Montag, 17. April 2017

Was das Wandern mit dem Schreiben zu tun hat - oder: Vom Verschieben von Grenzen

Wandern und das Schreiben von Büchern haben eine Menge gemeinsam. Für beides braucht man Kondition und Ausdauer. Beides ist zuweilen anstrengend, manchmal hart und mühsam.

Ich gestehe: Ich bin keine Gipfelstürmerin, wenn es zum Wandern kommt. Mir reicht es, irgendwann nach anstrengenden Aufstiegsminuten in den Höhenweg einzubiegen, ihm zu folgen und dann den Abstieg unter die Füsse zu nehmen. Ich sammle keine Gipfel, muss nicht ganz oben gewesen sein. Es gibt wunderschöne Orte und Plätze entlang der Höhenwege, und die Aussicht ist auch von etwas weiter unten schön.

Beim Schreiben ist es ein wenig anders: Da brauche ich die Ausdauer, um ans Ende der Geschichte und des Manuskripts zu kommen. Und ich brauche den Willen, Gipfel zu erklimmen, denn der Text muss felsenfest sitzen. Ja, vielleicht wäre er nach den ersten paar Überarbeitungsrunden gut. Aber ich will ihn so perfekt, wie ich es nur hinbekommen kann. Und deshalb ist mir für einen Text eigentlich kein Gipfel zu steil.

Ab und zu kraxle ich auch beim richtigen Wandern bis ganz nach oben. Manchmal gehe ich dabei an meine Grenzen und sehr selten auch darüber hinaus. Einmal, da war ich derart in Form, dass wir nicht einfach eine Passüberquerung gemacht haben, sondern gleich noch auf den nächsten Gipfel sind. Ich erinnere mich, wie ich die letzten paar Meter auf Knien bis zum Gipfelkreuz kroch, weil es auf drei Seiten einfach endlos ins Bodenlose ging - und ich nicht schwindelfrei bin. Mir war schlecht, mir war schwindlig, und ich war auch nur kurz ganz oben, aber ich war da. An das Gefühl kann ich mich heute noch erinnern. Alles war möglich, einfach alles. Ich hatte eine Grenze verschoben.

Vor ein paar Tagen hatte ich ein ähnliches Erlebnis. Herr Ehemann und ich hatten uns eine Wanderung herausgesucht. Die Karte war schlecht, in der Beschreibung stand, man umrunde die Felsnase auf der linken Seite, es gäbe aber auch einen Weg, der die Besteigung des Gipfels erlaube. Kein Problem, dachte ich, ich nehme die Umrundung und schenke mir den Gipfel. Bestens gelaunt nahmen wir den Weg unter die Füsse. Erst einmal hoch zur Felswand. Im obersten Drittel wurde es steil wie die Hölle und dann standen wir vor der Felswand.


Ich war tief beeindruckt und dachte, nun würde die linksseitige Umgehung kommen.
Kam sie auch. Aber irgendwie ging es auch immer weiter nach oben. Immer noch steil wie die Hölle. Ich wartete auf die Abzweigung. Sie kam nicht. Stattdessen ging der Weg in Fels über, von oben baumelten Seile, an denen man sich festhalten konnte. "Willst du umkehren?", fragte Herr Ehemann. Tja, wollen schon, aber ich konnte nicht. Der Gedanke an einen höllensteilen Abstieg war noch weniger verlockend als der Gedanke an das Kraxeln nach oben.

Also kletterten wir hoch. Nein, es war nicht so dramatisch, wie es klingt. Es gefiel mir sogar, weil damals, als ich noch schwindelfrei war, machten mir solche Touren Spass (ist allerdings mehr als 40 Jahre her). Irgendwann waren wir oben. Und wieder hatte ich das Gefühl, eine Grenze verschoben zu haben. Es fühlte sich an wie eine Bestätigung dafür, in den letzten paar Wochen die richtigen Entscheidungen in Sachen Schreiben getroffen zu haben. Aber auch wie ein: Ich kann das, ich packe das.

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