Sonntag, 27. Februar 2022

Vom Mut und was er mit Blumen zu tun hat


Gestern habe ich von einer ukrainischen Frau gelesen, die eigentlich am Samstag (also gestern) Tulpen pflanzen wollte im Garten. Jetzt hängt um ihre Schulter ein schweres Gewehr, sie ist bereit zu kämpfen. Blumen pflanzen könne sie auch nächsten Samstag.

Ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr ich diese Frau bewundere. Oder jene Frau, die einem russischen Soldaten Sonnenblumenkerne in die Hand drückt. Er solle sie in seine Hosentaschen stecken, denn wenn er tot und begraben sei, sollen dort Blumen wachsen.

Ich würde diesen mutigen Menschen gerne Blumen schicken. Und mit den Blumen Zuversicht, aber ich ahne, dass sie eine ganze Weile keine Zeit für Blumen haben werden und das bricht mir das Herz.

Der Mut der Menschen in der Ukraine führt mich zu Gedanken, die ich so noch nie hatte. Ich frage mich, wie mutig ich wäre. Was ich tun würde. Bis vor kurzem hätte ich gesagt: Fliehen, einfach nur fliehen. Weg vom Krieg, raus aus dem Elend. Heute bin ich nicht mehr sicher. Ich glaube, denke und hoffe, dass ich bleiben würde. Dass ich den Mut hätte, mich diesem Feind zu stellen, im Wissen darum, dass es mein Leben kosten könnte und wahrscheinlich auch würde. Ich merke, wie sich etwas in mir verschiebt. Ich beginne mich zu fragen, wo die rote Linie liegt, bei der ich sagen würde: Ich bleibe. Zu jedem Preis.

Die meisten von uns haben das Glück, dass wir uns diese Frage nie stellen mussten, denn wir sind im Frieden und mit friedlichen Nachbarn aufgewachsen. In einer Demokratie, in der zwar ab und an etwas gewaltig nervt, aber nichts wirklich tödlich ist. Das ist ein wahnsinniges Privileg und ein noch viel wahnsinnigeres Glück. 

Die Frau in Kiew, die einfach nur ihre Tulpen pflanzen wollte, wurde jäh (aber nicht unerwartet) aus ihrem normalen Leben hinauskatapultiert. Von jetzt auf sofort. Sie stellt sich ihrem neuen Leben in einer für mich fast unvorstellbaren Konsequenz. Ich ging heute durch meinen Garten und fragte mich, ob ich das auch tun würde oder könnte. Ob ich diesen Mut hätte. Und was daraus wachsen würde.
 

Freitag, 25. Februar 2022

80 %


80% der russischen Rohstoffe werden über die Schweiz gehandelt. Gemäss meiner Tageszeitung ist die Schweiz die grösste Empfängerin von Geldtransfers russischer Personen. An der PK von gestern fand unser Herr Bundespräsident Cassis stellvertretend für seine Bundesratskolleg*innen nebst vielen schönen Worten (dunkle Stunde blablabla .. ) sogar ein paar strenge Worte in Richtung Russland, ich glaube, er hat sogar mit der Stirn gerunzelt. Damit hatte es sich dann aber auch schon. Ja richtig. Es hatte sich schon. Sanktionen? Dürfen andere ja gerne und wir sorgen auch gerne dafür, dass sie von anderen nicht umgangen werden, aber wir, na ja, es ist so ... neutral ... blablablablabla.

Es gibt so Tage im Leben, da schämst du dich abgrundtief für deine Nationalität, auch wenn du ja nichts dafür kannst, dass sie deine ist. Reiner Zufall. Ich könnte auch das Pech gehabt haben, in der Ukraine geboren zu sein. Dann könnte ich mir mit den Worten von Herrn Bundespräsident grad gar nichts kaufen - schon gar nicht würden sie mir und meinen Lieben und meinen Mitmenschen helfen.

Heute ist einer dieser Tage an denen ich an der Welt und der Schweiz verzweifle.
 

Mittwoch, 23. Februar 2022

Wie aus Frau Chaotin eine Frau Planerin wurde

Planung ist das halbe Leben - und mehr. Sagt ausgerechnet und genau Frau Chaotin (ich). Im Ernst: Mir hilft nun schon seit ein paar Jahren mein Bullet Journal, Ordnung in mein Berufsleben zu bringen. So alle paar Monate ändere ich mein Design. Für den Frühling suchte ich etwas Leichtes, Fluffiges - und gleichzeitig wollte ich es wieder einmal mit Trackern versuchen.

Da sind einmal meine Habit Tracker (Gewohnheitstracker), die mir helfen, meinem Körper Sorge zu tragen. Und dann ist im März ganz prominent auch ein Schreibtracker dabei. Die ersten beiden Monate des Jahres gehörten fast ausschliesslich dem da bux Verlag, auch im März steht in Sachen da bux noch viel Arbeit an, aber ich werde zudem wieder etwas mehr Zeit zum Schreiben haben.

Gleich nach den Wochenblättern folgt dann das, was ich Schwerpunktblätter nenne, also spezielle Seiten für die Arbeiten, denen im jeweiligen Monat mein Fokus gilt. Da bleibe ich bei meinen bewährten Strukturen.

Mir hilft mein Bullet Journal, jederzeit die Übersicht über meine Projekte zu haben. So verliere ich nichts aus den Augen, habe die Deadlines im Blick und kann die täglichen To-Do-Listen immer auf die aktuell wichtigen und drängenden Arbeiten ausrichten.

Zusätzlich zum Bullet Journal hängt an der Pinwand neben dem Computerbildschirm der Produktionsplan für die Edition 7 des da bux Verlags. Ich kann also mit gutem Recht behaupten, dass ich noch nie im Leben so organisiert war wie jetzt. Und weil mir dabei trotz dieser oder gerade wegen dieser Planung genug Freiräume für den Garten, das DIY, das Einrichten, das Wände anstreichen und das Träumen bleiben, fühle ich mich in meinem Leben gerade so richtig wohl.

Mittwoch, 16. Februar 2022

Von Kieswerken, vom Plattmachen und von Normen


Die Rückmeldungen zu meinen Lesungen in Bad Ragaz haben eine ganze Gedankenkette bei mir ausgelöst. Sie führte zu den Kieswerken, von dort zur Frage, warum ich sie so mag. Was es für mich bedeutet, dass sie ab- und rückgebaut und durch oberlangweilige, charakterlose, normierte Türme ersetzt werden, die einfach hoch sind und sonst nichts. Von dort schleuderte es mich direkt in die Buchser Schrebergärten, die ja auch nicht mehr in die heutigen Normen passen. Irgendwo auf dieser wilden Gedankenreise ging mir auf, dass es mit Büchern ähnlich ist. Ich sag's mal so: Für etwas sperrige, ungenormte Gebäude und Bücher und Menschen wie mich sind die Zeiten nicht ganz einfach. Anders gesagt: Ich bleibe Kieswerk. Mehr dazu in meiner heutigen YA!-Kolumne auf Qultur.

Mittwoch, 2. Februar 2022

Ingeborg Rotach - wiederentdeckt

2022 wird auch ein wenig zu meinem ganz persönlichen Frauenliteraturjahr. Auslöser ist das Buch FRAUEN LITERATUR von Nicole Seifert mit dem - leider passenden - Untertitel "abgewertet, vergessen, wiederentdeckt", ein Buch, das ich aus vollem Herzen empfehle, auch wenn das Lesen zuweilen richtig heftig wehtut und frau vor Wut schon mal in den Tisch beissen könnte.

Es zeigt, wie schreibende Frauen oft abgewertet wurden (und zum Teil immer noch werden), wie man sie ins Vergessen geschwiegen hat - aber auch, wie man sie nun wiederentdeckt. Wer mehr dazu wissen möchte, lese meine YA!-Kolume vom 5. Januar 22.

Eine Autorin, die eine Wiederentdeckung und die damit verbundene Anerkennung und Wertschätzung mehr als nur verdient, ist Ingeborg Rotach. Sie gehört zu den Pionierinnen des neuen Kinder- und Jugendbuchs, überzeugt durch eine unaufdringlich nüchterne Erzähltsimme und eine Themenwahl, mit der sie ihrer Zeit öfters voraus war. 1988 wurde sie mit dem Schweizer Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Jetzt, 2022, steht sie auf der Nominationsliste zum Astrid Lindgren Memorial Award. Mich freut das wahnsinnig. Zeit also, sie in einer YA-Kolumne zu würdigen.