Montag, 11. November 2019

Vom Fliegen oder Creative Minds and Open Hearts

Das erste Modul der IBK Künstlerbegegnung 2019 in Zürich im Mai war ... sagen wir mal ... durchzogen. Es gab Tolles, ganz Tolles, aber halt auch ein paar Dinge, die mich genervt haben. Zum Beispiel, dass ausgerechnet der Workshop über Storytelling in Computer Games, auf den ich mich so gefreut hatte, nett ausgedrückt, supotimal war.

Gut war aber, dass ich einen Platz in jener Gruppe fand, die genau das zu ihrer Projektarbeit machen wollte: kreatives Storytelling basierend auf einem Computer Game. YES!

Und deshalb ging im zweiten Modul Ende August so richtig die Post ab. Zwei Dinge waren schnell klar: Wir wollten "irgendwas" mit einem Walkthrough machen (ein Gamer/eine Gamerin spielt ein Spiel durch und kommentiert es), und wir wollten den Zufall unsere Bedingungen diktieren lassen.

So ging unsere Gruppe mit VertreterInnen aus den Bereichen Games, Schauspiel, Literatur, Musik, Dramaturgie im zweiten Modul in Uster während der Gruppenarbeitszeiten vor:
  1. Wir schauten uns verschiedene Walkthroughs an (laute, leise, ballernde, poetische usw) und jedes Gruppenmitglied wählte zwei davon aus.
  2. Schnell war klar: Wir liebten das Laute, damit wir als Kontrast dazu eine stille, poetische Geschichte erzählen konnten.
  3. Wir wählten einen Walkthrough zum Spiel "Titan Falls 2".
  4. Jeder von uns nannte zwei Zeiten. Zum Beispiel: 1 Minute 42 / 18 Minuten 33 usw.
  5. An jenen Stellen hielten wir den Walkthrough an (also zum Beispiel bei 1 Minute 42) und schnitten 60 Sekunden Film ab dann aus.
  6. Diese Filmsequenzen gaben wir noch einmal in den Zufallsgenerator, was die zeitliche Reihenfolge durcheinanderschüttelte. Beispiel: Die erste Sequenz sind die 60 Sekunden ab 18 Minuten 33, die zweite die 60 Sekunden ab 1 Minute 42 usw.
  7. So, wie der Zufall es bestimmt hatte, fügten wir die Szenen zusammen.
  8. Wir hatten das Ausgangsmaterial für die Story beisammen.
  9. Das Brainstormen begann. Wir entwickelten gemeinsam Ideen, verwarfen einige, verfolgten andere, kamen der Sache näher, bis Niko DIE zündende Idee hatte.
  10. Wir schrieben den Text.
  11. Wir überlegten, wie wir diesen Text über den Film legen könnten.
  12. Wir nahmen den Text auf.
  13. Unser Schneid- und Soundmaster Bernie mixte die erste Version.
  14. In der Feedbackrunde der Experten stellte sich dann heraus, dass wir Gruppenmitglieder den Sinn der Story verinnerlicht hatten, die Experten aber nicht wirklich verstanden, was wir hatten erzählen wollen. Das beirrte uns in keiner Weise, weil WIR schon am Ende des zweiten Moduls völlig hinter unserem Kurzfilm standen und a) daran wahnsinnig Freude hatten und b) darauf wahnsinnig stolz waren.
  15. Am Ende des zweiten Tages waren hatten wir auch unseren definitiven Gruppennamen: Gruppe CEHN.
Zwischen dem zweiten und dritten Modul zeigten wir den Film verschiedenen Testpersonen und es stellte sich heraus: Die Geschichte, die wir erzählten, war tatsächlich nicht einfach zu verstehen. Wir waren uns daher einig, dass wir im dritten Modul noch an der Geschichte und den Aufnahmen feilen mussten.

Im dritten Modul trafen wir uns in Winterthur. Uns blieb nicht viel Zeit, denn die Stadt steckte im Filmfestivalfieber und wir waren Teil davon. Wir lernten, worauf es beim Pitchen ankommt. Das sollten wir in den sogenannten Market Meetings (eine Art Speedating zwischen Filmemachern und Produzenten / Filmfestivalvertetern) gleich auch mit unseren Produkten ausprobieren.

Vor und nach den Market Meetings knieten wir uns so richtig rein. 
  1. Wir überlegten, wie wir mit rein visuellen und akustischen Mitteln mehr Klarheit in die Geschichte bringen konnten. 
  2. Wir nahmen neuen Ton auf, unter anderem mit zwei Mädchen, die eigentlich in den Ballettunterricht wollten, sich dann aber bereit erklärten - zusammen mit ihrem Papa - für unseren Film ein paar Sätze zu sprechen. (Es sei erwähnt, dass diese Stimmen sehr gut wirken und vieles klarer machen.)
  3. Gleichzeitig schrieben wir für die Kontakte aus den Market Meetings einen One Pager (eine Zusammenfassung unseres Projekts auf einer Seite, graphisch genial aufgegleist von unserer Game Designerin Tabea).
  4. Ebenfalls gleichzeitig übten Niko, Petra-Leonie und Corinne unsere Präsentation für den Samstag ein.
  5. Bis spät am Abend war offen, ob wir im zweiten Teil mehr Text reinbringen wollten - oder halt eben nicht. Erst um 22.30 Uhr fielen die letzten Entscheide.
  6. Unser Film Highscore war fertig.
Am Samstagmorgen ging es nach einem Workshop über digitales Storytelling und wie man es an die Zielgruppe bringt erst etwas essen und dann ins Kino, wo unsere Gruppenprojekte vorgestellt werden sollten. Die Generalprobe war dann eher chaotisch, weil die Technik nicht so wollte, wie einige der Gruppen sie brauchten.

Und dann ging's los. Unsere Gruppe CEHN war als vierte dran. Tolle Präsentation. Totenstille nach dem Film im Kino (was uns zeigte, dass er gewirkt hatte), Komplimente, Freude, Erleichterung, noch mehr Freude.

Es war wie fliegen. Und es hielt an. Nach einem letzten Zusammensein und einem etwas wehmütigen Abschied stieg ich in den Zug und flog nach Hause.

v.l.n.r.: Tabea Iseli, Nikola Merkas, Ich, Bernhard Belej, Petra-Leonie Pichler, Corinne Soland

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