Gestern
habe ich von einer ukrainischen Frau gelesen, die eigentlich am Samstag
(also gestern) Tulpen pflanzen wollte im Garten. Jetzt hängt um ihre
Schulter ein schweres Gewehr, sie ist bereit zu kämpfen. Blumen pflanzen
könne sie auch nächsten Samstag.
Ich kann gar nicht ausdrücken,
wie sehr ich diese Frau bewundere. Oder jene Frau, die einem russischen
Soldaten Sonnenblumenkerne in die Hand drückt. Er solle sie in seine
Hosentaschen stecken, denn wenn er tot und begraben sei, sollen dort
Blumen wachsen.
Ich würde diesen mutigen Menschen gerne Blumen
schicken. Und mit den Blumen Zuversicht, aber ich ahne, dass sie eine
ganze Weile keine Zeit für Blumen haben werden und das bricht mir das
Herz.
Der Mut der Menschen in der Ukraine führt mich zu Gedanken, die ich so noch nie hatte. Ich frage mich, wie mutig ich wäre. Was ich tun würde. Bis vor kurzem hätte ich gesagt: Fliehen, einfach nur fliehen. Weg vom Krieg, raus aus dem Elend. Heute bin ich nicht mehr sicher. Ich glaube, denke und hoffe, dass ich bleiben würde. Dass ich den Mut hätte, mich diesem Feind zu stellen, im Wissen darum, dass es mein Leben kosten könnte und wahrscheinlich auch würde. Ich merke, wie sich etwas in mir verschiebt. Ich beginne mich zu fragen, wo die rote Linie liegt, bei der ich sagen würde: Ich bleibe. Zu jedem Preis.
Die meisten von uns haben das Glück, dass wir uns diese Frage nie stellen mussten, denn wir sind im Frieden und mit friedlichen Nachbarn aufgewachsen. In einer Demokratie, in der zwar ab und an etwas gewaltig nervt, aber nichts wirklich tödlich ist. Das ist ein wahnsinniges Privileg und ein noch viel wahnsinnigeres Glück.
Die Frau in Kiew, die einfach nur ihre Tulpen pflanzen wollte, wurde jäh (aber nicht unerwartet) aus ihrem normalen Leben hinauskatapultiert. Von jetzt auf sofort. Sie stellt sich ihrem neuen Leben in einer für mich fast unvorstellbaren Konsequenz. Ich ging heute durch meinen Garten und fragte mich, ob ich das auch tun würde oder könnte. Ob ich diesen Mut hätte. Und was daraus wachsen würde.