Seit einigen Jahren darf ich Teil eines absolut coolen Projekts sein: Jugendliche der Oberstufe lesen meine beiden Krawallnacht-Bücher und schreiben danach ihr eigenes Buch über ein Ereignis aus zwei Perspektiven. Ich komme ins Spiel, wenn sie die Bücher gelesen und analysiert haben. Wir reden darüber, wie man ein solches Projekt angeht und umsetzen könnte. Ich gebe Einblicke in mein Schreiben und Tipps, wie man packend schreibt.
Die Jugendlichen in Alpnach schreiben jeweils zu zweit. Jeder/jede aus seiner/ihrer Perspektive. Die Bücher, die entstehen, kann man von beiden Seiten her lesen. Und hier angucken:
Kürzlich habe ich Post bekommen. Im Paket steckten die Bücher, die aus diesem Projekt entstanden sind. Ich war tief beeindruckt, habe mich schon an den Covern nicht sattsehen können und habe mich auf die Geschichten gestürzt. Grosses Kompliment an die schreibenden Jugendlichen!
PS: Im November darf ich die nächsten beiden Klassen in Alpnach besuchen. Das Projekt geht also weiter.
PPS: Am Ende des Videos ist ein Link eingeblendet. Wenn ihr ihm folgt, erfahrt ihr mehr über dieses Projekt und wie es funktioniert.
Am 22. Oktober 2022 erhielt ich eine Mail von vier Frauen, die den Zertifikatskurs zur Bibliothekarin besuchen und für ihre Facharbeit, die sich mit der Leseförderung von Jugendlichen befasst, Autorinnen und Autoren suchten. Ob ich Lust hätte, abwechselnd mit Schülerinnen und Schülern einer Oberstufenklasse eine Geschichte zu schreiben. Und wie ich Lust hatte! Ich schrieb sofort zurück und freute mich sehr, als ich Bescheid bekam, dass das Projekt zustande kommt und ich dabei sein durfte.
Dieses abwechselnde Schreiben nennt sich Story-Tausch geht so: Die Jugendlichen entwickeln in Gruppen Ideen und Figuren für eine Grundidee zu einer Geschichte. Das Genre können sie frei wählen. Ihre Aufgabe ist es dann, auf einer A4-Seite ihre Figuren auf die Geschichtenreise zu schicken. Danach bekommt der Autor/die Autorin den Auftrag, Seite 2 zu schreiben (ohne weitere Informationen; wir haben nur diese eine erste Seite). So geht das fünf Seiten lang hin und her: Die Jugendlichen schreiben die Seiten 1, 3 und 5, die Autorin/der Autor die Seiten 2 und 4. Für jede Seite haben die Schreibenden eine Woche Zeit.
Die Vorgaben sind strikt: Nebst einem klaren Zeitplan sind Schriftgrösse, Schriftart, Zeilenabstand und Umfang genau definiert. Keine Änderungen an den schon geschriebenen Seiten. Dafür sind wir beim Schreiben frei.
Was mir an diesem Projekt besonders gefällt: Die Jugendlichen haben die Hohheit über die Geschichte - es sind ihre Figuren, ihr Setting, ihre Ausgangslage, ihr Ende, und die Erzählsprache richtet sich nach dem Genre, für das sie sich entschieden haben. "Meine" Gruppe entschied sich für ein sehr junges Paar gegen den Rest der Welt. Ich habe die Bonnie & Clyde Idee gerne aufgenommen, mich in der Sprache ganz der ersten Seite angepasst und auch die Geschichte vorangetrieben. Dabei habe ich darauf geachtet, dass ich genau an jenem Punkt am Ende der Seite bin, an dem sich die beiden entschieden müssen, was sie jetzt tun.
Das war ein Banküberfall, mit allem, was dazu gehört. Ich habe begeistert die dritte Seite gelesen und bin noch viel begeisterter in den Überfall eingestiegen. Dabei hatte ich eine derart gute Vorlage, dass ich aus dem Vollen schöpfen konnte. Das Ende der Geschichte schrieben dann die Jugendlichen.
Vier Gruppen haben eine Geschichte geschrieben. Eine Gruppe mit mir, eine mit Franco Supino und zwei mit Sunil Mann. Auch sie haben Genre und Erzählsprache aufgenommen; jede Geschichte kommt aus einem Guss daher; da gibt es keine Brüche in der Art des Erzählens.
Am 18. Januar 2023 fand die Vernissage statt. Ein wunderbarer Anlass, in dem die Texte einen würdigen Rahmen erhielten. Die Jungautoren haben ALLE eine Passage vorgelesen. Ich durfte die Texte der Autoren lesen. Im Publikum sassen Lehrpersonen, Eltern, Mitschüler*innen, die vier Bibliothekarinnen, und die Lehrerin der Schüler*innen.
Nun ist die Facharbeit der Bibliothekarinnen beinahe fertig. Teil davon ist eine Webseite, in der das Projekt vorgestellt ist. Ich empfehle auf jeden Fall ein Reingucken und auch sehr gerne ein Ausprobieren der Idee. Ich stelle zudem das Projekt in einem YouTube Video ausführlich vor. Wenn ihr also Lust und Zeit habt, lade ich euch ein auf eine Reise durch die Webseite und meinen Clip (Link unter dem Post). Viel Spass.
Für mich war es definitiv ein Vergnügen. Von A bis Z. Das liegt an den schreibenden Jugendlichen, die für uns Autoren herrliche Steilvorlagen geliefert haben, und an den vier Bibliothekarinnen Gabriela Frick, Annika Görden, Esther Jufer und Daniela Studach, welche das ganze Projekt sehr gut vorbereitet, organisiert und begleitet haben.
Heute fuhr ich für zwei Schreibworkshops nach Valendas, an die Oberstufe Safiental. Am Morgen nahm ich die gemütliche Route via Flims/Laax und Ilanz. Auf dem Weg nach Hause fuhr ich hoch über der Rheinschlucht nach Chur. Die Wildheit und Schönheit dieser Landschaft nimmt mir jedes Mal den Atem.
Die Arbeit mit den Jugendlichen war so richtig toll. Und witzig. Und bereichernd. Sie liessen sich völlig auf eine - verrückte - kreative Schreibreise ein. Würfelten irre Geschichten. Entwarfen mittels einer Spezialausgabe von Stadt-Land-Fluss kurlige und krude Charakter. Tauchten ein in den Kern des Creative Writing mit dem "Show, don't tell." Pimpten auf ihre ureigene Art langweilige Texte auf (die ich als Vorlage mitgebracht hatte - RICHTIG langweilige Texte) und schrieben herzerwärmende Liebesgeschichten, so ganz von Landwirtschaftsmaschine zu Landwirtschaftsmaschine ("Dein Anblick bringt meine Scheinwerfer zum leuchten." // "Als ich dich das erste mal gesehen habe, ist mir glatt eine Sicherung durchgebrannt." ...)
An Tagen wie diesen habe ich den perfekten Beruf. In jeder Hinsicht.