Ich liebe das, was in Büchern vor der Geschichte steht, denn es erzählt oft in wenigen Worten ganze Geschichten. Die Widmungen zum Beispiel. Oder der Geschichte vorangestellte Texte. Im Moment lese ich ein Buch, bei dem ich mich bei beidem - Widmung und vorangestelltem Text - sehr lange aufgehalten habe und den Geschichten darin nachgehorcht habe.
Das Buch heisst. "Die Nacht der Verfolgung". Ein selten dämlicher Titel für ein Buch, das im Original schlicht "Dakota" heisst, was sowohl die Stimmung im Buch als auch den Inhalt viel präziser trifft. Geschrieben hat die Geschichte Martha Grimes. Sie hat dem Buch folgende Widmung vorangestellt:
Dem Leser gewidmet, der sich bei einer Signierstunde in Coral Gables mit der Bitte zu Wort meldete: "Schreiben Sie wieder ein Buch über Andi Oliver." Danke. Hier ist sie.
Der Text, der der Geschichte vorangeht ist ein Gedicht von A.E. Housman.
(Ich verzichte darauf, das Gedicht hier hineinzustellen; so langsam fürchte ich mich vor den Konsequenzen beim Zitieren von was auch immer - aber man kann es in der Leseprobe nachlesen, auf die ich am Ende des Textes verlinke)
Das Gedicht löste Bilder in mir aus, führte zu Gedankenketten, die in Szenen endeten. In mir meldeten sich Figuren für eine Geschichte ... Kurz: Ich wurde schon vor der eigentlichen Geschichte fortgetragen, in meine eigenen, noch ungeschriebenen.
Das Buch selber hat einen ganz eigenen Klang, eine ganz eigene Erzählstimme, eine ganz eigene Geschichte, eine ganz eigene Ruhe. Hier kann man reinlesen.
Eine Anmerkung am Rande: Auf der Suche nach der Leseprobe bin ich über die - sehr schlechten - Rezensionen gestolpert. Sie wundern mich nicht. Wie oben geschrieben: Das Buch heisst im Original "Dakota" und nein, es ist tatsächlich absolut und total kein Krimi und kein Thriller, wie das Cover (sogar der seit einiger Zeit scheinbar obligatorische Schmetterling auf Thrillercovern fehlt nicht) und der Titel der deutschen Ausgabe suggerieren. (Die Verkaufsstrategien der Verlage gehen in der Tat unergründliche Wege ...)
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