Samstag, 21. Oktober 2023

Bitte lächeln - oder lieber nicht?

Irgendwann bevor mein erstes Buch erschien, fragte der Verlag nach Fotos. Ich hatte keine. Also, ich hatte schon, aber nicht von mir, sondern vor allem von den Kindern und von Landschaften, auf denen ab und zu auch ich zu sehen war, aber brauchbar waren die nicht. Das war der Moment, in dem mir klar wurde, dass ich offizielle Fotos benötigte. Gleichzeitig wurde mir ein wenig anders, denn ich mag es nicht, fotografiert zu werden. Zum Glück hatte ich einen wunderbaren Kollegen. Sein Beruf: Fotograf. "Scott", sagte ich zu ihm, "ich brauche Fotos." Scott ist Optimist. "Das bekommen wir hin", meinte er. 

Und so sass ich zum ersten Mal im Leben in einem Studio. Mit richtiger Beleuchtung, Hintergründen und allem, was so dazu gehört. Scott gab alles. Rückte meinen Kopf zurecht, mein Kinn nach oben, redete mir gut zu, drückte ab. Es war hoffnungslos. Die Bilder waren Schrott. Ihr kennt das: dieses gezwungene Lächeln, das nicht bis zu den Augen reicht, diese leichte Verlegenheit, diese Steife, diese Künstlichkeit.

Kurz vor (oder vielleicht auch während) dem Verzweifeln begannen wir rumzublödeln. Scott drückte den Auslöser. Es entstanden tonnenweise Ausschussbilder. Ich liebte sie. Weil sie echt waren. Am Ende landeten sie fast alle auf meiner Webseite. Schräg, doof, unvorteilhaft - und witzig. Die Webseite erstellte damals ein Schüler von mir, die Fotos waren von Scott, das Ganze wirkte ziemlich handgestrickt, aber mir wurde mehr als einmal gesagt, dass man von allen möglichen Autoren und Autorinnen auf einer Liste mich ausgewählt hatte - wegen der Fotos. Leider starb die Seite den Tod aller früheren Webseiten: zu statisch, zu sehr 1.0, zu wenig bedienerfreundlich. Die Startseite habe ich mir kopiert. Es ist das Bild ganz oben im Post (Ganz unten im Post findet ihr noch eine zweite Fotostrecke - die wirklich verrückten, die ich so sehr mag). Der Verlag bekam die offizielle Version, die mit dem künstlichen Lächeln, hihi. Dieses und ein zweites Bild waren jahrelang meine beiden offiziellen Fotos. 

Jetzt, 17 Jahre später wieder die Frage vom Verlag: Hast du Fotos? Ich habe eins oder zwei geschickt, beide nicht ganz so alt wie mein erstes offizielles Foto, aber halt schon ziemlich älter und auch ziemlich verbraucht. Also, nicht ich, sondern das Bild. Weshalb ich am nächsten Donnerstag einen Termin mit dem Profifotografen des Verlags habe. Und boah, habe ich einen Bammel davor. Ich bin zwar ein bisschen besser geworden in Sachen Posieren für Portraitfotos, hatte in der Zwischenzeit auch ein paar Termine bei einer tollen Fotografin, aber ich fühle mich immer noch viel zu wenig wohl. Mir macht es nichts aus, während Lesungen oder in Gesprächen fotografiert zu werden; diese Fotos sind selten perfekt, oft sind sie das pralle Leben mit all seinen Makeln und Schönheitsfehlern. Aber so hochoffiziell? Phuuu. Ich verrate euch was: Ich habe Schiss vor diesem Termin. Werde stundenlang überlegen, was ich anziehen soll. Ob ich lächeln soll. Oder lieber doch nicht. Vielleicht bleiben am Schluss ein paar brauchbare Fotos. Ich glaube, ich frage für mich persönlich dann nach den Ausschussfotos. Haltet mir bitte die Daumen, ja? Danke. Und lieber, mir noch unbekannter Fotograf: sei gnädig, habe Geduld mit mir ... und lass mich rumblödeln.

PS: Zum (tollen) Verlag und zum neuen Buch mehr in einem anderen Post.

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