Dienstag, 7. Februar 2012

Die 7 Todsünden

Anschnallen! Hier kommt der Trailer zum neuen Buch von Autorenkollege Stephan Sigg. Das Buch dazu gibt's im Buchladen deiner Wahl.

Montag, 6. Februar 2012

Nein zur Buchpreisbindung

Sie sind verlockend, die Wunschvorstellungen, die mit einer erneuten Einführung der Buchpreisbindung einher gehen: Ein Nährboden für Schweizer AutorInnen soll die Buchpreisbindung werden, das Kulturgut Buch soll gefördert werden, den kleinen, unabhängigen Buchhandlungen soll die Buchpreisbindung eine Existenz ermöglichen. Eigentlich kann man da nur Ja dazu sagen. Oder?

Der erste grosse Hammer liegt im neuen Gesetzestext für die Buchpreisbindung:

Dieses Gesetz regelt die Preise von ungebrauchten und mängelfreien Büchern in den
Schweizer Landessprachen, die:
a. in der Schweiz verlegt werden;
b. gewerbsmässig in die Schweiz eingeführt werden; oder
c. in der Schweiz gehandelt werden.


Wer immer diesen Text zu verantworten hat, hat nicht aufgepasst. Wenn ich bei Amazon oder sonst einem Onlinebuchhändler aus Deutschland ein Buch bestelle, bestelle ich das nicht zum gewerbsmässigen Gebrauch, sondern zu meinem Privatgebrauch. Kurz: Die Buchpreisbindung gilt im Online-Handel für Privatpersonen nicht. Somit kann ich als Privatperson Bücher über den deutschen Online-Handel sehr viel billiger kaufen. Mehrere grosse Schweizer Buchhandelsketten sind darauf vorbereitet - sie haben ihre Online-Plattformen in Deutschland. Kleine Buchläden nicht. Sollte das Buchpreisbindungsgesetz für den Online-Handel mit dem Ausland nicht gelten, sind es die kleinen, unabhängigen Buchhandlungen, die als erste massiv unter Druck geraten.

Schweizer Autoren haben in den meisten grossen und kleinen Buchhandlungen ihren Nischenplatz. Mehr nicht. Weil Buchhandlungen Geld verdienen wollen und vor allem müssen. Der Lyriker aus Hintertupfenhausen und die Jugendbuchschriftstellerin aus der Ostschweizer Pampa sind nun einmal zu wenig gefragt, um ins Sortiment aufgenommen zu werden - von Buchstapeln reden wir schon gar nicht. Was die kleine Buchhandlung kann: Mehr Sachwissen anbieten und die vom Kunden gewünschten Bücher von Schweizer Autoren auf Wunsch bestellen (das geht auch heute: sehr schnell und sehr effizient). Das war in der Vergangenheit so und wird auch in Zukunft so sein. Ausser eine Buchhandlung spezialisiert sich auf Schweizer AutorInnen, was sie heute schon kann. Denn: Dem Schweizer ist seine Kultur trotz allem etwas wert. Er weiss, dass Schweizer Verlage nicht zu denselben Konditionen produzieren und verkaufen können wie Grossverlage aus dem Ausland. Um ein "Nährboden für Schweizer Autoren" zu sein, brauchen die Buchhandlungen keine Buchpreisbindung. Abgesehen davon: Dieses Bild vom alternativen Kleinbuchhandel, der Raritäten und Preziosen führt, ist zwar schön, aber seien wir ehrlich: Nicht jede Kleinbuchhandlung ist automatisch solch ein Wunschgeschäft. So, wie nicht jeder Schweizer Autor Kulturgüter für die Unendlichkeit schreibt, sondern schlicht und einfach mal gute und mal weniger gute Unterhaltung produziert, wie sie seine ausländischen Kollegen und Kolleginnen auch produzieren. Wenn man das tut, muss man sich mit der grossen Masse vergleichen lassen. Das gehört zum Beruf Autor dazu. Wenn ich dann auch noch lese, dass der Schweizer Autor so etwas wie Artenschutz braucht, komme ich mir vor wie im Zoo. Ich will keinen Artenschutz. Genauso, wie ich keine Frauenquoten will. Ich will bessere Rahmenbedingungen - und zwar solche, die mir eine Buchpreisbindung nicht bietet.

Zur versprochenen generellen Preissenkung nach der Wiedereinführung der Buchpreisbindung: Ich höre die Worte und glaube sie nicht mehr. Wir Deutschschweizer hatten lange eine Buchpreisbindung. Wer damals die Franken-Preisschilder vom Buch zog und darunter die Euro-Preise sah, der erlebte seine Furstmomente. Dieser Frust über überhöhte Preise führte unter anderem zur Abschaffung der Buchpreisbindung. Doch, ja, Schweizer sind bereit, etwas mehr für ein Produkt zu bezahlen, aber dort, wo es ausartet und man sich nur noch übervorteilt vorkommt, beginnt die Wut. Und der Blick in den Online-Buchladen.

Aber, so verspricht uns die Pro-Kampagne: Der Preisüberwacher kontrolliert die Preisentwicklung! ("Sollte ein Verlag einen unverhältnismässigen Preis festsetzen, ist der Preisüberwacher zur Stelle"). Da bin ich dann mal gespannt. Seit Monaten werden uns in der Schweiz ausländische Magazine zu massiv überhöhten Preisen verkauft (Bsp: In Deutschland kosten sie 4.95 Euro und in der Schweiz dann 10.00 Franken). Der Preisüberwacher hat reklamiert. Worauf ihn die deutschen Verlage herzhaft belächelt haben. Und bei den Büchern soll das dann plötzlich anders sein? Mir fehlt der Glaube und die Hoffung.

Kommt dazu: Die Buchpreisbindung kämpft um eine Buchwelt, die es so nicht mehr gibt. Die Buchbranche steht in einem riesigen Umbruch. War es schon früher hart, sich in dieser Branche zu behaupten, so ist es heute noch viel härter. Die Konzentration auf Bestseller hat auch in Ländern begonnen, in denen es eine Buchpreisbindung gibt. Das E-Book stellt uns vor neue Herausforderungen. Ganz zu schweigen vom Internet, das Möglichkeiten bietet, die wir nie zuvor hatten.

Und damit komme ich zu den Rahmenbedingungen: In einer Welt, in der das Buch nichts wert ist, nützt der Artenschutz nichts. Es ist sinnlos, vom Kulturgut Buch zu reden und gleichzeitig zu erwarten, dass ein Buch nicht mehr kosten darf als ein Drink an der Bar / zwei Cappuccinos im Café / eine grosse heisse Schokolade bei Starbucks uws. Es ist sinnlos, von Schweizer Kulturgut zu reden, wenn Tageszeitungen nur noch Bestseller oder die ewig gleichen paar Schweizer Autoren besprechen und interviewen (löbliche Ausnahmen: Die Lokalzeitungen). Es ist sinnlos, uns vorzugaukeln, kleine, unabhängige Buchläden können dank der Buchpreisbindung überleben. Zum Überleben brauchen sie Kunden, überzeugte Kunden, interessierte Kunden. Es wird immer Kunden geben, die man nur über den Preis anspricht. Und dann gibt es die Kunden, die man durch seinen Auftritt überzeugt. Durch kreative Ideen, durch gute Beratung, durch ein spannendes Sortiment. Es ist sinnlos, uns Schweizer Autoren vorgaukeln zu wollen, alles würde mit der Buchpreisbindung besser, solange kein Mensch erfährt, was wir Schweizer Autoren so (er)schaffen. Was man nicht kennt, kann man auch nicht kaufen wollen.

Nein, einfach ist das nicht. Aber es wird mit der Wiedereinführung der Buchpreisbindung nicht einfacher. Wer sich Länder mit Buchpreisbindung anschaut, wird sehen, dass der kleine, unabhängige Buchhandel auch dort zu kämpfen hat, genauso wie grössere Läden, ja, sogar Buchhandelsketten. Die Misere ist zum Teil hausgemacht, zum Teil ist sie schlicht und einfach eine Zeiterscheinung. Es liegt an uns Kunden, das zu ändern. Es liegt an uns, zu überlegen, was uns ein gutes Buch wert ist.

Mein Fazit: Die Buchpreisbindung ist der falsche Weg. Nehmen wir sie an, entsorgen wir wichtige Fragen in einer Scheinlösung. Wir stellen uns damit nicht wirklich den Problemen und Realitäten.

PS: Ich bekomme für jedes verkaufte Buch gleich viel. Egal, ob es bei Amazon oder beim lokalen Buchhändler gekauft wird.

PPS: Ich kaufe Bücher grundsätzlich im Buchladen, meistens im gleichen kleinen, unabhängigen Buchladen hier im Ort. Weil es für mich nichts Schöneres gibt als einen kleinen, unabhängigen Buchladen.

UPDATE: Ich habe diesen Eintrag jetzt ein paar Mal gelesen - und ich fürchte, er klingt für mich jedes Mal ein bisschen wirrer. Im Substanz-Blog ist es mir besser gelungen, meine Argumente auf den Punkt zu bringen. Der Link dazu findet sich in der Blogroll auf der rechten Seite - zusammen mit anderen lesenswerten Kommentaren zur Buchpreisbindung.

Donnerstag, 2. Februar 2012

The Age of Less und das Überleben

Konsumwut. Die Konzentration auf immer weniger Weltkonzerne. Der Glaube an ein besseres Leben nur dank Wirtschaftswachstum. Eine Welt, die auf Geld, Geld, Geld und nochmals Geld baut. Das Einfordern von Leistungsbereitschaft und Flexibilität bis zum letzten gehechelten Atemzug. Der Schein, der das Sein schon längst verdrängt hat. Eine Welt, in der der stromlinienförmig Angepasste überlebt und jener, der von der Norm abweicht verdrängt wird. All dem möchte ich den Rücken kehren. Und ich weiss, dass ich damit nicht alleine bin. Es gibt Dinge, die jeder von uns tun kann, getreu dem Motto, dass man im Kleinen beginnen kann. Die Welt muss nicht so sein, wie sie ist. Wir können sie ändern. Nicht von heute auf morgen, nicht in einem grossen Knall, aber wir können Gegenpunkte setzen. Und viele Gegenpunkte erzeugen einen gesunden Gegenwind. Daran glaube ich.

Es gibt Bücher, die sich mit genau dieser Thematik auseinandersetzen und nachdem ich in einer Fernsehsendung auf den Autor von The Age of Less, David Bosshard, aufmerksam geworden war, ging ich hin und bestellte mir das Buch. Im Blindflug, ohne hineingelesen zu haben. Schon auf der zweiten Seite hatte ich genug. Nachfolgend ein Originalzitat mit Originalklammern, Originalkursivtext usw.

"Das mag für eine Welt noch durchgehen, in der es klare (Befehls-)Hierarchien und einige happy few - die wenigen Glücklichen - gibt. Aber nicht für eine Welt des (demokratischen oder autorität herbeibefohlenen) Massenwohlstandes, in der die Erwartungen der grossen Masse nach immer mehr Premiumisierung geweckt werden. "Even if you're not rich, you can fake it" war vielleicht das wichtigste Motto der letzten Jahrzehnte, wunderbar und repräsentativ dargestellt in den Untersuchungen von Michael Silverstein und Neil Fiske: Trading up: "The new American Luxury (2003). Denn das "Trading up" war auch - in der zeitgemässen Sprache der Finanzmärkte - ein sogenanntes "Leveraging" (wörtlich "aushebeln") von Erwartungen, und wer nun endlich einen BMW fuhr, Starbucks-Kaffee trank oder ein Boss T-Shirt trug, war fake rich - gefälscht reich.

Ich habe dann ziemlich lustlos noch eine Weile weitergelesen, mich gefragt, warum der gute Mann das Buch nicht gleich in Englisch geschrieben hat, viele Seiten überhüpft und dann bei den "Sieben Typen, die das Age of Less prägen" nur noch müde gelächelt. Kurz: Much less (better nothing) wäre "mehr" gewesen. Gelernt habe ich: Nie wieder kaufe ich ein Buch, ohne eine Leseprobe gelesen zu haben!

In die gleiche Thematik passt das Jugendbuch Überleben, in dem ein Mulitmillardär seine Famile vor dem Atombombenangriff in den endlos grossen, endlos luxuriösen Bunker verfrachtet, den er über Jahre gebaut hat, in der Gewissheit, dass der Atomkrieg eines Tages Realität werden würde. Dabei bleiben ein Zwillingsbruder und die Grossmutter schon am Anfang auf der Strecke. Das Buch setzt im Jahr sechs ein. So lange lebt die Familie schon im Bunker. Es zeichnet sich ab, dass die Vorräte nicht die ganzen fünfzehn Jahre halten werden. Der Vater arbeitet auf Hochtouren an Ersatzlösungen, die der Ich-Erzähler nach und nach enthüllt und damit ziemlich viel Grauen freilegt. Immer deutlicher und grösser werden die Risse, die durch die Familie gehen und schlussendlich geht es ums nackte Überleben.

Ich habe das Buch verschlungen, obwohl es ein paar kleine (nicht sehr störende) Haken hat und mir das Finale fast zu viel ist. Was für ein Kontrast zu The Age of Less, das an seinen Ansprüchen scheitert. Wenn es darum geht, welches Buch in Bezug auf Klarheit und Aussagekraft weit vorne liegt und dem Leser mehr bietet, ist die Antwort für einmal glasklar.

Mittwoch, 1. Februar 2012

Es gibt Momente ...

... da schickt einem das Leben genau die richtigen Leute über den Weg. Gestern zum Beispiel. Zwei Menschen am Bahnhof. Beide mit einem Rucksack, der auf eine längere Expedition schliessen liess. Meine war klar: Ich war auf Lesetour. Was die andere Person, die ich flüchtig kannte, mit ihrem Gepäck vorhatte, vergass ich zu fragen, weil unser Gespräch so interessant wurde, dass es schlicht völlig unwichtig war. Es ging um Greenpeace, um Freiwilligenarbeit, um Bezahlung bei solchen Organisationen, um die Frage, wo das Geschäftliche, konkret das Geld, zu sehr in die Philosophie der Organisation eingreift. Und um die Frage, ob es jemals eine gerechte Lösung für diese Probleme geben kann.

In Rorschach stieg die andere Person aus. Ich fuhr mit einer ungeheuren Zufriedenheit und Gelassenheit weiter. Dabei hatte ich mich am Vorabend ziemlich geärgert. Genau über so eine Gerechtigkeitsfrage im Freiwilligenbereich. Das Gespräch führte dazu, dass ich alles aus einer anderen Perspektive sehen konnte. Allein das reichte, um einen ganzen Knoten zu lösen.