In den letzten beiden Wochen bin ich auffällig oft über das Thema
Rezensionen gestolpert:
- Eine Schulklasse, dich ich morgen besuche, will wissen, wie ich mit Rezensionen umgehe.
- Ich war gerade mit einer Rezension konfrontiert, auf die ich, entgegen aller Vorsätze, geantwortet habe.
- Rezis und der Umgang damit sind zurzeit ein Thema in unserem Schreibforum.
Anlass genug, hier einmal ein paar Worte zum Thema zu schreiben:
Am Anfang liest man jede. Später nicht mehr. Auf die Gefahr hin, wirklich tolle Buchbesprechungen glatt zu verpassen. Im ruhigen Bewusstsein, sich die schlechten Rezensionen erspart zu haben. Irgendwann erklärt fast jeder Autor abgebrüht: "Ich lese keine Rezis mehr." Oder etwas markiger: "Das tue ich mir nicht mehr an."
Genau so weit war ich vor einer guten Woche an der Buchmesse in Leipzig. Ich sass in einer Runde von Autorinnen und erklärte ziemlich bestimmt: "Ich lese keine mehr." Um dann nach Hause zu kommen, eine Zweisterne-Rezi auf Amazon zu finden und sie trotz allem zu lesen. Da stand dann etwas von "unterirdischem Schreibstil", "konstruierter Handlung" und "schade, dabei mochte ich die Schweiz so gerne." Es war der dritte Satz, der mich zu einer Antwort verleitete.
Warum nicht die ersten beiden? Weil man solche Rückmeldungen als Autorin aushalten können muss. Weil Geschmäcker verschieden sind und auch mehr oder weniger blumig oder eben knallhart auf den Punkt gebracht werden können. Weil jede Antwort als (eingeschnappte) Rechtfertigung wahrgenommen werden würde (und es vielleicht sogar wäre), selbst wenn man total recht hätte (manchmal fragt man sich nämlich, ob der rezensierende Mensch das Buch gelesen hat, das man geschrieben hat). Und selbst wenn man denkt, dass der Rezensent den Finger tatsächlich auf einen wunden Punkt gelegt hat, antwortet man nicht, sondern macht sich eine mentale Notiz, beim nächsten Buch auf diesen Schwachpunkt zu achten.
Es war also der dritte Punkt, der mich zu einer spontanen Antwort verleitete. Dabei ignorierte ich die Punkte eins und zwei und kam direkt zur Schweiz. Humorvoll. Und bekam promt eine - ebenfalls humorvolle - Antwort. Unter anderem, dass ich als gelobte Autorin eine solche Besprechung bestimmt verschmerzen könne.
Schön wär's. Und es wäre in meinem Fall eine Lüge, wenn ich sagen würde: "Klar doch." Ich habe zurückgeschrieben. Unter anderem das da: "Locker verschmerzen tut solche Rückmeldungen fast kein Autor (ich auch
nicht), denn das Schreiben ist ein sehr persönlicher Vorgang, bei dem
man auf eine Art auch immer seine Seele freilegt. Und ein guter Autor
liebt seine Figuren und Geschichten. Was man liebt, möchte man verteidigen." Doch: Wenn ein Text dem Leser oder der Leserin nicht gefällt, ist das einfach so. Da nützt alles Verteidigen und Erklären nichts. Mir gefällt ja auch nicht alles. Kann es gar nicht.
Also Augen zu und keine Rezensionen mehr lesen? Das war eigentlich mein Ziel, meinem Seelenfrieden zuliebe. Aber dann schickte mir die Presseabteilung meines Verlags eine wunderbare Rezi, die ich zum Glück las. Also doch alle Rezensionen lesen, die man findet? Ich habe mich für einen Mittelweg entschieden: jene Rezensionen zu Ende zu lesen und zu Herzen zu nehmen, in denen der Rezensent auf das Buch eingeht und sich ernsthaft damit auseinandersetzt, unabhängig davon, ob das Resultat dann ein "gefreutes" oder
weniger "gefreutes" ist.
Schenken oder tatsächlich weniger zu Herzen nehmen tue ich mir folgende zwei Kategorien:
- Rezis, die in wenigen Sätzen und ohne Begründung den Text in Grund und Boden stampfen oder, noch schlimmer, auf den Autor zielen statt auf den Text.
- Rezis, bei denen der Rezensent sich um Runden wichtiger nimmt als das Buch (ähnlich wie die Fussball"fans" in den Südkurven, die dem Spielfeld den Rücken zukehren und mehr auf das eigene Tun als auf das Spiel konzentriert sind - und denken, ohne sie wäre die Fussballwelt nur halb so spannend).
Herzhaft lachen darf man über solche Rezis:
"Ich gebe diesem Buch einen Stern, weil es nie geliefert wurde." Oder: "Die Lieferung erfolgte überraschend schnell und der Schutzumschlag war in tadellosem Zustand. Deshalb: Fünf Sterne."
Und notfalls gilt das da: