Montag, 18. April 2016

Vom Weggehen, vom Wegsein und vom Zurückkommen

Auf meinen Social Media Accounts war es letzte Woche ruhig, weil ich anderswo war - in Italien. Und wie immer, wenn ich weg bin, klinke ich mich auch aus den Social Media aus. Lebe unabgelenkt den Augenblick und geniesse jede Minute. Ich habe viel gelesen (über und von Robert Walser), bin viel gewandert, habe den Kopf für Ideen frei gehabt und habe sogar ein wenig - dafür mit viel Lust - geschrieben. Und natürlich bin ich wieder über jenste Fundstücke gestolpert. Zum Beispiel ... ach, seht am nächsten Donnerstag selber.

Gestern habe ich Mails aufgearbeitet, mich auf den neusten Stand von Projekten gebracht und mich auch gleich reingekniet. Heute steht der zweite Montagsbrief auf dem Programm. Ich habe schon damit begonnen, muss jetzt jedoch unterbrechen und einkaufen gehen, weil der Kühlschrank und die Regale leer sind. Dazu gibt es auch eine Frage im Montagsbrief von Christian ... mehr dazu dann in der Antwort auf seinen Brief.

So hat es in Lerici von der Terrasse unserer Altstadtwohnung hoch über den Dächern ausgesehen. (Ja, wir wären gerne noch geblieben.)


Montag, 4. April 2016

Montagsbrief Nr. 1 - Lisas Brief

Und hier ist er, der erste Montagsbrief. Er ist von Lisa aus Menznau. Ich lese ihn im Video vor und beantworte dort auch Lisas Fragen. Wenn du den Antwortbrief lieber liest, scrolle einfach nach unten.





Liebe Lisa

Vielen Dank für deinen Brief und deine Fragen.

Blackout ist keine wahre Geschichte. Aber ich habe sie so erfunden, dass man sich vorstellen könnte, sie sei so oder ähnlich wirklich passiert. Prügeleien gibt es auch im richtigen Leben, Jugendliche fliegen auch im richtigen Leben von der Schule. Haben Stress mit den Eltern. Bauen Mist. Greifen zu Drogen. Geraten mit dem Gesetz in Konflikt. Zum Glück gibt es immer wieder Menschen, die einem zur Seite stehen. Caduff ist so einer. Er hilft Nick nicht wegen seiner Mutter. Er hilft Nick, weil er möchte, dass Nick es packt. Dass er das Leben, das ihm entglitten ist, wieder in den Griff bekommt. 

Nachnamen nehme ich – genau wie der Schriftsteller, der eure Schule besucht hat – manchmal aus dem Telefonbuch. Manchmal suche ich auch Namen im Internet. Meistens jedoch borge ich sie mir von Jugendlichen, die ich bei meinen Lesungen kennengelernt habe. Ich habe immer ein Notizbuch dabei. In dieses kann man nach der Lesung seinen Namen schreiben und wenn ich dann Namen für meine jugendlichen Hauptfiguren brauche, schaue ich zuerst in den Notizbüchern nach.

Es gibt Schriftsteller, die über sich schreiben. Entweder eins zu eins oder in einer abgeänderten Form. Ich mache das nicht. Erstens ist mir das zu privat und zweitens ist für mich der schönste Teil des Schreibens das Erfinden von Figuren. Natürlich fliesst manchmal etwas aus dem richtigen Leben in die Bücher. Das können Gefühle sein, Gedanken, die ich mir mache, Erlebnisse, die mich aufgewühlt haben, Musik, die ich mag. 

Blackout ist mein erstes Buch. Ich habe vier Jahre daran geschrieben. Nick, Caduff, Carla, Kristen, Finn und all die anderen sind immer noch Teil meiner Familie – halt nicht in echt, aber in meinen Gedanken und in meinem Kopf. Den meisten dieser Figuren stehe ich noch heute nahe. Wählen ist beinahe unmöglich. Müsste ich, würde ich mich für Nick, Caduff, Carla und Kristen entscheiden.

Ich wollte nie Autorin werden, zumindest nicht als Beruf. Ich wollte einfach schreiben. Und genau das habe ich getan. Damit ist auch die Frage nach den Aufsätzen beantwortet. Ja, ich habe gerne Aufsätze geschrieben – ausser wenn das Thema grottenlangweilig war. Erst nach meinen ersten paar Büchern habe ich mir das dann genau überlegt und mich entschieden, hauptberuflich Autorin zu werden.

Wieso ich mich für Obdachlose interessiere? Ich mag Aussenseiter. Ich mag Menschen, die etwas sperrig sind, nicht ganz der Norm entsprechen, nicht so recht in diese Welt zu passen scheinen und die dennoch dazu gehören. Ich habe früh gemerkt, dass die meisten Menschen an solchen Aussenseitern vorbeischauen, sie behandeln wie Luft. Oder sie pöbeln sie an, sprechen schlecht über sie, ohne zu wissen, was diese Menschen fühlen und denken und warum sie so leben, wie sie leben. Von meinen Eltern habe ich einen grossen Gerechtigkeitssinn geerbt. Ich habe von ihnen gelernt, nicht auf das Äussere zu schauen und anderen Menschen mit Anstand und Respekt zu begegnen. Jeder Mensch hat eine Geschichte. Jeder Mensch hat seine Würde. Ein Leben, in dem man von anderen wie Luft oder Dreck behandelt wird, muss die Hölle sein.

Was für Obdachlose gilt, gilt auch für Flüchtlinge. Das sind Menschen mit Gefühlen, Ängsten, Träumen, Hoffnungen. Wir – du, ich, die Menschen in der Schweiz – haben sehr grosses Glück, in einem sicheren Land geboren zu sein. Wir dürfen und können andere, die dieses Glück nicht hatten, nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Wie müssen Lösungen suchen.

Ja, ich möchte mit meinen Büchern den Menschen etwas bewusst machen. Was das ist, fühlt oder erkennt man, wenn man meine Bücher liest. Es sind grosse Dinge und vor allem auch kleine, denn viele kleine Dinge können auch Grosses bewirken.

Herzlich
Alice Gabathuler

PS: Der nächste Montagsbrief erscheint voraussichtlich in zwei Wochen.

Freitag, 1. April 2016

Montagsbriefe - eine Vorschau

Vor ein paar Wochen erhielt ich Post von einer Schulklasse aus Menznau. Die Briefe sind voller Fragen. Zum Buch Blackout. Zu mir. Zu meiner Arbeit. Zu meinen Ansichten. Ich habe mich riesig über die Briefe gefreut und fand die Fragen extrem spannend. Was ich nicht fand, war die Zeit zum Beantworten all dieser Fragen.

Ich habe deshalb eine Antwort an alle geschickt, in dem ich mich entschuldigt habe, dass ich nicht sofort auf alle Fragen eingehen kann. Aber ich habe einen Vorschlag gemacht: Ich antworte portionenweise. Jeweils an einem Montag. Und ich habe gefragt, ob ich die Briefe und meine Antworten in meinem Blog veröffentlichen darf.

Die Jugendlichen haben mir zurückgeschrieben. Ich darf. Weil die Briefe und die Antworten ziemlich lang sind, habe ich mir etwas einfallen lassen. Ich werde einen Teil davon visuell machen, als kleine Filme.

Der Einfall hat mich begeistert. An der Umsetzung beisse ich mir (immer noch) die Zähne aus. Immerhin ein erster Schritt ist getan: Ich habe eine Vorschau erstellt. Sozusagen mein erster Vlogeintrag. Der Eintrag ist gleichzeitig ein Test, was funktioniert und was nicht. Guckt selber.