Sonntag, 16. November 2025

Das Projekt und die Zeit


"Ich werde berichten." So hören meine Blogpost manchmal auf. Heute ist so ein "Ich werde berichten"- Tag. Und zwar von meinem Schulbesuch in der Klasse, die mein längst vergriffenes Buch Das Projekt gemeinsam liest.

2008. Das ist das Erscheinungjahr von Das Projekt. Im Vorfeld hatte ich der Lehrerin geschrieben, dass das Buch aus der Zeit gefallen ist; sie liess sich davon nicht abschrecken und bestellte Nachschub aus meinem kleinen verbliebenen Vorrat, um genügend Exemplare für alle zu haben. Ich bat sie, der Klasse zu sagen, dass ich mich auf die Lesung freue und gespannt bin, wie sie die Geschichte (emp)finden.

Ich hatte Glück: Die Lesung war nach der grossen Pause, und so hatte ich in der Pause Gelegenheit, mit der Lehrerin über ihre Wahl der Klassenlektüre zu reden. Sie erklärte mir, weshalb sie das Buch gewählt hat.

Sie hat es als Jugendliche selber auf der Oberstufe als Klassenlektüre gelesen und es hat ihr sehr gut gefallen. Dass das Buch in die Jahre gekommen ist und einige wichtige Dinge im Setting so nicht mehr stimmen oder passen, stört sie nicht, im Gegenteil. Die Geschichte sei in einer Sprache geschrieben, die auch heute noch funktioniere. Und: Die Jugendlichen lesen das Buch im Bewusstsein, dass die Geschichte schon vor einiger Zeit geschrieben wurde.

Die Lesung war extrem spannend, aber mit 45 Minuten viel zu kurz. Zudem nahmen zwei Klassen an der Lesung teil, die einen hatten gerade Krawallnacht gelesen, die anderen steckten am Anfang der Lektüre von Das Projekt. Damit blieb nach dem Erzählen über die Entstehungsgeschichten der Bücher zwar noch Zeit für Fragen, aber halt längst nicht alle. 

Für mich spannend: Die Jugendlichen mögen die Geschichten. Dass beide etwas älter sind, die eine 17 Jahre, die andere 6 Jahre. Für mich ist das eines der grössten Komplimente, die ich bekommen kann, denn diese Rückmeldungen bedeuten, dass ich zeitlos schreibe. Das zweite Riesenkompliment erreichte mich nach der Lesung per Mail:

"Nach der Vorlesung kamen wir noch schnell nach vorne, um uns zu bedanken. Mit dieser Mail wollten wir uns noch ausführlicher bedanken. Sie haben mit Ihrer Rede aus unseren Seelen gesprochen, da wir in der Freizeit, selber gerne schreiben. Sie haben uns sehr inspiriert und motiviert. Das Buch das wir momentan lesen, Das Projekt, gefällt uns sehr, und wir wollen unseren Schreibstil an diesem Buch orientieren. Danke, dass Sie gekommen sind und uns motiviert haben mehr zu schreiben." 

Danke! 

Freitag, 7. November 2025

Erkenntnisse


Erkenntnisse der letzten drei Wochen, wild durcheinandergewürfelt: 

1. Zwei Wochen Lesetour mit 28 Lesungen sind machbar, aber extrem anstrengend, zu anstrengend für mich, auch wenn schlicht alles stimmt. Die Tour durch den Kanton Uri war bestens organisiert, die einzelnen Lesungen haben Spass gemacht, die Jugendlichen und ihre Lehrkräfte waren sehr gut vorbereitet. Es war einen Versuch wert, vor allem, weil die Bedingungen einfach von A bis Z stimmten. In Zukunft werde ich, falls überhaupt, höchstens eine Woche auf Tour gehen und das auch höchstens ein Mal pro Jahr. Und ich setze meinen Vorsatz um, pro Woche nur einen Lesungstag einzuplanen. Zudem wird es Monate geben, an denen ich gar keine Lesungen machen werde.

2. Man muss einsehen, wenn etwas keinen Sinn macht, auch wenn es weh tut. In meinem Fall: Unterrichtsmaterial zum Mittelstreifenblues zu erstellen, zumindest so lange das Buch ein Cover hat, das Jugendliche schlicht und einfach weder anspricht noch interessiert. Vielleicht auch später nicht, selbst wenn ich irgendwann die Buchrechte zurückbekomme und das Buch mit einem anderen Cover herausgebe. Noch vor kurzem war ich entschlossen, gegen alle Vernunft Unterrichtsmaterial zum Buch zu kreieren. Aber das bringt nichts. 

3. Arbeiten in einem Atelier, gemeinsam mit anderen Kreativen, ist beflügelnd. Dabei kann man durchaus schweigend gemeinsam am Tisch sitzen und still für sich arbeiten. Aber auch aufstehen, sich eine Tasse Kaffee machen und eine kurze Schwatzpause einlegen.

4. Zeichnen ist eine wunderbare Möglichkeit, Langsamkeit in sein Leben zu bringen. Ich fange meine Atelierzeit mit einer Zeichnung an, etwas, das ich mir noch vor ein paar Monaten schlicht nicht hätte vorstellen können. 

5. Es ist nie zu spät, etwas Neues zu versuchen. 

6. Dafür ist manchmal der Zeitpunkt für das schmerzhafte Einsehen, dass Altes nicht mehr so rund läuft: Meine Beinmuskulatur trägt mich nicht mehr so weit die Berge hoch, wie ich es gerne hätte. Schweren Herzens habe ich den Traum von einer Wanderung in den Heinzerbergen und zu den Suretta Seen aufgegeben. Zumindest für dieses Jahr. Ich, respektive meine Beine schaffen das im Moment nicht. Älter werden kann total unwitzig sein. 

7. Analog leben schärft die Sinne und bringt sehr viel Ruhe in den Alltag. 

9. Schreibrunden, also das Schreiben in der Gruppe, aktiviert die Lachmuskeln, schenkt Energie, Mut und Zuversicht und füllt den Energiespeicher in einem Abend wieder auf 100 Prozent.

10. Ich bin und bleibe eine Bullet Journal Frau. Kurz habe ich darüber nachgedacht, 2026 auf eine normale Jahresagenda zu wechseln, doch als ich mir überlegt habe, was ich alles für meine Planung brauche, blieb nur das Bullet Journal.

PS: 11. Die alte Aula von Bürglen ist eine der schönsten Aulen, die ich je gesehen habe. Sie wird ganz bestimmt einmal in einem Buch von mir vorkommen. 

Sonntag, 19. Oktober 2025

Auf Lesetour im Kanton Uri

 
(Hochmoor Rothenthurm)

Heute Morgen habe ich meine Sachen zusammengepackt, am Nachmittag bin ich nach Altdorf im Kanton Uri aufgebrochen. Unterwegs reichte die Zeit für einen Spaziergang im Hochmoor bei Rothenthurm. Ein Traum in Herbstfarben! 

Im Gegensatz zu früheren Touren habe ich mich in einer Ferienwohnung eingemietet, die gemütlicher nicht sein könnte. Kein Hotelzimmer, in dem mir die Decke auf den Kopf fällt, kein Arbeiten an einem Tisch irgendwo an einer seelenlosen Wand oder auf dem Bett (weil mir der Tisch an der Wand nicht behagt). Die Wohnung hat eine riesige Wohnküche mit drei Fenstern und einem grossen Tisch, an dem ich arbeiten kann. Wenn ich mich erholen will, wechsle ich auf das Sofa in der gemütlichen Wohnstube. Egal, aus welchem Fenster in der Wohnung ich schaue, überall sind Berge. So schön. Und unter uns gesagt, einer der Hauptgründe, warum ich für diese Lesetour zugesagt habe.

Altdorf wird die nächsten zwei Wochen zur Heimbasis, die Lesungsorte sind alle in der Nähe, also auch keine endlosen Bahn- und Busfahrten. Der Lesungsplan ist propevoll. 28 Lesungen in zwei Wochen, jeweils drei Lesungen am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag (zwei am Vormittag, eine am Nachmittag), am Mittwoch jeweils zwei. Obwohl ich ein wenig Bammel vor so vielen Lesungen habe, freue ich mich sehr darauf. Im Blogpost nächste Woche werde ich berichten, was ich so alles erlebt habe.

Erst einmal lebe ich mich hier ein und schraube mich dann morgen nach Andermatt hoch.  

Sonntag, 12. Oktober 2025

Mittelstreifenblues für Schulen

Manchmal tut es noch weh, dieses leise Untergehen eines Buches, das mir so viel bedeutet. Dann denke ich an die tollen Rezensionen, den wunderbaren Preis, die herzerwärmenden Rückmeldungen und sage mir, dass all das die ganze Arbeit und das Herzblut wert gewesen sind. "Ist halt so", sage ich mir. "Gehört zum Beruf", sage ich mir. "Abhaken, weitermachen, neue Bücher schreiben."

Und dann gibt es diese Momente in denen mein Kampfgeist erwacht. "Verdammt", sagt der zu mir, "wenn dir das Buch so viel bedeutet, MACH WAS." Meistens poste ich dann was in den Social Media, etwas, das wenn immer möglich mit etwas Witz oder zumindest guten Bildern daherkommt. Der Erfolg solcher Aktionen ist allerdings mehr als überschaubar.

Vor ein paar Monaten hat sich eine Lehrerin bei mir gemeldet. Sie überlegte sich, Mittelstreifenblues zur Klassenlektüre zu machen und mich zu einer Lesung einzuladen. Weil ich weiss, wie wichtig für Lehrpersonen Unterrichtsmaterial zu einem Buch ist, verwies ich auf das Material, das es bereits gibt. Am Ende scheiterte das Ganze an zwei Faktoren: Die Lehrerin fand das Unterrichtsmaterial unbrauchbar (womit sie leider nicht unrecht hat), und das Buch war ihr zu teuer. 

Ich bin überzeugt, dass Mittelstreifenblues ab der neunten Klasse eine tolle Klassenlektüre ist; ich weiss, dass Schulen, die Klassensätze bestellen wollen, beim Verlag auf sehr offene Ohren stossen. Und Unterrichtsmaterial kann ich - für den da bux Verlag gestalte ich jedes Jahr mindestens zu zwei Büchern Arbeitsblätter.

"Siehst du", rief mein Kampfgeist, "selbst ist die Frau. ALSO MACH SCHON." 
"Ist ja gut, antwortete ich, "ich hab's gehört. Und ich mach's." 
Diese Woche habe ich mit der Planung begonnen. Ich orientiere mich dabei am da bux Unterrichtsmaterial, dem Material, dass der Verlag an der Ruhr damals zu meinem Buch dead.end.com gemacht hat, und an Material zu Jugendbüchern, das ich online gefunden habe. 

An dieser Stelle folgt mein mittlerweile bekanntes Versprechen: Ich werde berichten. 

Sonntag, 5. Oktober 2025

Aus der Zeit gefallen


Kürzlich habe ich jemandem erklärt, warum ich mein Buch Das Projekt nicht im Self Publishing neu aufgelegt habe, obwohl ich das Buch und vor allem die Figuren immer noch sehr liebe. Es liegt also weder an den Gefühlen noch den Lebensumständen meiner Figuren. Der Grund ist ein anderer: Ich denke, das Buch ist aus der Zeit gefallen, das Leben und das Umfeld der heutigen Jugendlichen haben sich zu sehr verändert, zu vieles könnte ihnen zu fremd sein.

Einen Tag nach diesem Gespräch hat Herr Zufall zugeschlagen. In meiner Inbox lag eine Mail einer Lehrperson, die genau dieses Buch als Klassenlektüre lesen möchte, nicht zuletzt, weil sie es als Jugendliche als Klassenlektüre gelesen und sehr gemocht hat. Da das Buch seit Jahren vergriffen ist, fragte sie mich nach meinem Notvorrat an Büchern und tatsächlich hatte ich noch genügend Exemplare. Ich erzählte der Lehrperson von meinem Gespräch, davon, dass ich denke, dass das Buch aus der Zeit gefallen ist. Und dass ich mich sehr auf die Lesung freue, bei der ich mit den Jugendlichen darüber diskutieren möchte, wie sie das empfinden. Wo sie denken, ihre Lebensrealität sei eine ganz andere, und wo sie sich wiedererkennen. Was ihnen weit weg scheint und was ganz nah. 

Das war immer das, was mich an diesem Buch fasziniert hat: Zu keinem anderen Buch gab es die spannenderen Diskussionen als zu diesem. Eine Klasse meinte, der Spannungsbogen sei so was von falsch (womit die Klasse völlig richtig lag). Eine andere fand die Figuren zu klischeehaft, was zu einem längeren Gespräch führte, weil die Antwort nicht ganz eindeutig ist. Auf den ersten Blick ein Ja, auf den zweiten auch ein Nein, was zu einem generellen Gespräch über Figuren in Jugendbüchern führte. Spannend auch, wie sich die Wahrnehmung der Namen im Laufe der Zeit änderte.  

Eine Anmerkung für Lehrpersonen, die hier mitlesen: Mein Buch Mittelstreifenblues ist die perfekte Alternative zu Das Projekt. Ein Buch über Freundschaft, Liebe, Loyalität und sich selber sein, selbst wenn das es schier unmöglich scheint. Auch ein Buch über Landflucht und einen fairen Tourismus. Ein Buch, das in den Bergen spielt, dem Sehnsuchtsort vieler Städter. Und weil die grossen Gefühle universell sind, können es Leute aus der Stadt und der Agglomeration genauso gut lesen wie die Menschen in den Bergen.

Die Schachtel mit meinen (fast) letzten Exemplaren ist unterwegs zu der Schulklasse, die ich im November treffe. Ich bin sehr gespannt auf die Lesung. Und natürlich gilt wie immer: Ich werde berichten.

 

Sonntag, 28. September 2025

Starke Texte - starke Frauen


Es war Mitte September, aus einem strahlend blauen Himmel brannte die Sonne auf den Hotelgarten in Sils. Heiss war es, viel zu heiss für die Jahreszeit. Und das kurz vor halb fünf, in diesem Schweizer Hochtal, von dem die Autorin Romana Ganzoni einmal gesagt hat: "Der Sommer im Engadin findet an einem Augusttag statt - ausser es schneit an diesem Tag." Auf dem Rasen stand ein hoher Tisch, links und rechts ein Barstuhl. Auf der Terrasse versammelten sich die Menschen, setzten sich, suchten Zuflucht unter Sonnenschirmen. 

Herr Ehemann und ich waren am Morgen im T-Shirt auf knapp 3'000 Metern unterwegs gewesen, waren auf der Fuorcla Surlej in der Aussicht auf die Bergewelt beinahe ertrunken, dann über Hochebenen, Steinhalden und an Seen vorbei zurück ins Tal gewandert, eine gelb-grau-braun-grün-rote Pracht von vollendeter Schönheit, wild und sanft zugleich. Die Höhenmeter steckten in den Beinen, zusammen mit den Höhenmetern vom Vortag. 

Jetzt sassen wir da, in einer Bergkulisse, schon fast kitschig schön, und warteten. Der Grund: zeit:fluss, ein neues Kulturfest im Engadin, "Die Bergführerin" der Titel der Lesung, in der Romana Ganzoni und Franziska von Fischer uns durch verschiedene Texte führen würden. Ich schaute mir die Barhocker an und dachte: Auch das ist eine Art Bergbesteigung, eine, an der ich kurzbeinige kleine Frau ziemlich grandios scheitern würde. Aber die beiden Frauen schwangen sich elegant auf ihre Stühle, schauten einander noch einmal an, dann begann Romana Ganzoni zu lesen, aus einem Text, den sie eigens für diesen Anlass geschrieben hatte.

Ihr Text floss durch die Zeit, ein mäandernder Fluss, der sich seinen Weg von Celerina bis nach Italien bahnte, wild und rau und gleichzeitig poetisch schön. Wir fuhren mit ihr die Strasse nach Pontresina entlang, dann aufwährts in Richtung Hospiz, die Kurven sauber ausfahrend, den Blick auf das Blau des Himmels, dieses trügerische Blau, unter dem in den Achtzigerjahren junge Menschen aus dem Engadin den Drogentod starben, elend und allein. Ich sah den kleinen Jungen auf der Schaukel, der sich in Richtung Himmel schwang und nie alt werden würde, ich weinte um diesen Menschen, den ich nie gekannt hatte. Dachte an "Die Torte", das Buch, das Romana für unseren da bux Verlag geschrieben hat, in dem junge Menschen mit den heutigen Todesdrogen experimentieren. Im Buch endet das Leben einer Jugendlichen an einer Bushaltestelle - und man merkte beim Vorlesen, wie sehr Romana die Geschehnisse immer noch unter die Haut gehen. Ich hing den Schicksalen nach und war Romana dankbar, dass sie die Engadiner Berge nicht einfach zu einer schönen Kulisse für schöne, perfekte Leben machte.

Franziska von Fischer las aus kurz dem Buch von Nicole Niquille, der ersten Bergführerin der Schweiz, danach aus einem Dokument von Henriette d'Angeville, die nicht ganz als erste Frau auf dem Mont Blanc stand, aber als erste, die die ganze Besteigung auf eigenen Füssen gemeistert hatte. Kein Hochziehen, kein Tragen, ein Gipfelaufstieg unter unmenschlichen Schmerzen. Vorbereitet war sie gewesen. Hatte trainiert, schaffte die ersten 90 Prozent so gut, dass sie dachte, es sei fast ein wenig zu leicht, und ging in den letzten 10 Prozent durch die Hölle. Ein paar Schritte, dann bleiernde Müdikeit, Kraftlosigkeit, ein kurzer Schlaf, von einer bis zwei Minuten, wieder ein paar Schritte, bleierne Müdigkeit, ein kurzer Schlaf, die nächsten paar Schritte, bleierne Müdigkeit, ein kurzer Schlaf ... der Schmerz war aus jedem Wort herauszuhören. Man wollte rufen "Gib auf, dreh um, das ist es nicht wert", doch Aufgeben war für Henriette keine Option. 

Ich erinnerte mich, wie ich mich am Vortag einen Steilhang hinaufgequält hatte, mit schmerzenden Oberschenkeln, ein Knorz und ein Krampf und ich schämte mich beinahe ein wenig angesichts der Qualen, durch die Henriette gegangen war. Kurz vor dem Gipfel bot man ihr an, sie die letzte Strecke zu tragen - sie weigerte sich. Stapfte weiter, erreicht den Gipfel, um 13.25 Uhr am 3. September 1838, hieb ihren Wanderstab ins Eis und schrieb ihr Motto in den Schnee: "Vouloir c'est pouvoir" (Wollen ist können). Dass sie auf dem Gipfel eine Stunde lang Briefe schrieb und eine Brieftaube fliegen liess, das passt zu dieser Frau, die genau wusste, was sie wollte.

Romanas Textluss mäanderte weiter, auf den zugefrorenen See. Türkisfarben. Und der Wind kam auf, trug uns nach Italien, zu den Farben, dort, wo Gelb eine schöne Farbe ist, mit dem Lift nach oben, über die Stadt. Ich stand auf dem See, unter mir das Eis, vor mir die italienische Stadt, ich lauschte den Worten, und es gab nichts Schöneres gab als diesen Text. Wortmusik in Deutsch, Französisch, Italienisch und Rumantsch. Im Fluss. Mäandernd. Berührend. 

Auch die erste Bergführerin der Schweiz wusste, was sie wollte. Dass es schwierig werden würde in einem Land, das das Frauenstimmrecht erst 1971 eingeführt hat, in einem Ausbildungskurs, in dem sie die einzige Frau war, das war ihr bewusst. 1986 nahm sie als erste Bergführerin der Schweiz ihr Diplom in Empfang. In "Und plötzlich am Himmel ein Berg" erzählt sie, wie das war. Franziska von Fischer las Episoden aus Nicoles Weg zur Bergführerin.  

Romana übernahm, mänderte zurück nach Sils, zu Annemarie Schwarzenbach, einer anderen Schweizerin, die ihr Leben sehr selbstbestimmt gelebt hatte. Weit gereist, viel erlebt, gestorben in Sils nach einem Fahrradunfall. Leben und Tod. So nahe beieinander. In diesem Tal, das für viele das schönste Tal der Schweiz, vielleicht sogar der Welt ist, aber, so fand Romana Ganzoni, ist das nicht auch anmassend, wo es doch so viele Bergtäler gibt auf dieser Erde. Und dann dieser blaue, trügerische Himmel. Die Sonne brannte auf unsere Köpfe, immer noch. Ich war eins im Fluss mit diesen starken Frauen, die ihr Leben auf ihre Weise gelebt hatten. Ich war eins mit diesem wilden, rauen, poetischen, starken Text von Romana Ganzoni. Das also können Worte, dachte ich, das können Sätze. So klingt das Leben und das Sterben, wenn man dem Fluss der Wörter folgt, wenn man sich auf das Mäandern einlässt. Ich wollte nichts mehr, als genau so schreiben. 

Natürlich weiss ich, dass dieser Text von Romana Ganzoni, der mich in den Bann gezogen hat, nicht einfach aus ihr herausgeflossen ist. Dass es ein riesiges Stück Arbeit war, dass sie lange daran geschliffen und gefeilt hat. Das gehört zu unserem Beruf - einen Text so zu schreiben versuchen, dass die Lesenden (oder Zuhörenden) am Ende das Gefühl haben, es sei alles ein einziger Fluss. Nicht alle schaffen das. Romana ist Meisterin darin. 

Danke Romana, danke Franziska.  

Sonntag, 21. September 2025

Wild, rau, karg


Ich stand auf der Fuorcla Surlej, vor mir ein sehr kleiner Bergsee, mehr eine grosse Pfütze, dahinter Berge mit klingenden Namen, sozusagen das Who is Who der Alpen, ein Bild von überwältigender Schönheit. Meine Gefühle zu gross für mein Herz. Ich wollte für immer dort stehen bleiben, für immer einfach nur schauen, und gleichzeitig wusste ich: Ich kann nicht ewig hierbleiben. Irgendwann muss ich loslassen. Weiterwandern. Dann der Moment, in dem ich mich wegdrehe, und während ich das tue, will ich zurückblicken, stehen bleiben, aber ich gehe weiter. Trage das, was ich gesehen habe, in mir mit. Habe es mit der Kamera festgehalten. Für Tage, an denen die Sehnsucht zu gross wird.

Landschaften, die ich liebe, sind wild und rau, oft auch karg. Das Liebliche passt nicht zu mir. Dasselbe gilt für Texte und Geschichten. Ich mag sie wild und rau, oft auch karg. Einfach, kantig und mit Furchen. Das Geschliffene behagt mir nicht, Gekünsteltes langweilt mich. Schnell klingt es für mich zu geschraubt, zu gewollt, zu sehr nach: "Schau mal, was ich kann." Nicht selten habe ich dabei das Gefühl, der Autor oder die Autorin wolle mich vor allem beeindrucken. Solche Texte wecken meinen Fluchtinstinkt, ich steige genervt aus. Ich will nicht beeindruckt werden, ich will, dass mir ein Text unter die Haut ins Herz geht wie der Anblick einer Landschaft von überwältigender Schönheit.

Diese Woche habe ich beides erleben dürfen: Landschaften und Texte von wilder, rauer, karger Schönheit, die unter die Haut und ins Herz gehen. Die Landschaften haben ihren Weg in meine Social Media gefunden. Von den Texten werde ich im Post von nächster Woche berichten.  

Freitag, 12. September 2025

Ich kann nicht zeichnen


Als Englischlehrerin habe ich selten etwas an die Wandtafel gezeichnet, weil sowieso niemand herausfand, was es sein könnte. Meine Spezialität waren Katzen (die sind einfach) und Autos (die sind auch beinahe einfach). Wenn ich also past continuous versus past simple erklärte, zeichnete ich eine Strasse und ein Auto.

"I was driving .... and driving ... and driving" (past continuous)

und dann kam die Katze, die vors Auto sprang.

"... and driving, when suddenly a cat jumped right in front of my car." (past simple)

Noch einfacher zusammengefasst und ganz ohne etwas zeichnen zu müssen:

a-diddely-diddely-diddely-diddely / BANG 

Die Konsequenz: Meine jugendlichen Kursteilnehmenden hatten nicht wirklich eine Ahnung, wie man die Zeitformen nannte, aber sie konnten sie perfekt anwenden.

Zurück zum Thema. Ich würde so gerne zeichnen können. Aber ich kann das nicht. Zumindest war das fast ein Leben lang* meine Einstellung dazu. Bis Theres kam. Sie war eine von damals (glaub ich) fünf, die zur ersten Schreibrunde auftauchten. Wir machten Schreibübungen, mit denen ich zeigen wollte, dass das Schreiben in uns allen steckt, dass wir alle schreiben können, vielleicht nicht alle gleich ein Buch, aber schreiben auf jeden Fall. 

Ich fand schnell heraus, dass Theres fantastisch zeichnen kann. Und ich sagte zu ihr: "Ich würde das so gerne können, aber ich kann es nicht." Sie schaute mich an und sagte: "Mir hat jemand gesagt, dass alle Menschen schreiben können. Einfach machen, hat diese Person gesagt. Also: Zeichne einfach. Du kannst das."  Und da wären wir wieder beim BÄNG, einfach in einem anderen Zusammenhang. Ich konnte Theres schlecht widersprechen, denn sie hatte gerade mich zitiert (hüstel).

So ganz glauben wollte und konnte ich es trotzdem nicht. Bis Theres uns an einem unserer Schreibrundentage einen Workshop im Kartenzeichnen gab. Ich sass da, vor mir entstand eine wunderschöne Landkarte, und es waren meine Hand, meine Finger, die das konnten. Was für ein Gefühl! In den letzten Ferien habe ich mich sogar im Nature Journaling versucht und zu meiner Freude festgestellt, dass die Resultate gar nicht so übel aussahen - man erkannte zumindest, woran ich mich versucht hatte.

Seit drei Wochen teilen wir uns zu dritt ein Atelier. Theres zeichnet, Mariann und ich schreiben. Theres wird Zeichenworkshops anbieten - und ratet mal, wer sich zu jedem angemeldet hat. Ja, genau: Ich. Ich kann es kaum erwarten, bis es losgeht. 

Mit dem Zeichnen wird es so sein wie mit dem Schreiben. Alle können zeichnen, nicht alle werden es zur eigenen Ausstellung bringen. Aber darum geht es gar nicht. Ich kann zeichnen. äm Fall, jawoll.

* Mir ist gerade eingefallen, dass ich im Kindergarten leidenschaftlich gerne und auch sehr oft gezeichnet habe ... (Wann wird uns ausgeredet, dass wir es können resp. wann reden wir uns das aus???)

Sonntag, 7. September 2025

Sonntagnachmittag

Sonntagnachmittag. Mein wöchentlicher Blogpost ist überfällig. Mehrere Anläufe zu verschiedenen Themen sind daran gescheitert, dass ich nicht den richtigen Ton getroffen habe. Ich werde ihn finden. Aber nicht mehr heute. Und jetzt? Keinen Beitrag posten diese Woche? Das lässt mein Kopf nicht zu. Nicht schon wieder. Ich wollte doch endlich regelmässig bloggen ....

Ich erinnere mich an meine Anfangszeiten als Bloggerin (2005 oder 2006). Damals war das Bloggen für mich eine lockere Schreibübung, auch eine Auszeit vom Arbeiten an Büchern. Ich habe über das gebloggt, was mich gerade beschäftigt hat. Oft war es gesellschaftskritisch, oft auch medienkritisch, manchmal wütend, manchmal (irr)witzig, immer kämpferisch. Ich mittendrin, habe mich für alles interessiert, mich an der Politik aufgerieben und abgearbeitet. Wenn ich mich heute so stark mit der Weltlage beschäftigen würde wie damals, wäre ich längst ein Wrack. Alte Männer von Trump über Putin bis Netanjahu leben ihre Grössenwahnträume ungebremst und ohne jegliche Menschlichkeit aus. Geld regiert. Die ganze Reichen werden noch reicher. In Amerika wird es bald Trilliardäre geben. Man muss sich das mal vorstellen. Geht eigentlich gar nicht. Die (Geld)Elite von Silicon Valley hockt bei Trump und kriecht ihm in den Allerwertesten. Wer starke Nerven hat, gucke sich dieses Video an. Im Ernst: Was will man da als Angehörige des niedrigen Fussvolks noch sagen? Mir fällt dazu mein Grossvater ein, der mit der Faust auf den Küchentisch gehämmert und über die Gierschlunde geflucht hat. Glaubt mir, der Mann konnte verdammt gut fluchen. Und ich merke, dass mir dieser Blogpost entgleitet. 

Also: Neuanlauf. Sonntagnachmittag. Die unpolitische Version ohne Fluchwörter. Ich verbringe diesen Nachmittag in den Bergen. Gucke in die Landschaft. Wusle durchs Gelände. Schreibe an meinem Lost Souls Manuskript, habe Fenster geputzt, einen neuen Spiegel aufgehängt und die letzten Korrekturarbeiten am Übungsmaterial für zwei neue da bux Bücher vorgenommen. Die Rehe haben unsere Trauben gefressen und die Blätter des Rebstocks grad dazu, die Blüten des Hibiskus scheinen ihnen auch geschmeckt zu haben. Die Vögel haben sich an unserem Holunder gütlich getan - wir mussten ihn anderswo zusammensuchen, um zu unserem "Holderhungg" zu kommen. Dafür ersaufen wir in Brombeeren. Die scheinen weder die Rehe noch die Vögel zu mögen. 

Sonntagnachmittag in den Bergen. Herbstfarben. Bachrauschen. Putzlappen auf dem Balkongeländer. Ein Blogpost, der doch noch geschrieben wurde. Sonntagnachmittag. 

Samstag, 30. August 2025

Aufbruch - Neues wagen

Zeichnung: Theres Willi

Wir sind in unser Atelier eingezogen. Unsere einzigen Möbel im Moment sind Tisch und Stühle. Aber was für ein Tisch! 2.70m lang, dazu acht Stühle. Perfekt für Workshops, Kreativrunden, offene Ateliernachmittage. An unserem ersten Vormittag sassen wir da, auf dem Tisch lagen unsere Notizbücher, Stifte und Laptops, die Ideen schlugen Purzelbäume, die Liste mit den Plänen wuchs, das Konzept nickte fleissig mit dem Kopf. "Passt", sagte es. 

Mittlerweile ist auch eine Kaffeemaschine bei uns eingezogen, die Fenster sind geputzt (den Muskelkater gab's gratis dazu) und an der Eingangstür hängt ein total schönes Bild von Theres, das perfekt ausdrückt, was wir machen: schreiben und zeichnen. Tassen liegen in einem Korb, der auf dem Boden steht, ein Putzeimer langweilt sich mitten im Raum, auf dem Tisch guckt ein kleines Pflänzchen neugierig in die Gegend, die ersten Stifte haben (bunte) Gesellschaft bekommen.

Ich mag diese Aufbruchmomente, das Gehen auf neuen Wegen, ohne genau zu wissen, wie sie verlaufen werden, welche Hindernisse sich einem in den Weg stellen werden, wann man die ersten tollen Aussichtspunkte erreicht, wo man Zwischenstationen machen wird. Vom Ankommen erzähle ich etwas weiter unten. 

Erst einmal hüpfe ich zu einem anderen Aufbruch: Vor zehn Jahren habe ich mit zwei Autorenkollegen den da bux Verlag gegründet. Auch damals sassen wir an einem langen Tisch, auch damals lagen auf dem Tisch Notizbücher, Stifte und Laptops, auch damals schlugen die Ideen Purzelbäume, die Liste mit den Plänen wuchs und das Konzept nickte fleissig mit dem Kopf und sagte: "Passt." Wir wussten nicht, ob unser Projekt funktionieren würde, ob wir schon am Anfang grandios scheitern würden, ob eine lange Durststrecke auf uns warten würde oder ob wir irgendwann sagen könnten: YES!

Heute, zehn Jahre später, feiern wir die zehnte Edition. Der Weg zu dieser zehnten Edition war ein tolles, aufregendes, spannendes Abenteuer mit wunderbaren Begegnungen und Erlebnissen. Wir haben unendlich viel gelernt und lernen mit jeder Edition dazu. Das Beste: Wir sind immer noch voller Schwung und hoch motiviert unterwegs. Ich habe gelernt, dass jede Zwischenstation ein Ankommen ist - und wenn es so richtig gut läuft, dann geht man begeistert weiter. 

PS: Zur Verlagsfeier seid ihr herzlich eingeladen: 13. September, Fabriggli Buchs, ab 14.00 Uhr. Die Einladung zu unseren offenen Atelierrunden folgt in Kürze. Also: Stay tuned oder - auf gut Schweizerdeutsch - bliiben dra. 

Freitag, 22. August 2025

Gemeinsam kreativ im eigenen Atelier


Darf ich vorstellen: Unser Atelier. 28 Quadratmeter Büroraum in der alten Schuhfabrik in Grabs, mit einem Empfangsraum auf dem Stockwerk zur Mitbenutzung. Heute Morgen haben wir ihn zum ersten mal als Mieterinnen betreten. Wir, das sind Theres, Mariann und ich. Kennen tun wir uns aus der Schreibgruppe, wo wir uns jeden ersten Donnerstag des Monats in der Bibliothek Buchs treffen. Und weil wir in der Gruppe nicht nur viel lachen, viel essen, viel diskutieren und viel schreiben, sondern auch so richtig gross und mutig träumen, lag irgendwann auch ein eigenes Atelier nicht mehr unerreichbar weit weg, sondern zum Greifen nah. Wir wollen darin gemeinsam schreiben und zeichnen und auch Workshops anbieten.

Vom Entschluss, einen Raum zu suchen, bis zum Mietvertrag vergingen nicht einmal zwei (auf- und anregende) Monate. Noch stehen nur zwei Tische im Atelier, die uns nicht gehören. Die kommen raus und werden durch einen langen Tisch ersetzt, an dem es Platz zum Schreiben und Zeichnen sowie für Workshoprunden hat. Das ist erst einmal das Wichtigste. Der Rest kommt nach und nach dazu. Was wir wollen und wo wir es hinstellen möchten, wissen wir. Neues kaufen werden wir so wenig wie möglich. Wir mögen den Gedanken, dem Atelier mit gebrauchten Möbel seinen eigenen Charme zu verleihen. Nicht zuletzt ist das auch eine finanzielle Frage. Dazu gleich unten noch mehr.

Nachfolgend ein paar Gedanken zu den Beweggründen für ein Atelier und nach welchen Kriterien wir bei der Suche vorgegangen sind.

Beweggründe für ein Atelier: 

Kreatives Arbeiten ist eine stille Tätigkeit, oft zu Hause ausgeführt, oft auch ohne die Möglichkeit eines Gedankenaustauschs, eines gemeinsamen Brainstormings oder ermunternden Worten, wenn man in seiner Kreativarbeit feststeckt. In der Schreibrunde erleben wir jedes Mal aufs Neue, wie sehr gemeinsames Schreiben Knoten löst, motiviert, Ideen freisetzt und Energie schenkt. Natürlich kann man das auch online haben, aber nichts ist so schön, so toll und so cool wie das reale (Er)Leben. 

Vielleicht willst du auch einfach in einem Atelier arbeiten, damit deine Arbeit auch als Arbeit wahrgenommen und anerkannt wird. Oder du willst ein paar Stunden pro Tag oder Woche raus aus deinem Alltag, in eine ganz andere Umgebung. Oder du möchtest Workshops anbieten und brauchst sowieso einen Raum. Oder du willst ganz generell durchstarten und mutig etwas Neues wagen, das dich und deine Arbeit weiterbringt.

Kriterien für die Suche:

Unsere wichtigsten Kriterien auf der Suche waren: eine bezahlbare Miete, eine passende Raumgrösse und eine gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr (in dieser Reihenfolge). Bei der Miete haben wir uns ein Maximallimit gesetzt, bei der Raumgrösse ein Minimallimit. Bei der ÖV-Anbindung waren wir grosszügig, aber nicht zu grosszügig. Grund: Wenn der Raum zu weit weg oder nur umständlich erreichbar ist, geht man eher nicht hin, wenn gerade viel los ist oder das Wetter sich von der garstigen Seite zeigt. Ganz wichtig war uns auch, dass möglichst viel Tageslicht in den Raum fällt. Andere Kriterien: Suche ich allein, zu zweit oder gleich in einer Gruppe? Wie sehen die Mietkonditionen aus (minimale Mietdauer, Kündigungsfristen, Nebenkosten usw.)? Wie alt darf oder wie neu soll das Atelier sei - wo sind meine Wohlfühlgrenzen? Wie will ich das Atelier nutzen? Wenn es auch Shop sein soll, braucht es eine gute Lage (und ist wahrscheinlich eher teuer). 

Bei der Suche haben wir uns an Online-Portale gehalten. Wir hatten Glück und fanden mehrere (zum Teil nur lokal) ausgeschriebene Objekte, die wir uns auch anschauen gingen. Möglich sind auch ein Herumfragen im Bekanntenkreis oder ein Kleininserat in lokalen oder regionalen Läden. Was ich persönlich nicht so mochte, waren die Inserate, bei denen beim Preis "Auf Anfrage" stand. Dort habe ich jeweils angerufen und nachgefragt. Ich mag es, wenn die Kriterien transparent sind. Es hilft mir nicht, wenn mir ein netter Herr erklärt, zum Büro gehöre auch eine ganze Bürogemeinschaft mit Gemeinschaftsraum und Gemeinschaftsküche, was das Büro halt ein wenig teurer mache. Mein Tipp: Kontaktiert solche Anbieter trotzdem. Man weiss ja nie. Vielleicht passt der Preis ja doch.

Wichtig auch: Wenn man sein Traumobjekt gefunden hat, unbedingt noch einmal rational alles durchdenken. Ja, es mag super schön sein, aber stimmt auch alles? Hält man sich an seine eigenen Kriterien? Was sagt das Bauchgefühl? Was sagt der Kopf? Lieber einmal zu viel überschlafen als einmal zu wenig.

Die Miete ist das eine. Das andere ist das Einrichten. Kalkuliert bei das bei euren Überlegungen unbedingt mit ein. Die Miete können wir in unserem Fall auf drei Personen aufteilen. Für das Einrichten wollen wir uns dafür nicht in riesige Unkosten stürzen. Viel lieber geben wir unser Geld für Flyer für unsere Workshops aus. 

Wir sind parat. Es kann losgehen. Auch hier gilt: Ich werde berichten. Wenn ihr Fragen habt, nutzt gerne die Kommentarfunktionen. Am liebsten hier im Blog, aber es geht auch auf Facebook oder Insta, wo ich die Blogposts jeweils verlinke. 

Sonntag, 17. August 2025

Einfach machen

Man kann es sich einfach machen oder man kann einfach mal machen. Ich habe es - ENDLICH - gemacht. Die Schranktüren und Schubladenfronten gründlich gereinigt, die Holzpassagen abgedeckt (elende Plackerei, denn es musste auf den Zehntelmillimeter stimmen), den Farbtopf geöffnet, die Grundierfarbe mit dem Härter im richtigen Verhältnis gemischt, alles kräfig gerührt und dann ... angefangen. Langsam, gründlich, konzentriert. 

Nach der Grundierung bin ich mit der Deckfarbe drüber, wieder mit einem Härter gemischt, diesmal mit einem anderen Verhältnis zwischen Farbe und Härter. Danach vorsichtig die Klebebänder abgezogen. Trotz gründlicher Arbeit blieben an ein paar Stellen zwischen Holz und Farbe helle Ränder. Also nachbessern ... 

Die frische Farbe schien etwas gar grün, aber beim Trocknen hat sie nachgedunkelt und ist jetzt einfach perfekt. Witzig ist ja, dass sowohl die Farben der Arbeitsplatte als auch die neu aufgetragene Farbe ihren Ton je nach Licht von fast grau bis zu ziemlich grün ändern, immer schön synchron. 

Am Ende stand ich in der Küche, freute mich ob dem Resultat und fragte mich gleichzeitig: "Warum habe ich das nicht schon vor Jahren gemacht?"

Das Konzept: Das Grün der Arbeitsplatte, das Braun des Holzes und das Grau des Bodens muss sich im Resultat spiegeln. Deshalb habe ich nicht alles gestrichen, sondern nur die Fronten. 

Der nächste Schritt ist wieder einer, der mich herausfordert. Ich werde zum ersten Mal im Leben Fliesen übermalen, denn die rötliche Farbe der Küchenfliesen hat noch nie so richtig gepasst. Die Farbe muss ein helles Grau sein. Und ich werde ganz bestimmt nicht wieder ein paar Jahre warten!

Was mir während dieser Arbeit sehr bewusst wurde: Streichen ist wie Schreiben. Man muss sich gut überlegen, was man will, und man muss sich gründlich vorbereiten. Man beginnt motiviert, hängt irgendwann durch, hadert und fragt sich, ob das je etwas wird und wenn ja, ob man mit dem Resultat zufrieden ist. Durchhaltewillen ist gefragt. Ein Durchgang reicht meistens nicht, Nachbessern gehört  dazu. Mit der Arbeit an der Küche bin ich zufrieden. Mit der Arbeit an den Lost Souls noch nicht. Aber ich werde durchhalten! 

PS: Die Farben kaufe ich mir seit Jahren im Fachgeschäft, wo man mich auch immer sehr gut berät. 

Samstag, 9. August 2025

Wenn du es nicht versucht hast ...


Zu sagen, dass mir dieser kleine Farbtopf Angst macht, wäre nicht ganz richtig. Aber auch nicht ganz falsch. Auf jeden Fall habe ich grossen Respekt vor ihm. Denn in ihm drin steckt die Grundierung für die Schubladen- und Schranktüren der Küche im Haus in den Bergen. Ich habe unzählige Wände gestrichen. Auch Schubladen und Türen. Und vieles andere. Aber diesemal habe ich Bammel. Weil ich trotz endlosen Überlegungen, vielen längst wieder verworfenen Farbideen, unbefriedigenden Zwischenlösungen, einem resignierten "Dann bleibt halt alles, wie es ist", mehreren "Komm schon, mach endlich!" und schlussendlich einem episch langen Farbauswahlprozedere unsicher bin. Denn diesmal könnte ich es versieben. So richtig gründlich. 

Ähnlich geht es mir grad beim Schreiben. Ich bin tief in den Lost Souls. Endlich. Nach mindestens fünf Jahren on und off Schreibzeit und aus verschiedenen Gründen zerschossenen Plots. Eigentlich (haha) habe ich mir letztes Jahr eine Deadline gesetzt: "Wenn du das Ding nicht 2024 fertig schreibst, musst du es verbrennen und seine Asche im Meer verstreuen." Aber mein Herz hat Heimweh nach den Lost Souls. Es will, dass ich weiterschreibe. Also habe ich mir einen Produktionsplan erstellt. Samt Deadlines. Zu sagen, dass mir diese Deadlines Angst machen, wäre nicht ganz richtig. Aber auch nicht ganz falsch. Auf jeden Fall habe ich grossen Respekt vor ihnen. Und ich habe Angst, dass ich dieses Herzprojekt versiebe.

Beim Wandern sind es die Suretta-Seen, die schon letztes Jahr auf meiner Wunsch- aber halt auch Angstliste standen. Dieses Jahr will ich zu ihnen hoch wandern. Für andere ein Klacks, für mich eine ziemliche Herausforderung. 

Ich könnte jetzt sagen: "Ach, die Küche ist auch so schön genug." Ich könnte mir einreden, dass es auch wunderbar ohne Band fünf (und sechs) der Lost Souls geht. Und dass es andere schöne Seen gibt, die für mich einfacher zu erreichen sind. 

Werde ich aber nicht. Kann ich auch gar nicht :-) Auf meiner Webseite steht nämlich seit Jahren unter "Lebensphilosophie": 

Wenn du es nicht versucht hast, weißt du nicht, ob‘s geklappt hätte. 

Also dann ... Ich werde berichten. So oder so. Versprochen.  

Freitag, 1. August 2025

Fehlfunktion


Wir leben in einer Welt voller Fehlfunktionen. Systeme, die behaupten zu funktionieren, tun es meist nur für einige wenige. Kapitalismus, Politik, Bildung, soziale Netzwerke - alles basiert auf einem Grundgerüst, das bei genauer Betrachtung brüchig ist. Wir akzeptieren es, weil es seit Generationen funktioniert hat oder zumindest so getan hat, als würde es funktionieren. Fortschritt ist ein Versprechen, das uns versichert, dass diese Systeme irgendwann gerechter, zugänglicher, effektiver sein werden. Aber wann ist das jemals passiert?

So beginnt das Buch Fehlfunktion von Josia Jourdan. Und ich wusste: Dieses Buch wird mich begeistern. Ich bin nicht enttäuscht worden. Gnadenlos offen und ehrlich (vor allem auch mit sich selbst) nimmt uns Josia in Form von Essyas und Reflexionen mit auf eine Reise durch das, was uns beschäftigt und umtreibt. Er fragt sich, ob wir uns zu Tode arbeiten und warum, stellt fest, dass wir oft nicht mehr wissen, wer wir sind, geht der Frage nach, warum alles immer verbunden ist und man trotzdem einsam ist, und plädiert zu einer Rückkehr zum Echten. Dabei deckt er auch schonungslos unsere inneren Widersprüche auf (zum Beispiel: Wie kann man den Kapitalismus kritisieren und sich gleichzeitig in der Konsumwelt bewegen?). Am Ende der Texte gibt uns Josia jeweils Reflexionsfragen mit - für uns selbst oder als Diskussionsgrundlage mit anderen. 

In seinen Texten setzt sich Josia mit Fragen auseinander, die seine Generation betreffen und mir helfen, sie besser zu verstehen. Und trotzdem geht das Buch uns alle an; die Fragen, die Josia stellt, betreffen jede und jeden von uns, denn Gefühle sind so alt wie die Menschheit, und mit dem ganzen technischen Fortschritt und dem gesellschaftlichen und politischen Umbruch, der uns gerade gewaltig herausfordert, müssen auch ältere Semester klarkommen. Rollenbilder ändern sich, zum Glück. Wir sind alle verschieden und (endlich und gleichzeitig noch) leben wir in einer Gesellschaft, in der wir sein dürfen, wer wir tief im Innern sind. Wir sollen und dürfen uns hinterfragen, wir dürfen widersprüchlich sein, wir dürfen fehlfunktionieren. Denn das macht uns aus.

Vielleicht kann man in einer dysfunktionalen Welt nur funktionieren, indem man fehlfunktioniert.

Fehlfunktion berührt und fordert mich auf vielen Ebenen. Inhaltlich haben mich die Themen der Texte völlig gepackt. So sehr, dass ich es einmal fast verpasst hätte, in Buchs aus dem Zug zu steigen. So sehr, dass ich Herrn Ehemann immer wieder begeistert Passagen aus dem Buch vorgelesen habe. Formal hat mich die Art der Texte mit den direkten Fragen an mich fasziniert. Und natürlich der Dialog zwischen Josia und der KI.

Und damit komme ich zu einem Punkt am Buch, den Josia wahrscheinlich gar nicht so auf dem Radar hatte. Im Gegensatz zu anderen bereitet es mir überhaupt keine Mühe, dass Josia mit einer KI gearbeitet hat. Sie hat ihn (herausge)fordert, er hat sich mit dem auseinandergesetzt, was sie ihn gefragt und was sie ihm gesagt hat. Ein spannendes Experiment. Was mich schlicht umgehauen hat: wie menschlich, wie klug, wie philosophisch die KI fragt und antwortet und reagiert. Wenn wir heute über Gefahren der KI sprechen, können und müssen wir darüber reden, was sie mit unserer Arbeit macht. Aber wir müssen vor allem auch darüber reden, was sie mit uns Menschen macht. Immer wieder habe ich beim Lesen gedacht: Himmel, so einen Gesprächspartner hätte ich auch gerne. Ich habe verstanden, warum es Menschen gibt, die lieber mit KIs reden, warum sie ihr mehr vertrauen als anderen Menschen, ja sogar, warum sich jemand in eine KI verliebt und sie heiraten will. Darüber sollten wir reden, müssen wir reden, damit müssen wir uns auseinandersetzen. Denn davon, so finde ich, geht eine riesige Gefahr aus. 

Zurück zum Buch, denn einen Punkt habe ich noch nicht erwähnt. Und dieser Punkt ist der Autor. Ich kenne Josia seit mindestens zehn Jahren und mag ihn sehr. Als ich erfuhr, dass er ein Buch geschrieben hat, hatte ich grosse Angst, es könnte mir nicht gefallen (je mehr ich jemanden mag, desto grösser ist meine Angst, sein/ihr Buch nicht zu mögen). Ich habe die Angst verloren, als er auf den Social Media angefangen hat, Passagen daraus vorzulesen. Mit der ersten Seite des Buches hat er mich überzeugt (aber das sagte ich ja schon).

Zu all dem kommt noch Bewunderung dazu: Dafür, dass Josia mit diesem Buch seinen eigenen Weg gegangen ist und es im Self Publishing veröffentlicht hat. Das braucht eine gewaltige Portion Mut. Und vielleicht, Josia, muss man für so was tatsächlich eine Fehlfunktion sein ;-) Nimm das als Kompliment. Ich fand nämlich nach dem Lesen des Buches, dass du eine wunderbare Fehlfunktion bist. Genauso schön war die Erkenntnis, dass auch ich eine herrliche Fehlfunktion bin. Das seid ihr übrigens alle auch. Und das ist gut so.

Josia Jourdan ist Journalist, Autor, Moderator, Buchblogger und Fehlfunktion. Mehr über ihn und zu ihm findet ihr auf seiner Webseite. Sein Buch Fehlfunktion findet ihr überall, wo es Bücher gibt. 

Freitag, 25. Juli 2025

Achtzehn Meter und no way out


Achtzehn Meter (oder so) von der Haustür bis zum Briefkasten. Ein Paket, leicht ramponiert. Der Puls bei mindestens 180 Schlägen pro Minute. Zwei Menschen in einer Küche in Werdenberg. 20 Sekunden lang angehaltener Atem. Fünf wunderschöne Bücher. Eine Hand, die über das Cover fährt. Zwei Menschen, die sich umarmen und gemeinsam freuen.

Ortswechsel.

Zwei Menschen auf einer Brücke. Achtzehn Meter hoch. Smiley, der mit dem Herzen denkt und fühlt, und Mick, für den das Herz ein Muskel ist, der Blut durch den Körper pumpt, mehr nicht, denn sonst täte das Leben viel zu weh. Smiley, der achtzehn Meter weiter unten am Fluss wohnt, sein Leben lang schon. Mick, der nie lange an einem Ort bleibt. Auch bei Smiley nicht, obwohl der ziemlich okay ist. Um genau zu sein: so sehr okay, dass Mick ihn mag. Geht gar nicht. Von wegen Herzmuskel und nicht fühlen wollen und so. Also zieht Mick weiter. Und dann, auf einer einsamen Landstrasse, passiert es. 

Ein Wagen nähert sich, und Sekunden später liegt Mick blutend im Strassengraben. Was wie ein Unfall aussieht, ist Teil eines skurpellosen Plans. Viel zu spät erkennt Mick, in was er da hineingeraten ist - und dass für ihn kein Entkommen vorgesehen ist.

Zum Glück ist da noch Smiley ...  

Ich liebe dieses Buch. Sehr. Immer noch. Es war damals aktuell, heute ist es aktueller denn je. Zwei gute Gründe, es neu aufzulegen.

#no_way_out ist ab sofort wieder erhältlich. Online und in der Buchhandlung deiner Wahl. Einfach hingehen und bestellen. Und wenn es dir gefällt, würde es mich freuen, wenn du es weiterempfiehlst. Oder eine Rezension schreibst. Oder es kurz in einer Story auf Social Media empfiehlst. Oder grad alles zusammen. 

Herzlichen Dank!

Verlag: BoD
Label: CARGO44
Lektorat: Carolin Böttler
Korrektorat: Inge Lütt
Das Original erschien im Thienemann Verlag, Stuttgart 

Freitag, 18. Juli 2025

Dieser eine Moment


853 Mal gecheckt. Mindestens. 49 Mal leer geschluckt. Mindestens. Die Hand verkrampft auf der Maus, der Puls ungesund hoch. Muffensausen. Nervenflattern. Leichte Übelkeit. Der Gedanke: Komm, trink noch einen Kaffee ... oder etwas Stärkeres ... bevor ... ach, oder doch lieber erst morgen ... 

Hilft alles nichts. Augen zu und durch und ... KLICK.

Die Textdatei ist weg. Freigegeben.

Dasselbe Elend bei der Coverdatei.

Danach keine Erleichterung, sondern das nagende Gefühl, einen Fehler (oder zwei oder drei) übersehen zu haben. 

Verdrängung, nicht daran denken. 

Kaffee.

Stunden später fühle ich sie doch noch, die Erleichterung darüber, es geschafft zu haben. Freude. Auch ein bisschen Stolz. Eines meiner vergriffenen Herzblutbücher wird bald wieder erhältlich sein. Vor ein paar Jahren ist es aus der Verlags-Backlist gefallen, bald reiht es sich wieder bei jenen Büchern ein, die ein zweites Leben bekommen. Mit meinen beiden Klicks habe ich #no_way_out an BoD geschickt, den Anbieter, bei dem ich meine ausgemusterten Bücher neu herausgebe. 

Nun dauert es irgendwas zwischen einer und drei Wochen, bevor das Buch in den Online-Shops angekommen ist und man es auch im Buchhandel bestellen kann. Ein bisschen Nervosität und Anspannung bleibt. Das ist gut so. Es zeigt mir, dass ich immer noch für meine Geschichten brenne.

Mehr zu Buch dann, wenn es lieferbar ist und ich sein neues Leben offiziell feiern kann. 

Wer Lust auf einen Einblick in die Welt der vergriffenen Bücher und die Bedeutung von Backlists (lieferbare Titel) hat, dem empfehle ich dazu mein YouTube-Video zu diesem Thema: