Bei Anfragen für öffentliche Lesungen weise ich jeweils darauf hin, wie schwierig es ist, ein Publikum im Jugendliteraturbereich zu erreichen, nicht, um jemanden zu ver- oder gar abzuschrecken, aber es macht niemanden wirklich glücklich, wenn dann bei der Lesung 5 bis 10 Menschen (die Autorin, die Veranstalter und ein oder zwei Familienmitglieder mit eingerechnet) knapp die erste Reihe füllen. Für mich ist das weniger ein Problem, da ich keinen Grossaufmarsch erwarte; mir tun jeweils die Veranstalter leid, die viel Herzblut, Zeit und auch Geld in die Lesung investiert haben. Warum das so ist? Beim Wort "Jugendliteratur" fühlen sich Erwachsene (leider) nicht angesprochen, zumindest nicht in der Schweiz, wo die Jugendliteratur generell einen schweren Stand hat. Und Hand aufs Herz: Bei Jugendlichen steht so eine Lesung in der Freizeit nicht zuoberst auf der Prioritätenliste. (Bei Kindern sieht es etwas anders aus: Da kommen die Eltern mit den Kindern zusammen zur Lesung.)
Ich bin deshalb gestern zwar mit viel Vorfreude nach Baden an den 1. Jugendliteraturtag gefahren, aber nicht wirklich mit der Erwartung, ein grosses Publikum zu finden. Nicht an einem Samstag, nicht in der Freizeit der Jugendlichen, nicht ohne eine Klasse, die man bewusst eingeladen hat, damit die Ränge nicht leer bleiben. Mit etwas Glück, so habe ich gedacht, finde ich eine nette kleine Runde, mit der ich während der Lesung zusammensitze.
Und dann trat ich in diesen wunderschönen Raum - mitten hinein in ein Gewusel. Traf auf engagierte Veranstalterinnen, auf freiwillige jugendliche Helfer hinter der Theke, auf Jungen und Mädchen, die einen ganzen Samstag in der Stanzerei Baden verbrachten, um mit den Icon Poets Geschichten zu würfeln, mit Juliane Blech Worte zu finden und zu verlieren, mir beim Erzählen und Lesen zuzuhören und am Ende von Michael Stauffer und Hans-Peter Pfammatter auf einen sprachlich-musikalischen Flug in eine verrückt-schräge Wortwelt mitgenommen zu werden. In den Pausen konnte man sich an einer Theke verpflegen, auf Sofas herumhängen und in Büchern schmökern, beim Buchstand vorbeigucken oder einfach zusammensitzen und reden und lachen.
Das Schönste: Rund herum glückliche Gesichter. Und ich dachte, was für eine wunderbare Belohnung das für den Mut der Veranstalterinnen ist, die es - schon beinahe wider die Vernunft - mit einem Jugendliteraturtag versuchten. Im Bewusstsein darum, vielleicht nur ein kleines Publikum zu finden. Ich bin sicher, es wird einen 2. Jugendliteraturtag Baden geben. Und ich hoffe, dass sich andere von diesem Mut anstecken lassen, und es ebenfalls versuchen. Nein, es ist nicht einfach, Jugendliche freiwillig für so etwas zu begeistern. Aber es kann funktionieren. Sehr gut sogar.
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