Freitag, 22. August 2025

Gemeinsam kreativ im eigenen Atelier


Darf ich vorstellen: Unser Atelier. 28 Quadratmeter Büroraum in der alten Schuhfabrik in Grabs, mit einem Empfangsraum auf dem Stockwerk zur Mitbenutzung. Heute Morgen haben wir ihn zum ersten mal als Mieterinnen betreten. Wir, das sind Theres, Mariann und ich. Kennen tun wir uns aus der Schreibgruppe, wo wir uns jeden ersten Donnerstag des Monats in der Bibliothek Buchs treffen. Und weil wir in der Gruppe nicht nur viel lachen, viel essen, viel diskutieren und viel schreiben, sondern auch so richtig gross und mutig träumen, lag irgendwann auch ein eigenes Atelier nicht mehr unerreichbar weit weg, sondern zum Greifen nah. Wir wollen darin gemeinsam schreiben und zeichnen und auch Workshops anbieten.

Vom Entschluss, einen Raum zu suchen, bis zum Mietvertrag vergingen nicht einmal zwei (auf- und anregende) Monate. Noch stehen nur zwei Tische im Atelier, die uns nicht gehören. Die kommen raus und werden durch einen langen Tisch ersetzt, an dem es Platz zum Schreiben und Zeichnen sowie für Workshoprunden hat. Das ist erst einmal das Wichtigste. Der Rest kommt nach und nach dazu. Was wir wollen und wo wir es hinstellen möchten, wissen wir. Neues kaufen werden wir so wenig wie möglich. Wir mögen den Gedanken, dem Atelier mit gebrauchten Möbel seinen eigenen Charme zu verleihen. Nicht zuletzt ist das auch eine finanzielle Frage. Dazu gleich unten noch mehr.

Nachfolgend ein paar Gedanken zu den Beweggründen für ein Atelier und nach welchen Kriterien wir bei der Suche vorgegangen sind.

Beweggründe für ein Atelier: 

Kreatives Arbeiten ist eine stille Tätigkeit, oft zu Hause ausgeführt, oft auch ohne die Möglichkeit eines Gedankenaustauschs, eines gemeinsamen Brainstormings oder ermunternden Worten, wenn man in seiner Kreativarbeit feststeckt. In der Schreibrunde erleben wir jedes Mal aufs Neue, wie sehr gemeinsames Schreiben Knoten löst, motiviert, Ideen freisetzt und Energie schenkt. Natürlich kann man das auch online haben, aber nichts ist so schön, so toll und so cool wie das reale (Er)Leben. 

Vielleicht willst du auch einfach in einem Atelier arbeiten, damit deine Arbeit auch als Arbeit wahrgenommen und anerkannt wird. Oder du willst ein paar Stunden pro Tag oder Woche raus aus deinem Alltag, in eine ganz andere Umgebung. Oder du möchtest Workshops anbieten und brauchst sowieso einen Raum. Oder du willst ganz generell durchstarten und mutig etwas Neues wagen, das dich und deine Arbeit weiterbringt.

Kriterien für die Suche:

Unsere wichtigsten Kriterien auf der Suche waren: eine bezahlbare Miete, eine passende Raumgrösse und eine gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr (in dieser Reihenfolge). Bei der Miete haben wir uns ein Maximallimit gesetzt, bei der Raumgrösse ein Minimallimit. Bei der ÖV-Anbindung waren wir grosszügig, aber nicht zu grosszügig. Grund: Wenn der Raum zu weit weg oder nur umständlich erreichbar ist, geht man eher nicht hin, wenn gerade viel los ist oder das Wetter sich von der garstigen Seite zeigt. Ganz wichtig war uns auch, dass möglichst viel Tageslicht in den Raum fällt. Andere Kriterien: Suche ich allein, zu zweit oder gleich in einer Gruppe? Wie sehen die Mietkonditionen aus (minimale Mietdauer, Kündigungsfristen, Nebenkosten usw.)? Wie alt darf oder wie neu soll das Atelier sei - wo sind meine Wohlfühlgrenzen? Wie will ich das Atelier nutzen? Wenn es auch Shop sein soll, braucht es eine gute Lage (und ist wahrscheinlich eher teuer). 

Bei der Suche haben wir uns an Online-Portale gehalten. Wir hatten Glück und fanden mehrere (zum Teil nur lokal) ausgeschriebene Objekte, die wir uns auch anschauen gingen. Möglich sind auch ein Herumfragen im Bekanntenkreis oder ein Kleininserat in lokalen oder regionalen Läden. Was ich persönlich nicht so mochte, waren die Inserate, bei denen beim Preis "Auf Anfrage" stand. Dort habe ich jeweils angerufen und nachgefragt. Ich mag es, wenn die Kriterien transparent sind. Es hilft mir nicht, wenn mir ein netter Herr erklärt, zum Büro gehöre auch eine ganze Bürogemeinschaft mit Gemeinschaftsraum und Gemeinschaftsküche, was das Büro halt ein wenig teurer mache. Mein Tipp: Kontaktiert solche Anbieter trotzdem. Man weiss ja nie. Vielleicht passt der Preis ja doch.

Wichtig auch: Wenn man sein Traumobjekt gefunden hat, unbedingt noch einmal rational alles durchdenken. Ja, es mag super schön sein, aber stimmt auch alles? Hält man sich an seine eigenen Kriterien? Was sagt das Bauchgefühl? Was sagt der Kopf? Lieber einmal zu viel überschlafen als einmal zu wenig.

Die Miete ist das eine. Das andere ist das Einrichten. Kalkuliert bei das bei euren Überlegungen unbedingt mit ein. Die Miete können wir in unserem Fall auf drei Personen aufteilen. Für das Einrichten wollen wir uns dafür nicht in riesige Unkosten stürzen. Viel lieber geben wir unser Geld für Flyer für unsere Workshops aus. 

Wir sind parat. Es kann losgehen. Auch hier gilt: Ich werde berichten. Wenn ihr Fragen habt, nutzt gerne die Kommentarfunktionen. Am liebsten hier im Blog, aber es geht auch auf Facebook oder Insta, wo ich die Blogposts jeweils verlinke. 

Sonntag, 17. August 2025

Einfach machen

Man kann es sich einfach machen oder man kann einfach mal machen. Ich habe es - ENDLICH - gemacht. Die Schranktüren und Schubladenfronten gründlich gereinigt, die Holzpassagen abgedeckt (elende Plackerei, denn es musste auf den Zehntelmillimeter stimmen), den Farbtopf geöffnet, die Grundierfarbe mit dem Härter im richtigen Verhältnis gemischt, alles kräfig gerührt und dann ... angefangen. Langsam, gründlich, konzentriert. 

Nach der Grundierung bin ich mit der Deckfarbe drüber, wieder mit einem Härter gemischt, diesmal mit einem anderen Verhältnis zwischen Farbe und Härter. Danach vorsichtig die Klebebänder abgezogen. Trotz gründlicher Arbeit blieben an ein paar Stellen zwischen Holz und Farbe helle Ränder. Also nachbessern ... 

Die frische Farbe schien etwas gar grün, aber beim Trocknen hat sie nachgedunkelt und ist jetzt einfach perfekt. Witzig ist ja, dass sowohl die Farben der Arbeitsplatte als auch die neu aufgetragene Farbe ihren Ton je nach Licht von fast grau bis zu ziemlich grün ändern, immer schön synchron. 

Am Ende stand ich in der Küche, freute mich ob dem Resultat und fragte mich gleichzeitig: "Warum habe ich das nicht schon vor Jahren gemacht?"

Das Konzept: Das Grün der Arbeitsplatte, das Braun des Holzes und das Grau des Bodens muss sich im Resultat spiegeln. Deshalb habe ich nicht alles gestrichen, sondern nur die Fronten. 

Der nächste Schritt ist wieder einer, der mich herausfordert. Ich werde zum ersten Mal im Leben Fliesen übermalen, denn die rötliche Farbe der Küchenfliesen hat noch nie so richtig gepasst. Die Farbe muss ein helles Grau sein. Und ich werde ganz bestimmt nicht wieder ein paar Jahre warten!

Was mir während dieser Arbeit sehr bewusst wurde: Streichen ist wie Schreiben. Man muss sich gut überlegen, was man will, und man muss sich gründlich vorbereiten. Man beginnt motiviert, hängt irgendwann durch, hadert und fragt sich, ob das je etwas wird und wenn ja, ob man mit dem Resultat zufrieden ist. Durchhaltewillen ist gefragt. Ein Durchgang reicht meistens nicht, Nachbessern gehört  dazu. Mit der Arbeit an der Küche bin ich zufrieden. Mit der Arbeit an den Lost Souls noch nicht. Aber ich werde durchhalten! 

PS: Die Farben kaufe ich mir seit Jahren im Fachgeschäft, wo man mich auch immer sehr gut berät. 

Samstag, 9. August 2025

Wenn du es nicht versucht hast ...


Zu sagen, dass mir dieser kleine Farbtopf Angst macht, wäre nicht ganz richtig. Aber auch nicht ganz falsch. Auf jeden Fall habe ich grossen Respekt vor ihm. Denn in ihm drin steckt die Grundierung für die Schubladen- und Schranktüren der Küche im Haus in den Bergen. Ich habe unzählige Wände gestrichen. Auch Schubladen und Türen. Und vieles andere. Aber diesemal habe ich Bammel. Weil ich trotz endlosen Überlegungen, vielen längst wieder verworfenen Farbideen, unbefriedigenden Zwischenlösungen, einem resignierten "Dann bleibt halt alles, wie es ist", mehreren "Komm schon, mach endlich!" und schlussendlich einem episch langen Farbauswahlprozedere unsicher bin. Denn diesmal könnte ich es versieben. So richtig gründlich. 

Ähnlich geht es mir grad beim Schreiben. Ich bin tief in den Lost Souls. Endlich. Nach mindestens fünf Jahren on und off Schreibzeit und aus verschiedenen Gründen zerschossenen Plots. Eigentlich (haha) habe ich mir letztes Jahr eine Deadline gesetzt: "Wenn du das Ding nicht 2024 fertig schreibst, musst du es verbrennen und seine Asche im Meer verstreuen." Aber mein Herz hat Heimweh nach den Lost Souls. Es will, dass ich weiterschreibe. Also habe ich mir einen Produktionsplan erstellt. Samt Deadlines. Zu sagen, dass mir diese Deadlines Angst machen, wäre nicht ganz richtig. Aber auch nicht ganz falsch. Auf jeden Fall habe ich grossen Respekt vor ihnen. Und ich habe Angst, dass ich dieses Herzprojekt versiebe.

Beim Wandern sind es die Suretta-Seen, die schon letztes Jahr auf meiner Wunsch- aber halt auch Angstliste standen. Dieses Jahr will ich zu ihnen hoch wandern. Für andere ein Klacks, für mich eine ziemliche Herausforderung. 

Ich könnte jetzt sagen: "Ach, die Küche ist auch so schön genug." Ich könnte mir einreden, dass es auch wunderbar ohne Band fünf (und sechs) der Lost Souls geht. Und dass es andere schöne Seen gibt, die für mich einfacher zu erreichen sind. 

Werde ich aber nicht. Kann ich auch gar nicht :-) Auf meiner Webseite steht nämlich seit Jahren unter "Lebensphilosophie": 

Wenn du es nicht versucht hast, weißt du nicht, ob‘s geklappt hätte. 

Also dann ... Ich werde berichten. So oder so. Versprochen.  

Freitag, 1. August 2025

Fehlfunktion


Wir leben in einer Welt voller Fehlfunktionen. Systeme, die behaupten zu funktionieren, tun es meist nur für einige wenige. Kapitalismus, Politik, Bildung, soziale Netzwerke - alles basiert auf einem Grundgerüst, das bei genauer Betrachtung brüchig ist. Wir akzeptieren es, weil es seit Generationen funktioniert hat oder zumindest so getan hat, als würde es funktionieren. Fortschritt ist ein Versprechen, das uns versichert, dass diese Systeme irgendwann gerechter, zugänglicher, effektiver sein werden. Aber wann ist das jemals passiert?

So beginnt das Buch Fehlfunktion von Josia Jourdan. Und ich wusste: Dieses Buch wird mich begeistern. Ich bin nicht enttäuscht worden. Gnadenlos offen und ehrlich (vor allem auch mit sich selbst) nimmt uns Josia in Form von Essyas und Reflexionen mit auf eine Reise durch das, was uns beschäftigt und umtreibt. Er fragt sich, ob wir uns zu Tode arbeiten und warum, stellt fest, dass wir oft nicht mehr wissen, wer wir sind, geht der Frage nach, warum alles immer verbunden ist und man trotzdem einsam ist, und plädiert zu einer Rückkehr zum Echten. Dabei deckt er auch schonungslos unsere inneren Widersprüche auf (zum Beispiel: Wie kann man den Kapitalismus kritisieren und sich gleichzeitig in der Konsumwelt bewegen?). Am Ende der Texte gibt uns Josia jeweils Reflexionsfragen mit - für uns selbst oder als Diskussionsgrundlage mit anderen. 

In seinen Texten setzt sich Josia mit Fragen auseinander, die seine Generation betreffen und mir helfen, sie besser zu verstehen. Und trotzdem geht das Buch uns alle an; die Fragen, die Josia stellt, betreffen jede und jeden von uns, denn Gefühle sind so alt wie die Menschheit, und mit dem ganzen technischen Fortschritt und dem gesellschaftlichen und politischen Umbruch, der uns gerade gewaltig herausfordert, müssen auch ältere Semester klarkommen. Rollenbilder ändern sich, zum Glück. Wir sind alle verschieden und (endlich und gleichzeitig noch) leben wir in einer Gesellschaft, in der wir sein dürfen, wer wir tief im Innern sind. Wir sollen und dürfen uns hinterfragen, wir dürfen widersprüchlich sein, wir dürfen fehlfunktionieren. Denn das macht uns aus.

Vielleicht kann man in einer dysfunktionalen Welt nur funktionieren, indem man fehlfunktioniert.

Fehlfunktion berührt und fordert mich auf vielen Ebenen. Inhaltlich haben mich die Themen der Texte völlig gepackt. So sehr, dass ich es einmal fast verpasst hätte, in Buchs aus dem Zug zu steigen. So sehr, dass ich Herrn Ehemann immer wieder begeistert Passagen aus dem Buch vorgelesen habe. Formal hat mich die Art der Texte mit den direkten Fragen an mich fasziniert. Und natürlich der Dialog zwischen Josia und der KI.

Und damit komme ich zu einem Punkt am Buch, den Josia wahrscheinlich gar nicht so auf dem Radar hatte. Im Gegensatz zu anderen bereitet es mir überhaupt keine Mühe, dass Josia mit einer KI gearbeitet hat. Sie hat ihn (herausge)fordert, er hat sich mit dem auseinandergesetzt, was sie ihn gefragt und was sie ihm gesagt hat. Ein spannendes Experiment. Was mich schlicht umgehauen hat: wie menschlich, wie klug, wie philosophisch die KI fragt und antwortet und reagiert. Wenn wir heute über Gefahren der KI sprechen, können und müssen wir darüber reden, was sie mit unserer Arbeit macht. Aber wir müssen vor allem auch darüber reden, was sie mit uns Menschen macht. Immer wieder habe ich beim Lesen gedacht: Himmel, so einen Gesprächspartner hätte ich auch gerne. Ich habe verstanden, warum es Menschen gibt, die lieber mit KIs reden, warum sie ihr mehr vertrauen als anderen Menschen, ja sogar, warum sich jemand in eine KI verliebt und sie heiraten will. Darüber sollten wir reden, müssen wir reden, damit müssen wir uns auseinandersetzen. Denn davon, so finde ich, geht eine riesige Gefahr aus. 

Zurück zum Buch, denn einen Punkt habe ich noch nicht erwähnt. Und dieser Punkt ist der Autor. Ich kenne Josia seit mindestens zehn Jahren und mag ihn sehr. Als ich erfuhr, dass er ein Buch geschrieben hat, hatte ich grosse Angst, es könnte mir nicht gefallen (je mehr ich jemanden mag, desto grösser ist meine Angst, sein/ihr Buch nicht zu mögen). Ich habe die Angst verloren, als er auf den Social Media angefangen hat, Passagen daraus vorzulesen. Mit der ersten Seite des Buches hat er mich überzeugt (aber das sagte ich ja schon).

Zu all dem kommt noch Bewunderung dazu: Dafür, dass Josia mit diesem Buch seinen eigenen Weg gegangen ist und es im Self Publishing veröffentlicht hat. Das braucht eine gewaltige Portion Mut. Und vielleicht, Josia, muss man für so was tatsächlich eine Fehlfunktion sein ;-) Nimm das als Kompliment. Ich fand nämlich nach dem Lesen des Buches, dass du eine wunderbare Fehlfunktion bist. Genauso schön war die Erkenntnis, dass auch ich eine herrliche Fehlfunktion bin. Das seid ihr übrigens alle auch. Und das ist gut so.

Josia Jourdan ist Journalist, Autor, Moderator, Buchblogger und Fehlfunktion. Mehr über ihn und zu ihm findet ihr auf seiner Webseite. Sein Buch Fehlfunktion findet ihr überall, wo es Bücher gibt.