Sonntag, 19. Januar 2014

Ochsentour

Gestern bin ich im Zusammenhang mit Lesungen von Jugendbuchautoren auf das Wort "Ochsentour" gestossen. Ein Schweizer Autorenkollege ist im Augenblick auf Jugendbuchlesetour. Er stellt fest: Lange Arbeitstage, mehrere Lesungen am Tag. Das hat er auf FB gepostet. Kollegen, die für Erwachsene schreiben, haben ihn unter anderem auch auf das Honorar angesprochen. Worauf einer dann meinte, für so ein Honorar setze er nicht einmal seine Lesebrille auf, und ein anderer sprach von Ochsentour (wegen der langen Tage und der vielen Lesungen)

(Anmerkung: Der Einstiegsparagraph enthielt im Original Fehler und Ungenauigkeiten. Ich habe sie korrigiert. Mehr dazu hier).

Und ich konnte nur sagen: Willkommen auf dem Boden des Jugendbuchautorenlebens. Einmal abgesehen davon, dass wir die Autoren sind, die in den Medien praktisch nicht existieren, unterscheidet sich unser Autorenleben auch sonst ziemlich von jenem der "Erwachsenenbuchautoren" oder - gar böse ausgedrückt - "richtigen" Autoren. Das beginnt schon mit dem Begriff. Ein Autor ist ein Autor. Nicht ein Erwachsenenbuchautor. Ausser er ist Jugendbuchautor. Dann ist er Jugendbuchautor. Eine Eigenschaft von Jugendbuchautoren (in der Schweiz): Sie lesen - sofern sie nicht berühmt sind - fast nur vor geschlossenem Publikum. In Schulklassen.

(Anmerkung: Ich habe dazu schon öfters gebloggt. Wir Jugendbuchautoren klemmen zwischen Stuhl und Bank. Erwachsene kommen nicht an unsere Lesungen, weil sie keine Jugendbücher lesen. Jugendliche kommen nicht freiwillig, weil das für sie nun einfach nicht zuoberst auf der Liste steht. Bei Kinderbuchatoren ist das etwas anderes: Da kommen die Eltern mit den Kindern. Aber das Jugendbuch: Das überlegt sich jede Buchhandlung und jede Bibliothek mehr als  zwei Mal. Es sei denn, der Jugendbuchautor schreibt nicht "nur" Jugendbücher, sondern auch Erwachsenenbücher.)

Wir lesen also vor Schulklassen. Entweder werden wir dazu privat eingeladen oder aber - was häufiger der Fall ist - wir nehmen an organisierten Lesungen teil. Das sind dann ganze Touren durch Kantone. Der Vorteil: Das sind ziemlich viele Lesungen am Stück. Der Nachteil: Das Honorar pro Lesung liegt in einem Bereich, in dem der "richtige" Autor sich nicht mal die Brille auf die Nase setzen würde. Der Jugendbuchautor schon. Der krempelt die Ärmel hoch und geht zu den Jungs und Mädels, die freiwillig keine Lesung besuchen würden. Er steht um fünf Uhr morgens auf, nimmt den Zug, trudelt irgendwann nach acht zur ersten Lesung ein, verlässt drei oder gar vier Lesungen später (alle zwischen 60 und 90 Minuten lang) die Schule wieder und fährt mit dem Zug nach Hause. Nicht erste Klasse, denn bezahlt ist die Reise in der 2. Klasse, mehr nicht. Wir werden auch meistens nicht am Bahnhof abgeholt, sondern rollen unser Rollkoffer oder tragen unsere Rucksäcke zu Fuss zum Schulhaus. Das ist unser Alltag.

Ja, es ist streng. Ja, danach ist man wirklich müde. Ja, manchmal fragt man sich, ob man nicht weniger Lesungen hätte annehmen sollen.

ABER!

Die Lesungen können so unendlich viel Freude und Spass machen. In fast 100% aller Fälle werde ich von einer netten Lehrperson empfangen, mit Kaffee grundversorgt und dann ins Schulzimmer / die Aula / die Bibliothek gebracht. Dort warten - je nach Schule - zwischen 15 und 80 Jugendliche auf mich. Meistens mit Fragen, die sie vorbereitet haben. Sie sind neugierig, offen und ehrlich. Sehr oft total interessiert. Ich stelle mich vor und beantworte Fragen. Meistens ist das eine entspannte, lustige Angelegenheit mit Lachern auf beiden Seiten. Dann lese ich vor.

Lesungen vor Jugendliche funktionieren nicht wie vor Erwachsenen. Wenn ich die Truppe vor mir langweile, bekomme ich das direkt zu spüren. Es wird unruhiger und lauter. Die Fragen, die gestellt werden, sind fadengerade. Nicht schön eingepackt. Eine Schulklasse, die dasitzt, weil die Schule einen Autor eingeladen hat, 60 bis 90 Minuten zu unterhalten, ist nicht dasselbe, wie ein erwachsenes Publikum bei Laune zu halten, das freiwillig da ist und - selbst wenn ihm die Lesung nicht gefällt - zu höflich, um sich auffällig zu benehmen.

All das mag ich. All das möchte ich nicht missen. All das gehört zu meinem Autorenalltag. Ich bewege mich hauptsächlich im Umfeld von Kinder- und Jugendbuchautoren. Die meisten sind uneitel, unzimperlich, praktisch, realistisch,  ... irgendwie Chrampfer im Dienst der Sache. Auch das mag ich. Wenn ich mich dann, ab und zu und zum Glück selten, in eine Gruppe mit Autoren von Erwachsenenbüchern verirre, dann fühle ich mich öfters im falschen Film. Und dann entstehen Blogeinträge wie dieser :-)

Nächste Woche ist Schreibwoche. Übernächste gehe ich wieder auf "Ochsentour". Ich freue mich darauf!

Samstag, 18. Januar 2014

Rückblick auf die erste Lesewoche des Jahres

  • 12 Lesungen in vier Tagen. 12 mal viel Freude und Spass, 12 Mal tolle Begegnungen, 12 Mal perfekte Betreuung. DANKE!
  • Die Frage, warum Schreibtische in Hotelzimmern stehen, wenn kein Licht darauf fällt und auch keine Lampe darauf steht. Nette Deko? Und was macht Frau Autorin mit so was?
  • Mitten im Lesetrubel Deadline zwei fast pünktlich geschafft (nur zwei Tage zu spät).
  • Ausgerechnet in dieser Zeit Mails bekommen, die eine schnelle Antwort erforderten - was mich für einmal überforderte.
  • Einmal mehr das Feedback: Jugendliche finden FB nicht mehr so prickelnd.
  • Viel Motivation, viel Energie, viel Freude auf das Jahr. 

Mittwoch, 15. Januar 2014

Nomadenleben II

Kommst nach der ersten Lesetourrunde um 13.50 Uhr in Buchs am Bahnhof an, einen schweren Rucksack auf dem Buckel und ein Rollköfferchen in der Hand. Gehst zur Busstation. Und merkst, dass du zwar in der aufstrebenden Stadt im Rheintal zu Hause bist ... aber die Busverbindungen von Hinterobertupfenhausen hast (nächster Bus 14.18 Uhr). Gehst zu Fuss nach Hause (20 Minuten - bist also trotz Gepäck schneller als der Bus) und überlegst dir, welche Farbe dein Auto haben wird, das du dir kaufen willst.

Unterwegs:

Zum ersten Mal Bekanntschaft gemacht mit den Ticketautomaten in Winterthur. Wollte nach Zürich Tiefenbrunnen. Habe aufgegeben, da ich nicht alle SBB-Fahrstrecken der Schweiz auswendig im Kopf habe. Habe mir ein Ticket an den HB gekauft und mir dort am Informationsschalter einen Kurs (samt Unterlagen) zum ÖV des Zürcher Verkehrsbundes geben lassen.
In Zürich in den Railjet (österreichischer Zug) gestiegen und zwei Mal geguckt, ob ich nicht aus Versehen in der ersten Klasse sitze. Sass ich nicht. Und der Kaffee kostete nicht CHF 5.90 wie im SBB-Starbucks Zugwagen, sondern CHF 3.00 und er war sagenhaft gut. Sahnehäubchen obendrauf: Der nette Herr, der mir den Kaffee verkauft hat.

Morgen früh um 6.15 Uhr fährt mein Zug in Richtung Wetzikon. Ich hätte heute im Hotel bleiben sollen ... Nächstes Mal bleibe ich die ganze Woche weg.

Aber sonst läuft alles prima. Tolle Klassen gestern und heute.

Montag, 13. Januar 2014

Nomadenleben

Am Dienstag beginnt mein Nomadenleben durch den Kanton Zürich. Statt wie üblich zwischen den Lesestationen nach Hause ins Rheintal zu fahren, schlafe ich - neue SBB-(Nicht)Verbindungen sei Undank - in verschiedenen Hotels. Der kleine Rollkoffer ist (fast) gepackt, der Rucksack auch. Das Gute an der Sache: Die Bücher befinden sich statt im Rucksack im Koffer. Ebenfalls im Gepäck sind mein Handtaschenmaschinchen (kleiner Laptop) und mein Manuskript. Ich bin nicht ganz fertig geworden und werde deshalb morgen unterwegs - falls der Zug nicht zu voll ist - und dann vor allem morgen im Hotel noch einmal so in den Text kriechen. Am Donnerstagmorgen will ich abgeben.

Wo ich anzutreffen bin, könnt ihr in rechts drüben in der Blogroll nachlesen. Die Fahrpläne sind ausgedruckt, die Google Maps auch, genau wie die Mails mit den Lehrkräften, in denen wir die Details zur Ankunftszeit und den Lesungen festgelegt haben.

Wenn ihr jetzt sagt: Könnte sie alles auf dem Tablet oder dem Smartphone auch haben, dann antworte ich: Will ich aber nicht. Ich mag das Papier. Und handgeschriebene Notizen. Mit im Gepäck sind deshalb auch meine Notizbücher zu Band 1 (dem Band, den ich fertig überarbeiten werde) und Band 3 (dem Band, den ich als nächstes schreiben werde). Dazu gehört eine gute alte Griffelschachtel mit Füllern und bunten Stiften. So gerne ich meine Buchtexte am PC schreibe: Der Rest ist Handarbeit. Weil ich das einfach mag.

Morgen um 5.45 Uhr fährt - neuer SBB Fahrplan sei Undank - mein Zug los. Aber vielleicht ist er ja wenigstens pünktlich :-) Und weil ich beschlossen habe, mich nie mehr von einem SBB-Fahrplan ärgern zu lassen, ist es eigentlich egal. Nennt mich Frau Gelassenheit. (vorläufig ...). 

Freitag, 10. Januar 2014

Aus den Tiefen des Manuskripts

Ich stecke tief in der Überarbeitung des lektorierten Manuskripts des ersten Bandes meiner vierteiligen Serie. Dabei hüpfe ich nicht einfach von (extrem brauchbarer) Amerkung zu (extrem brauchbarer) Anmerkung meiner Lektorin, sondern kämme mit dem ganz feinen Kamm noch einmal den ganzen Text durch. Und was ich da noch wieder alles finde! Manchmal ist es ein minutenlanges Ringen um einen einzigen Satz, eine einzige Formulierung, ein einziges Wort. Und weil der Text schon ein homogenes Gefüge war, als er ins Lektorat ging, muss ich auch prüfen, ob ich mit den Änderungen, die ich jetzt vornehme, nicht einen anderen Satz, eine andere Formulierung, ein anderes Wort tangiere. Ob ich nicht plötzlich Wiederholungen im Text habe, den ich vorher genau auf solche Wiederholungen durchgekämmt habe.

Weil ich mittlerweile auch Band 2 fertig und abgegeben habe, muss ich noch einmal genau prüfen, ob Band 1 noch zu Band 2 passt. Ob auch rückblickend von Band 2 aus alles seine Ordnung hat und in sich aufgeht. Und ich muss vorausschauen und mir überlegen, ob diese Geschehnisse in ihrer Logik auch mit den Folgebänden vereinbar sein könnten / werden.

All das braucht Zeit. Mehr als ich gedacht habe. Aber ich weigere mich, diesen Arbeitsgang zu beschleunigen. Er dauert, so lange er dauert. Und so lege ich mal wieder Abend- und Nachtschichten ein. Mit viel Kaffee. Jedoch hoch motiviert und bestens gelaunt.

So, und jetzt zurück an den Text  ...