Samstag, 1. März 2025

Haltung zeigen


Mein Vorsatz für 2025: Jeden Freitag einen Blogpost veröffentlichen. Ich hatte den Post für gestern auch schon fast fertig. Es ging darum, was jeder und jede Einzelne von uns tun kann in Zeiten wie diesen. Und dann kam die Pressekonferenz im Weissen Haus gestern. Diese absolute Ungeheuerlichkeit, welche die unsagbare Monstrosität von Trump und Co gegenüber Selenski und der Ukraine offengelegt hat. Das ging von der Frage darüber, warum er keinen Anzug trage (WTF???) bis hin zur arroganten, giftigen Massergelung eines Politikers, dessen Land vor drei Jahren von Russland überfallen wurde. 

Während völlig durchgeknallte amerikanische Politiker gestern die ganze Weltordnung definitiv über den Haufen geworfen haben, hütete ich meinen Enkel. Auf dem Weg nach Hause war mir klar, dass ich mehr denn je für unsere Zukunft einstehen will und muss, mit den Möglichkeiten, die ich habe. Für uns, für unsere Kinder, für unsere Enkel. 

Ich will den Blogpost von gestern immer noch fertig schreiben, jedoch radikaler und kompromissloser als gestern, aber da sind so viele Gedanken und Gefühle, die ich erst ordnen muss. Das geht hin bis zur Überlegung, ob ich nicht doch wieder einen zweiten Blog brauche, einen der sich mit gesellschaftlichen und politischen Fragen auseinandersetzt. Oder ob ich es machen soll/will wie Parkrose Permaculture, der Kanal einer Frau, die einen (erfolgreichen) Youtube-Kanal über Permakultur gegründet hat und angesichts der Lage seit längerer Zeit hauptsächlich politische Gedanken veröffentlicht (Für die TikToker unter euch: dort ist sie auch). Ihre Begründung und logische Folgerung: Permakultur ist auf eine Weise auch Politik, weil sie eine Lebenseinstellung voraussetzt, und in Zeiten wie diesen kann man nicht schweigen. Das gilt auch für das Schreiben, weshalb ich im Moment eher dazu tendiere, meine Ansichten in diesem Blog zu veröffentlichen. Schliesslich trägt er den Titel Kreuz und Quer, da darf, ja muss, es für alles Platz haben.

Für heute gebe ich euch erst einmal ein Zitat mit auf den Weg, das ich gestern auf Insta gesehen habe.

"Shine your love so bright that hatred leaves every room you walk into." (Stacie Martin) 

Was ich euch NICHT auf den Weg mitgeben will: Dieses blöde Dingens mit dem Hinhalten der zweiten Wange. Dazu ist jetzt nicht die Zeit. Jetzt ist die Zeit für Widerstand. Das kann von still und leise bis zu laut und kompromisslos sein. Mehr dazu nächsten Freitag. Ich muss mich echt zuerst sortieren. Tragt euch Sorge. Werdet nicht bitter. Liebt. Von ganzem Herzen. Pflanzt Blumen oder auch Bäume. Für die Zukunft. Vor allem: Zeigt Haltung. Und wenn das (noch) zu schwierig ist: Bewahrt euch wortlos eure Haltung. 

Freitag, 21. Februar 2025

Das kleine Herz


Ich wollte über Wörter schreiben im heutigen Post. Über den Golf von Mexiko und die Liste mit unerwünschten Wörtern, die in den USA zirkuliert. Aber das schaffte ich nicht. Zu monströs ist die Vorstellung, dass einer allein einfach so an der Sprache drehen kann, dass er wichtige Begriffe einfach löschen kann und dabei seine Lügen zur Wahrheit umdreht.

Eine Weile lang dachte ich über pure Bosheit und absolute Empathielosigkeit nach. Was mir durch den Kopf ging, war nicht druckreif, auch nicht online-reif. Der Cursor blieb  oben links im leeren Nichts stecken. Weil ich nicht über Bosheit und Empathielosgkeit schreiben wollte. Und weil ich das mit den Wörtern nicht auf die Reihe bekam (ich hab's versucht, echt, der Text ist als Entwurf gespeichert, aber er ist nicht gut und er ist nicht fertig).

Okay, dachte ich, für irgendwas hast du ja eine Notfallthemenliste für den Blog. Aber die Themen wirkten klein und unbedeutsam angesichts dessen, was gerade läuft.

Also starrte ich ziemlich lange einfach nur auf den Cursor im weissen Nichts und entschied dann, mir erst einmal eine Tasse Kaffee zu holen (DAS Allzweckmittel bei Hirnstau und Frust). Als ich zurückkam, war es nicht nur dem Cursor, sondern auch dem Rechner zu langweilig geworden. Er zeigte mir wenigstens nicht den Mittelfinger, sondern einen der Leuchttürme, an denen wir letzten Sommer - und gefühlt in einem anderen Leben - auf unseren Küstenwanderungen in Nordspanien vorbeigekommen sind. Ein Bild, aufgenommen im Hochformat, vom Rechner total seltsam ins Querformat übertragen. Und da sah ich es zum ersten Mal, das kleine Herz auf dem Leuchtturm. Oder etwa doch nicht? Hatte ich damals genau deswegen den Leuchtturm fotografiert? Ich kann mich nicht erinnern.

Es ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass da ein Herz auf dem Leuchtturm ist. Denn über Herzen kann man nicht oft genug sprechen und schreiben. Das Herz steht für die Liebe. Für Kraft. Für Hoffnung. Für Zuversicht. Für Mut (auch wenn er noch so ängstlich ist). Möge das Herz vom Turm leuchten bis übers Meer hinaus, bis zu uns, bis nach Amerika, überall hin. 

Tragt euch und euren Herzen Sorge.

Freitag, 14. Februar 2025

Von Absagen und Abzockern


Ab und zu erhalte ich Anfragen von Jugendlichen, die an einem Buchprojekt arbeiten. Sie bitten mich um ein kurzes Interview, schriftlich oder - seit einer Weile - per Zoom. Wenn sie früh genug anfragen, findet sich immer ein Zeitfenster. Ich gebe gerne Auskunft und freue mich jedes Mal über den Austausch.

Manchmal jedoch muss ich Antworten geben, die nur schwer einzustecken sind. Zwei Beispiele aus jüngster Zeit

Beispiel 1: Eine Anfage, auf die ich passen musste

Die Mail war kurz und auf den Punkt. Ob ich ein paar Fragen für eine Projektarbeit rund ums Buch beantworten könne. Au ja, dachte ich und öffnete die angehängte Datei. Die Frageliste war endlose drei Seiten lang. Es ging um Arbeitsprozesse rund um das Schreiben, die Buchproduktion, Verlage und das Self Publishing. Also eigentlich um alles. 

Ich war überfordert. Inhaltlich und zeitlich. Hätte ich die Fragen auch nur einigermassen ernsthaft beantworten wollen, wäre dabei ein kleiner Schreibratgeber mit persönlicher Erfahrung geworden. Einen Moment lang habe ich mir überlegt, die Fragen als Podcast zu beantworten. Aber ich realisierte schnell, dass ich diesen Podcast in eine ganze Serie hätte ausweiten müssen. Kurz: Für mich war diese Anfrage eine Mission Impossible. Ich konnte nicht anders, als auf die Mail mit einer Absage zu antworten.

Beispiel 2: Verlagssuche

Jemand hatte das eigene Buchprojekt fertig und wollten damit auf Verlagssuche. Die Frage an mich: "Wie mache ich das am besten?" Weil das Thema Verlagssuche ein ziemlich endloses ist, habe ich kurz die wichtigsten Punkte erklärt und ansonsten einmal mehr auf Andreas Eschbach verwiesen, der zu allen Fragen rund ums Schreiben, die Verlagssuche und das Selfpublishing auf seiner Webseite sehr brauchbare Tipps gibt.

Kurze Zeit später bekam ich eine Antwort. Zwei Verlage hätten sich schon gemeldet. Bei mir klingelten sämtliche Alarmglocken. Ich schaute mir die Sache an und warnte. Verwies auf eine Webseite, auf der aufgeführt ist, was ein seriöser Verlag ist und was nicht. Derweilen machte einer der beiden Verlage ein Angebot: Mit 13'000 Franken sei man in diesem Fall dabei. Dreizehntausend Franken. Da werden Träume von Menschen gnadenlos ausgenutzt. Das ist nicht nur Abzocke, das ist Oberabzocke vom Allerfiesesten, bei der man den allergrössten Teil seines Geldes verliert. Ich habe sehr heftig abgeraten. 

Ganz wichtig: Seriöse Verlage nehmen kein Geld! Sie bezahlen das Lektorat, das Cover, das Korrektorat, das Marketing usw. aus eigener Tasche und bezahlen dem Autor / der Autorin Tantiemen. Anders ist es im Self Publishing. Aber dort entscheidet man selber, wie viel Geld man für diese einzelnen Kostenpunkte, für die ansonsten der Verlag aufkommt, auszugeben bereit ist. Generell gilt: Der Weg zum veröffentlichten Buch ist kein einfacher und noch immer lauern unseriöse Verlage jenen auf, die sich zu wenig auskennen und denken, es sei normal, dass man für ein Buch bezahlen müsse.

Was ich aus diesen zwei Anfragen mitnehme: Es ist Zeit, meinen YouTube Kanal wieder aktiver zu gestalten und / oder einen Podcast zu starten, um dort auf ausführlich auf die verschiedensten Askepte und Fragen rund um das Schreiben einzugehen. Damit ich bei zukünftigen Anfragen darauf verweisen kann.  

Freitag, 7. Februar 2025

Wie man zu vertraulichen Informationen kommt


Ganz einfach: Fahrt mit der Bahn. Ohne Kopfhörer.

Persönliche Dramen, vertrauliche Firmeninterna, Kundennummern, Telefonnummern, in all das werdet ihr eingeweiht. Und nein, ihr müsst dazu nicht einmal die Ohren spitzen. Diese Informationen werden durch den ganzen Wagon posaunt, in dem ihr gerade sitzt, denn aus irgendwelchen mir unbekannten Gründen reden Menschen beim Bahnfahren unglaublich laut in ihre Handys.

Kürzlich erfuhr ich auf diese Weise die Mailadresse einer Firma, ihren Provider, ihre Kundennummer und die Handynummer des Anrufers. Weil ich gerade Notizen zu einer meiner geplanten Geschichten machte, hätte ich alles locker mitschreiben können. Habe ich natürlich nicht. 

Oder dann war da dieser Mann in ungefähr meinem Alter, der zwischen Sargans und Thalwil an verbalem Durchfall litt. Ich wusste nach kurzer Zeit, für wen er arbeitet, bei welcher Partei er ist, dass er einen Vorstandsposten sucht oder sonst etwas, wo er seine Erfahrung einbringen kann. Er beendete ein sehr privates Gespräch über seine kranke Mutter im Spital und einem kleinen Familientreffen mit einem "tschau, herzallerliebschts Käthi", redete mit dem Telefonbeantworter von jemandem, der wahrscheinlich an der Nummer erkannte, wer anrief und sich lieber nicht meldete. Was ich verstehen würde, denn der Mann beklagte sich darüber, dass ihn die angerufene Person nie zurückrufe. Als nächstes rief er seine Versicherung/Krankenkasse an, erklärte, dass er ihren Anruf leider verpasst habe und fragte, was so dringend sei, ob er einen Wettbewerb gewonnen hätte. Hat er nicht, was ihn sehr enttäuscht, aber leider nicht zum Schweigen gebracht hat, denn er wählte schon die nächste Nummer und rief er jemandem an, dem er verriet, er gehe nach dem Spitalbesuch noch seinen Weinhändler besuchen. Der Mann redete immer noch, als wir in Thalwil ausstiegen, er redete auf dem Perron weiter und ich suchte - genau - das Weite, denn er wartete auf den gleichen Anschlusszug wie ich. Ich fürchte, der gute Mann redet immer noch.

Ich habe endlos viele Telefonate wie diese gehört. Manchmal denke ich, wenn ich jemanden ausspionieren müsste, würde ich ihm einfach folgen und warten, bis er in einen Zug einsteigt. Danach hätte ich wahrscheinlich meine Informationen plus noch vieles mehr, das ich gar nicht wissen wollte.

Stoff für Bücher gäbe es allemal. So als Hobby habe ich mir jetzt Psychoanalysen angewöhnt. Der herzallerliebscht-Verbaldurchfall zum Beispiel ist ein ziemlicher Loser, der sich für einen allseits beliebten Gutmenschen hält. War das jetzt zu hart? Dann verzeiht. Menschen beim Telefonieren zuhören zu müssen, kann zur Qual ausarten. Da wünsche ich mir gelegentlich eine Voodoo-Puppe. Oder Noise-Cancelling-Kopfhörer.

Die wollte ich mir zu Weihnachten kaufen, also die Kopfhörer, nicht die Voodoo-Puppe. Hab's versemmelt. Ich muss das so schnell wie möglich nachholen. Und solange ich noch keine habe, überlege ich mir, beim nächsten Mal zu der telefonierenden Person hinzusitzen und ganz interessiert zu gucken. Oder alternativ dazu Kochrezepte in mein Handy zu brüllen. Oder die Zahl Pi runterzurattern, bis hin zur tausendsten Stelle nach dem Komma.

Vielleicht müsste ich auch einfach erste Klasse fahren. Dort sind die Firmeninterna wahrscheinlich noch delikater. Wäre ich eine Erpresserin aus einem meiner Bücher, würde ich .... ah ... ich glaube, ich habe gerade eine Ausgangslage für einen neuen Krimi gefunden.

Wenn ihr noch spannenden Gesprächsstoff für die nächste Party sucht oder ein Buch schreiben wollt oder Psychologie studiert und Fallbeispiele benötigt oder euch einfach amüsieren und/oder quälen wollt: Fahrt Bahn. Nirgendwo kommt ihr zu intimeren und persönlicheren Informationen als dort.

Freitag, 31. Januar 2025

Zwei Franken zwanzig


In den Bergen war Schnee gefallen. Die Webcam zeigte eine Traumlandschaft in Weiss. Ich entschied spontan, in den Winter zu fahren. Eine Tasche voller Lebensmittel, eine Tasche mit meinem Büro. Laptop und Handy dabei, sämtliche wichtigen Kabel eingepackt. Alles parat. Es konnte losgehen. Ich fuhr Richtung Berge. Mit jedem zurückgelegten Kilometer ging es mir besser. Bis mir kurz vor Flims einfiel, dass ich meinen Geldbeutel vergessen hatte. Keine Bankkarte, kein Twint, der Notgroschen in der Handyhülle weg (weil auch kürzlich schon ohne Geld unterwegs). Na gut, dachte ich. Du hast Futter dabei und im Haus in den Bergen hat es immer Schokolade und Kekse. 

Wenn ich jeweils nach Flims aus dem Tunnel fahre liegt die Surselva vor mir, eine Landschaft, die mich an Kanadas Weite erinnert. Ich fühle mich bei diesem Anblick jedes Mal frei und habe das Gefühl, direkt in ein Abenteuer zu fahren. Diesmal noch mehr als sonst, denn ich war ohne Geld unterwegs. Ich drehte die Musik auf, sang laut mit und lenkte den Wagen tiefer in die Surselva hinein.

Irgendwann bog ich von der Hauptstrasse ab und mit jedem Höhenmeter nahm auch die Schneehöhe zu. Die Einfahrt zum Haus war zugeschneit. Ich parkte den Wagen beim Schreiner etwas weiter unten im Dorf und ging zu Fuss zum Haus. Check: keine Schokolade, keine Kekse. In der Schublade, wo manchmal ein Notgroschen liegt, lag eine ganze Menge, aber kein Notgroschen. Dafür fand ich in meiner Jackentasche einen Zweifränkler und ein Zwanzigerräppler. Ich war also nicht komplett blank.

Erst einmal schaufelte ich die Einfahrt frei, holte das Auto, trug Futter und Bürotasche ins Haus, verräumte die Sachen und machte es mir gemütlich. Auf dem Stubentisch lagen die beiden Geldstücke. Ich lachte. Weil ich mich wieder fühlte wie damals als Kind, als ich mit meinem bisschen Taschengeld im Laden stand und mir überlegte, was man mit zwanzig Rappen kaufen kann (ein Zweifränkler wäre damals für mich ein unermesslicher Reichtum gewesen).

Der Entscheid fiel am nächsten Morgen, es war ein strategischer Vernunftsentscheid: Milch. Keine Kekse, keine Schokolade. Nein - Milch. Die war nämlich knapp, weil ich nur wenig von zuhause mitgenommen hatte, denn ich wollte ja in den Bergen noch einkaufen gehen (öhmmm ...) Milch, weil ich mit Milch meine tägliche Portion Porridge zubereite; Milch kann ich auch ins Müesli geben, das fast so gut schmeckt wie Kekse. Und mit Milch und Kakaopulver kann man eine heisse Schokolade machen.

Also lief ich los. Richtung nächstes Dorf, zum Dorfladen. Mit meinem Geldschatz in der Jackentasche. Die zwei Franken zwanzig, die ich nach einem Einkauf vor ein paar Tagen locker als ein bisschen unnützes Restmünz in die Tasche gesteckt hatte, kamen wir vor wie ein kleines Vermögen. Ich fotografierte die Münzen im Schnee, drehte sie in den Händen, steckte sie in die Tasche und griff immer wieder danach.

Die Milch kostete CHF 1.95. Ich überlegte kurz, nur einen halben Liter zu kaufen und mit dem Rest ein Brötchen, aber der halbe Liter kostete CHF 1.20 und ein Brötchen im Minimum CHF 1.20. Sprich, beides zusammen überstieg meine finanziellen Möglichkeiten. Also kaufte ich den ganzen Liter. Mir blieben fünfundzwanzig Rappen. Das Bezahlen war Freude pur. Ich habe selten so gerne eingekauft und hatte selten so viel Spass dabei.

PS: Was für mich ein Spiel gewesen ist, ist für andere bitterer Ernst, Tag für Tag. Das Überlegen, was man mit seinem letzten bisschen Geld noch macht, wenn es nicht für alles reicht und man keine Vorräte hat, auf die man zurückgreifen kann. Wenn man verzweifelt überlegt, wie man über die Runden kommen soll. Und weiss, dass es theoretisch gar nicht möglich ist, praktisch aber doch irgendwie jeden Monat geht. Es sollte nicht einfach "irgendwie doch noch gehen". Und darum müssen wir unseren Sozialeinrichtungen Sorge tragen. Was passiert, wenn man sie wegsparen will, kann man grad in den USA beobachten.