Ich hatte Glück. Gleich mein erstes Buch Blackout verkaufte sich an einen guten deutschen Kinder- und Jugendbuchverlag. Danach lief alles wie von selbst; das Buch wurde zur Schullektüre verkauft sich auch heute noch gut, der Verlag fragte nach mehr. Bis vor zwei Jahren. Da geriet dieser vermeintliche Selbstläufer ins Stocken und ich ins Grübeln - mit zeitweiligen Stürzen in den emotionalen Abgrund. Dass ich schreiben wollte, stand ausser Zweifel, aber ob ich weiterhin veröffentlichen konnte oder gar wollte, war mehr als fraglich.
Was ich im letzten Satz kurz und knapp zusammengefasst habe, war in Wirklichkeit ein monatelanges Hadern mit der Branche, ein Ringen mit mir und sehr, sehr viel Unsicherheit in Bezug auf meine berufliche Zukunft, aber auch auf mich selbst. Es gab Zeiten in dieser Phase, in denen ich mich kleiner und unbedeutender fühlte als ein kleines Würstchen. Nun bin ich so gestrickt, dass ich zwar grässlich fallen kann, aber irgendwann kommt bei mir immer der Punkt, an dem ich mir sage: "Spinnst du eigentlich? Warum tust du dir das an?" Wenn ich diesen Punkt erreiche, kommt die Energie zurück. Und wie. Dann reinige ich meine verklebten Flügel, breite sie aus und fliege.
Konkret hiess das für mich: Ich entschied mich - nach einem agenturlosen Jahr - erneut eine Agentur zu suchen, denn damit konnte ich mich aufs Schreiben konzentrieren und den ganzen geschäftlichen Rest jemandem abgeben. Zu meiner grossen Freude kam ich bei meiner Wunschagentur unter. Meine Agentin, Frau Hanauer, war begeistert von meiner Serienidee und zog damit los. Ich schreib mein Buch, das diesen Sommer erscheinen wird, und da ich mir nicht die Illusion machte, für meine Serie sofort einen Verlag zu finden, plottete ich und fabrizierte Leseproben.
Eigentlich könnte damit alles gut sein. Aber irgendwo klemmte es immer noch. Ende 2011 gestand ich mir ein, was ich eigentlich immer gewusst hatte: Ich bin keine Plotterin. Ich bin keine Leseprobeschreiberin. Ich will meine Geschichten während des Schreibens entwickeln. An den ersten paar Kapiteln eines Buches schreibe ich endlos lange, bis sie für mich stimmen. Und weil eine Leseprobe meistens die ersten paar Kapitel eines Buches sind, dauert das entsprechend lange - ich kann sie nicht einfach so aus dem Ärmel schütteln. Als der erste Verlag fragte, ob ich nicht noch 25 Seiten Leseprobe mehr schreiben könne, schrieb ich die zwar, schickte die auch an die Agentin, war aber überhaupt nicht zufrieden damit. Das Glück wollte es, dass diese Seiten nie den Weg zum nachfragenden Verlag fanden.
Es war Zeit für einen weiteren Entscheid. Diesmal dauerte meine Nachdenk- und Entscheidungsphase viel weniger lange. Ich stürzte auch nicht ab. Ich betrachtete die ganze Sache sehr nüchtern und entschied mich für mich. Für meine Art zu schreiben. Das bedeutet: Ich bat meine Agentin, die Verlagssuche einzustellen, mich einfach schreiben zu lassen, und zwar so lange, bis ich einen Text habe, zu dem ich wirklich stehen kann - oder mir ein Verlag ganz alleine auf der Basis einer Grundidee eine Geschichte abkauft (was ein ziemliches Risiko für den Verlag ist). Sie wies mich darauf hin, dass ich unter Umständen sehr viel Zeit in etwas investiere, das dann kein Verlag veröffentlichen will. Das war mir bewusst. "Dann machen wir es so", meinte meine Agentin und ich wusste einmal mehr, bei der genau richtigen Agentur gelandet zu sein.
Damit sind wir beim Februar 2012. Ich schreibe. An zwei Projekten, für die ich keinen Verlag habe. Für mich. Genau das, was ich schreiben will. Ob es gefragt ist oder nicht. Und ich fühle mich so frei und unbeschwert dabei wie damals, als ich mein erstes Buch geschrieben habe, ohne zu wissen, ob ich es je schaffen würde, bis ans Ende der Geschichte zu kommen, ganz zu schweigen davon, ob ich einen Verlag dafür finden würde (damals dachte ich lange nicht einmal an einen Verlag; ich wollte einfach die Geschichte schreiben).
Das Wunderbare an der Sache: Nachdem ich mich dafür entschieden hatte, als Autorin genau so zu arbeiten, wie es zu mir passt, bot mir der Thienemann Verlag an, einen Thriller zu schreiben. Ohne eine Leseprobe zu sehen. Ich sagte zu und wenn alles klappt, gefällt dem Verlag die Grundidee zu meiner Geschichte. Das weiss ich noch nicht. Genauso wenig wie ich weiss, was konkret aus dieser Grundidee werden wird. Das entwickelt sich dann beim Schreiben :-)
Aber nicht nur das: Ich bekomme Leseanfragen und Anfragen für Workshops. Seit vorgestern Abend bin ich zudem Teil eines irren Wahnsinnsprojekts, an dem ich zwar nichts verdienen werde, das aber genau das ist, was ich machen möchte.
Ich habe das Gefühl, endlich angekommen zu sein.
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