Mittwoch, 30. September 2020

Hallo Frau Autorin, da sind Sie ja wieder

Im Laufe der letzten Jahre hat sich mein beruflicher Fokus verschoben, weg vom Schreiben hin zum Verlegen. In der ersten Jahreshälfte arbeite ich bei unserem da bux Verlag als Lektorin und bereite danach die fertigen Texte für den Satz vor (definitiv setzen tut sie dann mein Verlagskollege Tom Zai). Gleichzeitig müssen im März und April die Gesuche um einen Projektbeitrag geschrieben werden. Nach einer kurzen Verschnaufpause im Frühsommer stehen im Hochsommer die kostenlosen Unterrichtsmaterialien auf dem Programm, und ab dem September gilt die Hauptaufmerksamkeit dem offiziellen Start der neuen Edition. Zwischen die Verlagsarbeiten schiebe ich Lesungstermine, einzeln oder ganze Wochen. Das geht an die Substanz; zum Schreiben bleibt kaum Zeit.

Ab Ende September wird es für mich ruhiger. Die Autor*innen der nächsten Edition schreiben an ihren Geschichten, Verlagskollege Stephan Sigg macht weiterhin fleissig PR und pflegt Kontakte, und Tom Zai und seine Frau sind auf Hochtouren mit dem Versand beschäftigt, denn der Release einer neuen Edition führt stets zu einem regelrechten Ansturm auf unsere Bücher. Während also meine Verlagskollegen immer noch sehr eingespannt sind, habe ich endlich die Ruhe und die Zeit zum Schreiben.  

Noch selten habe ich diese Schreibzeit so genossen wie dieses Jahr. So sehr, dass ich gestern Morgen in meiner Morgenmail an Jutta Wilke geschrieben habe, dass ich mich endlich wieder als Autorin fühle. Das möchte ich auskosten und dabei gleich auch versuchen, disziplinierter zu schreiben. Dabei greife ich zum selben Trick wie Jutta: Ich schreibe am Morgen. Administrative Arbeiten lege ich auf den Nachmittag, das Einkaufen und die Gartenarbeiten auch. Ich will mich voll auf das Schreiben konzentrieren, in den Fluss kommen. Wie früher, als ich stundenlang geschrieben habe. Dabei bin ich sogar irr genug, Grüntee zu trinken, obwohl ich ihn grässlich finde (na ja, und dazwischen meinen Kaffee, denn ohne geht es einfach nicht). Und wenn’s draussen garstiges Wetter ist, zünde ich auch mal die Kerzen an. Das Dilemma, an welcher Geschichte ich zuerst schreiben will, habe ich umgangen, indem ich an zwei – völlig verschiedenen – Texten parallel arbeite und bei Spaziergängen immer mal wieder die schon vorhandenen Ideen für die nächsten Geschichten weiterspinne und sortiere. 


Ganz ohne Unterbrechungen geht das natürlich nicht. Der Herbst ist auch immer Lesungszeit. Und neu zudem Workshopzeit (dazu mehr in einem der nächsten Blogposts). Diesen Herbst halten sich die Termine im Rahmen. Ich bin einer Einladung aus dem Kanton Aargau gefolgt und werde zum ersten Mal bei den Stadtbasler Lesungen dabei sein. Deshalb habe ich 2020 die Einladung zu den Zentralschweizer Lesungen nicht annehmen können. Drei Lesetouren sind einfach zu intensiv. Dafür reicht es jetzt auch für die eine oder andere private Anfrage, die ich früher öfters schweren Herzens abgelehnt habe, weil der Terminkalender einfach zu voll war. Und: zum Schreiben (ich glaube, das sagte ich schon ...)

Bis Ende Jahr möchte ich das Schreiben in den Vordergrund stellen. Für nächstes Jahr habe ich die Weichen so gestellt, dass ich nebst der Verlagsarbeit, die Anfang Januar wieder mit den Lektoraten beginnt, Zeit zum Schreiben haben werde. Dazu gehört, dass ich in der ersten Jahreshälfte nur zwei Lesetouren machen werde: eine im Kanton Aargau und eine in der Ostschweiz. Der Fokus wird auf einzelnen Lesungen liegen, die ich besser einteilen kann. Es ist ein riesiger Unterschied, ob ich einmal in der Woche einen Tag in Sachen Lesung oder Workshop unterwegs bin oder ob ich eine Woche intensiv auf Lesetour bin.

Mein nächster Anlass wird eine Schreibwerkstatt am 13. Oktober sein. Bis dahin bin ich Autorin. Einfach nur Autorin. Ich freue mich auf jeden einzelnen Tag dieser Schreibzeit.

Samstag, 26. September 2020

Was bei mir los war - ein Update in Kurzform

Wenn ich längere Zeit nichts poste, liegt es meistens daran, dass einfach zu viel los ist. Diesmal war es eine ganze Menge. Ein Update in Kurzform:

Nachdem mein Computer schon in den Sommerferien schlapp gemacht hat, ist er Anfang September, kurz vor unseren Ferien, endgültig ins Cybernirvana hinübergeglitten. Die Zeit, ihn zu ersetzen, fanden wir vorerst nicht denn:

Wir fuhren nach Ligurien, wo wir normalerweise im Frühling hinfahren. Schön war es. Und heiss. Und mit Maskenpflicht fast überall. Die ersten drei Tage verbrachten wir in Camogli, die zweiten vier in Lerici. Für einmal ohne Wandern (zu heiss / Maskenpflicht). Zum Glück hatten wir an beiden Orten wunderbare Terrassen mit Aussicht.


Wieder zu Hause, bestellten wir einen Laptop. Im Büro dient er nur als eine Art Server. Ich arbeite mit Tastatur und Grossbildschirm. Wenn ich in die Berge fahre, hänge ich den Laptop vom System und habe sämtliche Daten dabei. Vor allem aber kann ich in kommenden heissen Sommermonaten mein Büro problemlos in ein kühleres Zimmer oder nach draussen legen.

Am 17. September durfte ich eine Online-Lesung mit einer Schweizer Schule in Brasilien machen. Was für eine Erfahrung! Ich glaube, ich hatte danach den ganzen Tag einen Smile im Gesicht.

Am 18. und 19. September feierten wir gleich zwei da bux Vernissagen: Am 18. in Bern mit Daniele Meocci und seinem Buch "Aktion Klimaschock", am 19. in St. Margrethen mit Maxima Hampel und ihrem Buch "Hochdruck" und Stephan Sigg mit "Null Empfang."


Am 21. September verbrachte ich einen Tag an der Oberstufe in Arbon. Die ersten Lesungen seit langem! 

Am 23. erschien meine dritte Qultur.ch Kolumne. Aus aktuellen Geschehnissen zu einem ganz anderen Thema als geplant.

Ebenfalls am 23. September hätte die Vernissage für Romana Ganzonis Buch "Die Torte" stattfinden sollen. In einer Bäckerei-Konditorei. Wie hatte ich mich darauf gefreut!!! Doch dann kam es anders. In Zeiten von Corona haben wir beschlossen, dass man sich für die Vernissagen anmelden musste. Als eine halbe Woche vorher erst zwei Anmeldungen bei uns eingegangen waren, verschoben wir die Veranstaltung schweren Herzens auf später. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es mehrere Leute gegeben hat, die spontan gekommen wären oder die sich noch am Tag der Veranstaltung anmelden wollten. 

Die letzten beiden Wochen trug ich zudem einen riesigen administrativen Berg ab. Noch ist er nicht ganz weg, aber ich hoffe nun, dass ich in nächster Zeit auch wieder einmal zum Schreiben komme.

Eigentlich wollte ich all die tollen Anlässe einzeln verbloggen, aber Tage danach macht das nicht mehr wirklich Sinn. Deshalb das Kurzupdate. Nun wird es wieder etwas ruhiger bei mir. Der nächste Anlass ist ein Workshop in Lenzburg und gegen Ende Monat bin ich - so Corona es zulässt - dann auf meiner ersten Herbstlesetour.

Mittwoch, 16. September 2020

Zu Gast beim Qultur-Talk

Ich durfte bei Qultur.ch gemeinsam mit Christian Imhof am Tisch Platz nehmen und mit ihm über das Schreiben, Jugendbücher, Lesungen, Musik und vieles mehr unterhalten. Das Resultat ist jetzt online.

Hier der Link zum Qultur-Talk


Montag, 7. September 2020

Wenn der Endspurt am Montag stattfindet

Letzte Woche ist es ruhig geworden im  Blog. Das hat seinen Grund: Ich kämpfte gegen einen Arbeitsberg im Büro und gegen Wildwuchs im Haus in den Bergen. Und dazwischen hängte sich - zum völlig falschen Zeitpunkt - mein Computer auf, schon zum zweiten Mal in kurzer Zeit. Ich fürchte, da hilft nur eine Neuanschaffung, denn ich will nicht tagtäglich auf einem Schleudersitz Platz nehmen, von dem ich jeden Augenblick in den leeren Raum katapultiert werden könnte.

Heute Montag sieht mein Bullet Journal Eintrag so aus. ENDSPURT.

(Anmerkung in Klammer: Ich habe eine neue Spalte eingefügt, in die ich jeden Morgen mein Tagesmotto schreibe.)

Gleich daneben sind mehr Arbeiten aufgelistet als es Platz hat, viele davon administrativer Kleinkram. Dazu gehören zum Beispiel jede Menge Mails: Abklärungen mit da bux Autor*innen, Organisatorisches, Beantworten von Anfragen, Infos usw. Aber auch grössere Arbeiten wie die YA!-Kolumne von Mittwoch. Da hatte ich zum  Glück schon vorgearbeitet. Und die Unterrichtsmaterialen zu zwei da bux Büchern sind auch gestern fertig geworden

Gespurtet bin ich, weil ich mir ab morgen ein paar Tage Auszeit gönne. Richtige Auszeit. Bevor es dann mit voller Geschwindigkeit an Vernissagen und Lesungen geht.

So sah es heute bei mir ziemlich chaotisch aus. Und wie das so ist, an Tagen, an denen sowieso genügend Arbeit auf der Liste steht, kamen noch jede Menge Fragen rein, die ich grad auch noch beantwortete. Jetzt bin ich parat. Also, beinahe. Ich muss nur noch ... ähm, nein, ich muss jetzt nichts mehr.

Dienstag, 1. September 2020

Von Lesungsabsagen und Honorarausfällen - oder - die Sache mit der Planungssicherheit

Die Ski-Destinationen hätten sie gerne. Die Sportclubs hätten sie gerne. Die Wirtschaft generell hätte sie gerne. Die Planungssicherheit. Doch die gibt es in Zeiten von Corona nicht. Und eigentlich hat es sie nie gegeben. Nur so etwas Ähnliches, nämlich die Gewissheit, dass normalerweise im Winter irgendwann irgendeine Schneemenge liegt, auf der man den Wintersport ausüben kann. Dass Fussball und Eishockey und andere Sportanlässe üblicherweise stattfinden usw. Ganz verlassen konnte man sich darauf nie, man dachte und handelte aufgrund von Erfahrungswerten und verliess sich auf einen gefühlten Normalfall.

So etwas wie Planungssicherheit gibt es in einem Autorenleben eigentlich nicht. Auf jeden Fall weniger als anderswo. Du weisst nie, wann und ob du für dein nächstes Buch einen Vertrag bekommst, ob und wie viele Lesungen du haben wirst, ob unerwartet nicht doch noch Einnahmen auftauchen, mit denen du nicht gerechnet hast. Die Planungssicherheit bei Autoren stand also schon immer auf wackligen Beinen.

Dann kam Corona, und Planungssicherheit wurde für sehr viele zu etwas, das es nicht mehr gab. Versicherungen zahlten mit Hinweis auf das Kleinstgedruckte nicht. 

Zum Glück schnürte unsere Landesregierung gleich zu Beginn des Lockdowns ein finanzielles Hilfspaket, in dem zu meiner Überraschung ausdrücklich auch die Kulturschaffenden enthalten waren. Zu meinem privaten Glück hatte ich in den Vorjahren genügend verdient und versteuert, um den Honorarausfall für meine 42 abgesagten Lesungen erstattet zu bekommen, von der SVA in Form von Erwerbsersatz. Plötzlich war ich Autorin auf dem Hochseil MIT Netz und doppeltem Boden. Im Gegensatz zu ganz vielen Berufskolleg*innen im In- und Ausland, die vom Teilausfall bis zum totalen Ausfall alles hatten und von denen nicht wenige finanziell am Abgrund stehen.

Die Meldefirst für das Hilfsprogramm endet am 20. September. Damit bin ich wieder ungesichert auf dem Hochseil unterwegs. Lesungsanfragen für die zweite Jahreshälfte habe ich. Bestätigte Termine auch. Mein Workshop morgen findet trotz krankheitsbedingten Abmeldungen von Kursteilnehmenden statt. Die weitere Zukunft hängt von den Corona-Fallzahlen und den damit verbundenen Massnahmen ab. Der Rest steht planungsunsicher in der Zukunft.

Und die sieht so aus: Vor mir liegt eine Vereinbarung für eine Lesungswoche, die ich unterschreiben soll. Mit einer Klausel am Ende.

xyz (Veranstalter) übernimmt die Kosten nicht, falls die Lesungen coronabedingt nicht stattfinden könnten.

Ich verstehe den Veranstalter voll und ganz. Aus seiner Sicht. Er hätte Ausgaben, ohne etwas davon zu haben. Es gibt aber auch die Sicht von mir Autorin. Und die sieht so aus: Ich weiss nicht, ob die Lesewoche stattfinden wird und ob ich in dieser Woche Geld verdienen kann und werde. Trotzdem muss ich mir diese Woche beruflich und privat freihalten. Dafür trage ich, wenn die Lesungen ausfallen, das ganze finanzielle Risiko alleine, falls die Corona Hilfsmassnahmen nicht verlängert werden.

Dieser Veranstalter informiert wenigstens über das Risiko, das ich eingehe. Viele Lesungen im Frühjahr wurden einfach abgesagt, ohne ein Wort über einen Honorarausfall. Ein einziger Veranstalter hat gefragt, wie er mich entschädigen kann, ein oder zwei haben die Lesungen auf den Herbst geschoben, ein Lesungsveranstalter hat sich massiv für "seine" Autor*innen eingesetzt (danke, Richi, ich weiss das extrem zu schätzen!). Ich gehe davon aus, dass ich im schlimmsten Fall auch im Herbst einfach Absagen bekommen werde, vielleicht sogar kurzfristige, und dass die meisten Veranstalter automatisch und selbstverständlich davon ausgehen, dass sie das Honorar dann auch nicht bezahlen müssen, auch nicht wenigstens einen Teil davon.

Nein, ich will mich nicht beklagen. Ich habe immer gewusst, worauf ich mich einlasse, ich weiss es auch jetzt. Mein Verständnis für Veranstalter, die selber finanziell zu kämpfen und zu beissen haben, ist sehr gross. Trotzdem müssen für die Zukunft Lösungen gefunden werden, die beiden Seiten gerecht werden. Zum Beispiel Lesungsverträge mit klaren Vereinbarungen, die die beiden Parteien miteinander aushandeln. Dabei müssen wir einander die Luft zum Leben lassen. Es nützt ja nichts, wenn Veranstalter keine Lesungen mehr organisieren, weil sie nicht für etwas bezahlen wollen, dass dann nicht stattfindet. Es hilft aber leider den Autor*innen genauso wenig, wenn sie das ganze finanzielle Risiko alleine tragen müssen. Ideen sind gefragt. Vielleicht habt ihr ja Lösungsvorschläge. Dann schreibt sie doch unten in die Kommentare.