlief das Leben mehr oder weniger seinen gewohnten Gang. Dabei wussten alle, dass wir uns längst weit weg von gewohnten Gängen bewegten.

Am Freitag, vor meiner letzten Lesungen in Hettlingen, spazierte ich in wunderschönem Wetter durch eine heile Welt vom Bahnhof zur Schule, setzte mich unterwegs auf eine Bank, schloss die Augen, genoss die Sonne auf meiner Haut und war mir glasklar bewusst, dass dies einer der letzten Augenblicke in einem Leben war, wie ich es kannte. Dass ich schon sehr schnell zusammen mit allen anderen aus diesem Leben fallen würde. Dass es schon sehr bald völlig egal war, ob ich noch organisierte Schullesungen machen wollte oder nicht - weil es eh keine Lesungen mehr geben würde.

Und jetzt ist Montag. In einem Leben, wie wir es nicht kennen. Wir können es gemeinsam schaffen. Wie, das wird sich zeigen.

Lasst euch und uns nicht entmutigen.
Lasst euch nicht von geifernden Giftzwergen aufhetzen, sondern schliesst euch jenen an, die mitfühlen und Verantwortung übernehmen.
Tragt euch und uns Sorge.

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