Wir Schweizer sind schon ein seltsames Völklein. Wenn Schriftsteller und andere Kulturschaffende sich NICHT zum Zeitgeschehen äussern, sind sie Feiglinge, die den Kopf einziehen, Drückeberger, die gefälligst aus dem Busch kommen und ihre Meinung stolz und aufrecht verteidigen sollen, denn schliesslich habe das in unserem Land Tradition, man denke nur an die (Vor)denker Frisch und Dürrenmatt. Wenn dann aber einer mal etwas sagt - oder auch häufiger, wie der Muschg -, dann muss er damit rechnen, verbal gevierteilt, aufgehängt und anschliessend ersäuft zu werden - siehe auch wieder Muschg. Aufgrund von Muschgs Erfahrungen hat so mancher Schriftsteller beschlossen, seinen Mund zu halten und zu schreiben. Frei nach "Shut up and sing" ein "Shut up and write" sozusagen.
Kürzlich hat sich jedoch wieder einmal einer aus der Deckung getraut, einer, von dem ich bis jetzt - im Gegensatz zu Muschg, Hürlimann und ein paar anderen - noch keine öffentliche Aussage gehört oder gelesen habe. Guy Krneta heisst der Wagemutige. Wagemutig im wahrsten Sinn, denn er hat ein paar Dinge gesagt, die für viele Bewohner dieses Landes im höchsten Mass provozierend sind. Und so sitzt der Gute jetzt da. Gestempelt zum Intellektuellen (Schimpfwort des Jahres), Sozialschmarotzer (denn nicht wahr, so einer MUSS ja von staatlichen Subventionen leben), Linken (von denen weiss man ja, dass sie das Vaterland nicht lieben), Feind aller senkrechten Schweizer Bürger (die noch wissen, was Recht und Unrecht ist).
Mir hat es ob der Kommentare zum Artikel die Haare noch senkrechter aufgestellt als sonst. Während ich also noch darüber nachdachte, wie ich das Thema im Blog aufgreifen soll, ging die Schlacht in eine zweite Runde, eine, die von "Schriftstellern" zu ganz allgemein "Intellektuellen" erweitert wurde, und die nun noch wütender tobt. In über 200 Kommentaren wütet ein Krieg, in dem keine Gefangenen gemacht werden.
Ich stelle (nicht überrascht, aber immer wieder aufs Neue erschüttert) fest, dass ich unter Leuten lebe, die wunderbar damit leben können, dass unser Staat pro Kuh und Jahr mehr Geld ausgibt als für ein Kind, dass jedes Schaf in der Schweiz im Durchschnitt pro Jahr mit 100 Franken subventioniert wird, dass ... ach lassen wir das.
Nein, ich bin mit Guy Krneta in vielen Punkten nicht einig. Die Ansichten von Muschg nerven mich manchmal gewaltig. Schweizer Schriftsteller, die finden, man könne nur im Ausland gut schreiben oder mindestens müsse man viel im Ausland sein, finde ich - nett gesagt - etwas skuril. Ich bin nicht beim AdS (Verband Autorinnen und Autoren der Schweiz), weil ich mich in vielen Punkten in der gegen aussen getragenen Meinung nicht vertreten fühlen würde. ABER: Auch in der Schweiz herrscht (noch) Meinungsfreiheit. Wenn einer eine Meinung hat, soll er sie verkünden können,ohne gleich zum Freiwild zu werden. So, wie es jetzt aussieht, muss man sich tatsächlich überlegen, ob es nicht besser wäre, sich dem "Shut up and write" hinzugeben.
UPDATE: Spannend, die Antwort von Muschg.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen