Das mit den Zufällen ist so eine Sache ...
Manchmal werden sie mir unheimlich. Heute zum Beispiel. Ich fand es wieder einmal an der Zeit, ein paar meiner 81 Fragen zu beantworten. Also schaute ich nach, bei welcher ich stehen geblieben war (48) und öffnete die nächste Frage auf der Liste.
Im Spital in Walenstadt (Kanton SG / CH).
Dort liegt auch Jay aus Schlechte Karten, nachdem er von zwei Typen angegriffen und verletzt wurde. Womit wir schon beinahe beim Zufall sind, denn an und für sich ist es nichts Aussergewöhnliches für eine Autorin, ihre Figur ins Krankenhaus zu schreiben, in dem sie geboren wurde. Der Zufall liegt im Zeitpunkt. Mein Verlag teilte mir kürzlich mit, dass die erste Auflage zur Neige geht und dass das Buch nicht neu aufgelegt wird. Ich habe gewusst, dass dieser Zeitpunkt kommen würde, denn das Buch verkaufte sich zwar bis zum Schluss regelmässig, aber halt nicht in den Mengen, die es für eine zweite Auflage wohl brauchen würde.
Ich erinnere mich, wie ich genau wusste, wie die Landschaft aussehen muss, in der die Geschichte spielt. Für den Anfang von "Schlechte Karten" brauchte ich einen Bahnhof, der ausserhalb des Ortes liegt, einen Kanal zwischen Bahnhof und Ort, und der Ort musste ein Dorf sein, keine Stadt. Wochenlang habe ich nach so etwas gesucht, bis ich auf Weesen kam, den Ort am einen Ende des Walensees. Am anderen Ende liegt Walenstadt. Dorthin, wo der verletzte Jay gebracht wird.
"Schlechte Karten" sollte eine Liebesgeschichte werden zwischen zwei Menschen, die sich normalerweise nicht einmal über den Weg laufen. Den Kanal brauchte ich, damit sich die beiden kennenlernen können. Das hat auch bestens (und sehr dramatisch) geklappt. Nur ist die Geschichte dann halt ein Krimi geworden - weil ich nicht zur Liebesgeschichtenautorin geboren bin. Die Liebe ist trotzdem im Buch. Und wie. Aber halt einfach nicht romantisch, sondern so verknorzt und kompliziert, wie sie im richtigen Leben ist.
Im richtigen Leben haben Bücher eine Lebenszeit. Die von "Schlechte Karten" läuft ab*. Zum Abschied eine Szene aus dem Krankenhaus in Walenstadt:
"Hab dir was zum Anziehen mitgebracht." Sarah stellte eine Tasche
neben sein Bett. "Darf ich mich setzen?" Ohne eine Antwort
abzuwarten, zog sie einen Stuhl heran. "Wie geht es dir?"
Jay hustete den Kloß in seinem Hals weg. "Ich lebe noch."
"Freut mich. Gestern hat es weniger gut ausgesehen." Nun war sie es,
die den Blick senkte und nach Worten rang. "Ich hatte keine Wahl, ich
musste den Arzt rufen."
"Du ... Du warst da?" Jay dachte an sein schäbiges Zimmer, an die
Zeichnungen auf dem Tisch, an seine dauerbetrunkene Mutter. Es war beinahe
unerträglich, Sarah anzusehen und sich vorzustellen, was sie fühlte. Mitleid?
Verachtung? Er wollte keins von beidem. "Es ist besser, wenn du
gehst", sagte er.
Sie schwieg. Schaute aus dem Fenster, als ob es draußen etwas Interessantes zu
sehen gab. Dabei war da nur Nebel. Zum ersten Mal bemerkte er, wie lang ihre
Wimpern waren. Er brauchte nur seine Hand auszustrecken und er könnte sie
berühren. Ihr Gesicht, das rot angelaufen war, ihre dunklen Haare, die
aussahen, als würden sie sich ganz weich anfühlen. Er tat es nicht.
"Warum?", fragte sie schließlich. "Hast du Angst, ich könnte
dich fragen, wie du dich verletzt hast?"
Ja, das hatte er. Aber das brauchte sie nicht zu wissen. "Ist sowieso
egal", sagte er harsch.
"Nein, ist es nicht. Ich will es verstehen.
"Ach ja? Was gibt es da zu verstehen?", schleuderte er ihr entgegen.
"Du warst in unserem Haus. In meinem Zimmer. Du hast dir das volle Programm
angeschaut, die ganze Scheiße. Und ich vermute mal, dass du deine Schlüsse
daraus gezogen hast." Auch aus den Zeichnungen und dem Namen, den er ihrer
Figur gegeben hatte. Supergirl. Wie in dem Song, den er so mochte. Bestimmt
hatte sie das genauso lachhaft gefunden wie Luca. Jay hätte sich am liebsten
unter die Decke verkrochen.
"Hör auf", bat sie ihn leise.
Er wollte nicht aufhören. Es gab da ein paar Dinge, die er auch verstand.
"Warum besuchst du mich? Steht diese Woche Sozialarbeit auf deiner Agenda?
Oder macht es einfach Spaß, sich um einen abgedrehten Freak zu kümmern?"
Sarah sah ihn fassungslos an. Dann stand sie auf, stieß den Stuhl heftig
beiseite und rannte aus dem Zimmer. Ungefähr dreißig Sekunden lang war Jay
überzeugt, richtig gehandelt zu haben. Dann stürzte die Wahrheit heftig und
schmerzhaft auf ihn herab. Das Zimmer war leer ohne sie. Viel zu leer. Sein
Herz schlug zu schnell. Viel zu schnell. Ja, sie hatte das ganze Elend gesehen.
Und sie war gekommen. Trotz allem. Er war ein Idiot. Ein totaler Riesenidiot.
Jay klettere aus dem Bett, schaffte es irgendwie bis zur Tür und riss sie auf.
Der Flur war leer.
"Sarah!", rief er verzweifelt. "Sarah!"
*vorläufig. Ich denke ernsthaft darüber nach, das Buch zu überarbeiten und als eBook und allenfalls auch gedruckt herauszugeben.
Mittwoch, 27. Februar 2013
Dienstag, 26. Februar 2013
Was hilft, wenn es klemmt
Wenn es - wie gestern - so richtig klemmt, dann habe ich eine Methode, die ziemlich gut funktioniert: Ich stelle mir das sogenannte Worst Case Szenario vor, also, den schlimmsten Fall, der eintreffen kann. Dann lebe ich diesen Zustand in Gedanken, bis ich mich mit ihm so richtig vertraut gemacht habe. Ich lasse die Angst zu, die Ungewissheit, den Ärger, die Wut, die Resignation und stelle mir einfach vor, was ich machen würde, wenn ...
Nach einer Weile gewöhne ich mich an diesen "schlimmsten aller Fälle" und beginne, den Ausweg daraus zu suchen, denn in diesem Zustand feststecken bleiben will ich ja nicht. Ich spiele die Möglichkeiten in Gedanken durch. Das öffnet Türen. Das zeigt mir ganz neue Perspektiven. Vor allem zeigt es mir, dass auch dieser schlimmste Fall durchlebt, durchstanden und überwunden werden kann.
Manchmal brauche ich dazu länger (im schlimmsten Fall waren es Monate), manchmal weniger lang. Ich verlasse diese Durchspielphase erst, wenn ich weiss, dass ich nicht einfach in Zweckoptimismus verfallen bin, sondern erst, wenn ich sicher bin, dass ich mich damit nicht selber überlisten will, dass ich die gedanklich durchgespielten Lösungen auch ganz real umsetzen könnte und wollte. (Selbstüberlistung hilft NIE!)
Gestern habe ich das schreibenderweise getan. Ich habe ziemlich heftig mit einer guten Schreibkollegin gemailt und gleichzeitig die Möglichkeiten im Schreibforum für Kinder- und Jugendbuchautoren durchgespielt. Dabei suchte ich keinen Trost (der hilft nicht immer, zumindest mir nicht), sondern einfach nur gute Argumente und Gegenargumente. Am frühen Nachmittag ging es mir blendend. Ich setzte mich an den Laptop, obwohl ich gestern gar nicht schreiben wollte und ...
... schrieb eines der besten Kapitel des neuen Buches :-)
Ich danke allen Beteiligten von gestern recht herzlich!
Nach einer Weile gewöhne ich mich an diesen "schlimmsten aller Fälle" und beginne, den Ausweg daraus zu suchen, denn in diesem Zustand feststecken bleiben will ich ja nicht. Ich spiele die Möglichkeiten in Gedanken durch. Das öffnet Türen. Das zeigt mir ganz neue Perspektiven. Vor allem zeigt es mir, dass auch dieser schlimmste Fall durchlebt, durchstanden und überwunden werden kann.
Manchmal brauche ich dazu länger (im schlimmsten Fall waren es Monate), manchmal weniger lang. Ich verlasse diese Durchspielphase erst, wenn ich weiss, dass ich nicht einfach in Zweckoptimismus verfallen bin, sondern erst, wenn ich sicher bin, dass ich mich damit nicht selber überlisten will, dass ich die gedanklich durchgespielten Lösungen auch ganz real umsetzen könnte und wollte. (Selbstüberlistung hilft NIE!)
Gestern habe ich das schreibenderweise getan. Ich habe ziemlich heftig mit einer guten Schreibkollegin gemailt und gleichzeitig die Möglichkeiten im Schreibforum für Kinder- und Jugendbuchautoren durchgespielt. Dabei suchte ich keinen Trost (der hilft nicht immer, zumindest mir nicht), sondern einfach nur gute Argumente und Gegenargumente. Am frühen Nachmittag ging es mir blendend. Ich setzte mich an den Laptop, obwohl ich gestern gar nicht schreiben wollte und ...
... schrieb eines der besten Kapitel des neuen Buches :-)
Ich danke allen Beteiligten von gestern recht herzlich!
Montag, 25. Februar 2013
Es klemmt
Nein, ich habe keine Schreibblockade. Weil ich nicht glaube, dass es Schreibblockaden gibt. Aber es klemmt. Das hat nichts mit der Reise ins Wallis zu tun, die war nämlich klasse. Ich habe sogar geschrieben, auf der Hin- und auf der Rückfahrt, im Hotel, in der Schulbibliothek (eine Stunde lang und danach hatte ich drei oder vier unbrauchbare Zeilen - was nicht an der Bibliothek lag, sondern an mir).
Vielleicht klemmt es, weil ich beim Nachhausekommen eine Mail im Briefkasten hatte, in der mir mitgeteilt wurde, welche meiner Titel bald einmal vergriffen sind. Dazu gehört auch einer, aus dem ich immer noch regelmässig vorlese und von dem mir eigentlich gesagt wurde, er werde nachgedruckt. Ich werde in Kürze mit einer fast um die Hälfte verringerten Buchliste dastehen. Das ist normal und gehört zum Geschäft, aber motivierend ist es trotzdem nicht.
Vielleicht klemmt es auch ein wenig, weil ich zwar extrem gerne Lesungen mache, aber ich je länger je mehr Mühe mit den Anfahrten habe. Ich habe stundenlang über SBB-Fahrplänen gebrütet und dann entschieden, mit auf der Aargauer Lesung Hotels zu nehmen. Das macht die Sache zwar einfacher, aber immer noch nicht gut.
Vielleicht klemmt es auch deshalb ein wenig. Ja, so ist sie, die Verlagswelt, und ja, ich habe mich daran gewöhnt. Was nicht heisst, dass mich ab und zu die totale Unlust überfällt und ich mir immer öfter überlege, ob ich meine Bücher nicht einfach selber machen soll.
Vielleicht ebbt aber auch einfach eine Welle ab und ich bin im Zwischental. Obwohl ich mit dem Schreiben Vollgas geben sollte. So sehr, dass ich gestern eine Anfrage für eine neuntägige Lesereise (schweren Herzens) absagen musste.
Und vielleicht ist einfach zu lange Winter, dieses Jahr.
Vielleicht klemmt es, weil ich beim Nachhausekommen eine Mail im Briefkasten hatte, in der mir mitgeteilt wurde, welche meiner Titel bald einmal vergriffen sind. Dazu gehört auch einer, aus dem ich immer noch regelmässig vorlese und von dem mir eigentlich gesagt wurde, er werde nachgedruckt. Ich werde in Kürze mit einer fast um die Hälfte verringerten Buchliste dastehen. Das ist normal und gehört zum Geschäft, aber motivierend ist es trotzdem nicht.
Vielleicht klemmt es auch ein wenig, weil ich zwar extrem gerne Lesungen mache, aber ich je länger je mehr Mühe mit den Anfahrten habe. Ich habe stundenlang über SBB-Fahrplänen gebrütet und dann entschieden, mit auf der Aargauer Lesung Hotels zu nehmen. Das macht die Sache zwar einfacher, aber immer noch nicht gut.
Vielleicht klemmt es auch deshalb ein wenig. Ja, so ist sie, die Verlagswelt, und ja, ich habe mich daran gewöhnt. Was nicht heisst, dass mich ab und zu die totale Unlust überfällt und ich mir immer öfter überlege, ob ich meine Bücher nicht einfach selber machen soll.
Vielleicht ebbt aber auch einfach eine Welle ab und ich bin im Zwischental. Obwohl ich mit dem Schreiben Vollgas geben sollte. So sehr, dass ich gestern eine Anfrage für eine neuntägige Lesereise (schweren Herzens) absagen musste.
Und vielleicht ist einfach zu lange Winter, dieses Jahr.
Mittwoch, 20. Februar 2013
Wo ich gerade bin
Ich sitze an meinem Schreibtisch. Draussen schneit's. Ich glaube, dieser Winter geht nie vorbei. Wenn ich dann nachher in mein Manuskript eintauche, bin ich auf der Isle of Skye in Schottland. Nach dem Mittag setze ich mich in den Zug und fahre ein Mal durch die ganze Schweiz ins Wallis, nach Naters, wo ich die nächsten drei Nächte und zwei Tage verbringen werde - mit Lesungen und Workshops. Die Fahrt dauert vier Stunden. Das ist viel Zeit zum Schreiben. Während draussen eine kalte Winterschweiz an mir vorbeizieht, flüchte ich in Gedanken zusammen mit meinen Figuren hierher:
Dienstag, 19. Februar 2013
Schreiborte
Ich schreibe an vielen Orten. Letztes Jahr in Irland an zwei besonders schönen. An die denke ich gerade mit Wehmut ...
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