Zum zehnten Mal küren dieses Jahr Schweizer Jugendliche aus 20
nominierten Büchern den Bookstar. Von Anfang Mai bis Ende September
können die Jugendlichen auf der Webseite von bookstar.ch abstimmen und
ihre Leseeindrücke in einem Kommentar hinterlegen. Ab dem 1. Oktober
steht fest, welche fünf Titel es auf die Shortlist geschafft haben.
Verliehen wird der Preis im Rahmen von 'Zürich liest' am 26. Oktober.
Die Idee zu diesem Buchpreis hatten die Kinder- und Jugendmedien Zürich
und Graubünden («KJM-Zürich» und «lesen.GR»). Ich habe für Autillus, den Verein der Schweizer Kinder- und Jugendbuchschaffenden, mit
Patricia Schnyder, der Geschäftsführerin der Kinder- und Jugendmedien
Zürich, ein Interview über den Wettbewerb und seine Bedeutung gemacht. Sie hat mir grünes Licht dafür gegeben, dieses Interview auch hier im Blog zu veröffentlichen (weiter geht's nach dem Foto).
Patricia, welches waren eure wichtigsten Kriterien, als ihr diesen Schweizer Jugendbuchpreis ins Leben gerufen habt?
Patricia Schnyder: Am Anfang stand der Wunsch nach einem Projekt, das
die jugendliche Zielgruppe ins Zentrum rückt. Gelungene Leseförderung
für Jugendliche nach dem «Leseknick» ist Mangelware und das obwohl sie
genau hier am dringendsten benötigt wird. Nach wie vor stellen Experten
der Lesekompetenz der Schweizer Jugend kein gutes Zeugnis aus. Nur ein
Bruchteil der Schülerinnen und Schüler im Alter von 15 Jahren gilt als
lesestark. Das ist alarmierend, wenn man bedenkt, dass der schulische
und berufliche Erfolg untrennbar mit der Lesekompetenz verbunden ist.
Lesen öffnet Türen, das gilt im beruflichen genauso wie im privaten
Leben.
In unserem Jugendbuchpreis spielen die Jugendlichen die
Hauptrolle – von der Nominierung der 20 Bücher bis zur öffentlichen
Preisvergabe. Das lag uns bei der Projektentwicklung ganz besonders am
Herzen. Anstatt Jugendliteratur von einer erwachsenen Fachjury bewerten
zu lassen, macht sich bookstar.ch für die Meinung der Jugendlichen
selbst stark und ist damit einzigartig im deutschsprachigen Raum.
Beim bookstar.ch treffen Jugendliche eine Vorentscheidung und
präsentieren 20 Bücher, welche dann von Jugendlichen bewertet werden.
Dieses Jahr wurden diese von Jugendjurys aus den Schulen Hirschengraben
Zürich, Rebhügel Zürich, Rorbas-Freienstein, Walenbach-Wetzikon,
Wetzikon-Seegräben, ausgewählt. Wie gehen diese Jugendlichen an ihre
Arbeit heran?
Patricia Schnyder: Jede Jugendjury wird von einer
Mentorin oder einem Mentor betreut. Das sind oft besonders engagierte
BibliothekarInnen oder Lehrpersonen. Diese erhalten von uns eine Liste
mit dem Kurzbeschrieb der 40 Bücher der Vorauswahl. Zusammengestellt
wird die Auswahl von einer erfahrenen Fachjury, die durch den täglichen
Austausch mit Jugendlichen ein feines Gespür für deren vielfältige
Lesevorlieben hat. Die Interessen der Schülerinnen und Schüler stehen
auch hier klar im Zentrum – und nicht die literarischen oder
pädagogischen Ansprüche der Erwachsenen.
Aus der Vorauswahl
wählt jedes Jurymitglied dann selbständig, welche und wie viele Bücher
sie oder er lesen möchte. Auch die Bewertung findet individuell statt –
pro Buch können 1-10 Sterne vergeben werden. Zwischendurch kommt die
Jury immer wieder zusammen und tauscht sich über das Gelesene aus: «Das
musst du unbedingt lesen!», «Was meinst du dazu?», «Ich habe das Buch
gar nicht gefühlt, weil…». Die Jugendlichen sind stolz, dass ihre Stimme
zählt und nehmen ihren Job sehr ernst. Die Mentorin oder der Mentor
agieren nur im Hintergrund, begleiten, motivieren und geben wo nötig
neue Denkanstösse.
Jeweils im Mai werden die 20
Bücher auf der Webseite bookstar.ch vorgestellt. Danach können
jugendliche LeserInnen ab 12 Jahren die Bücher bewerten. Welches sind
eure Erfahrungen (positiv und negativ) mit diesem Abstimmungsmodus?
Patricia Schnyder: Als besonders positiv erleben wir die Kommentare der
Teilnehmer. Es ist immer wieder faszinierend wie differenziert die
Jugendlichen ihre persönlichen Meinungen verbalisieren. Schön ist auch,
wenn im Kommentarbereich angeregte Dialoge über ein Buch entstehen.
Diese persönlichen Feedbacks verfolgen und schätzen viele der
nominierten Autoren ungemein.
Wer für ein Buch abstimmen
möchte, muss aber nicht zwingend einen Kommentar verfassen. Es ist auch
möglich seine Stimme ganz einfach, mit einem Klick auf den passenden
Stern, abzugeben. Damit haben wir einerseits sehr positive Erfahrungen
gemacht, weil wir so Jugendliche erreichen, die vor einem Mehr an
Aufwand zurückschrecken. Andererseits trägt dieses effiziente Vorgehen
dazu bei, dass Leser sich nicht tiefergehend mit der Lektüre befassen.
Das Kommentieren regt die aktive Auseinandersetzung mit dem Gelesenen
direkt an, der einfache Klick tut dies nicht zwingend.
AutorInnen (ich eingeschlossen!) sind begeistert von eurem Konzept, weil die Bücher
von ihrer Zielgruppe bewertet werden, ihr beliefert Bibliotheken
kostenlos mit tollem Informationsmaterial, ihr habt letztes Jahr einen
neuen, leicht geänderten Abstimmungsmodus eingeführt, ihr habt euch den
jungen Buchblogger Josia Jourdan als offiziellen Botschafter des Preises
an Bord geholt, die Preisverleihung findet am 26. Oktober im Rahmen von
«Züri liest» statt. Eigentlich macht ihr alles richtig und sehr gut.
Woran liegt es in euren Augen, dass der Preis trotzdem nicht mehr
Beachtung findet?
Patricia Schnyder: Als Non-Profit
Organisation müssen wir mit einem sehr begrenzten Budget auskommen. Uns
fehlen die finanziellen Ressourcen, um den Preis medienwirksam zu
inszenieren. Genau das wäre aber zwingend nötig, um die Aufmerksamkeit
einer breiteren Masse zu wecken. Wir hingegen sind auf Kooperationen
angewiesen und gezwungen, langsamer vorzugehen. So arbeiten wir uns mit
viel Engagement, jedes Jahr einen Schritt weiter nach vorne und setzen
dabei stark auf Qualität vor Quantität. Für uns ist jeder zusätzliche
Jugendliche, den wir erreichen, ein Erfolg – und dass wir euch dieses
Interview geben durften, eine grosse Ehre. Herzlichen Dank!
Die Preisverleihung findet am 26. Oktober 2016 statt. Infos findet ihr auf dem Flyer: