Dienstag, 31. August 2010

Overkill

Sarrazin hustet und die Medien verfolgen es live mit.
Hinterletzt jedes axolotlte Roadkill-Zitat gipfelte in einer neuen, aufgeregten Hegemann-Schlagzeile.
Jeder mögliche, unmögliche, potentielle oder geht-überhaupt-nicht Bundesratskandiat bekommt beste Hauptsendezeit.

Nachrichtengehalt: Irgendwo bei Null.
Hypefaktor: Maximal.
Kurzfristiger Empörungsfaktor: Sabbergeiferkreischverflucht.
Langfristige Ermüdungserscheinungen beim Publikum: Vorhersehbar.
Lernfaktor der Medien: Tiefgaragentief.

Um es mit den Worten von Marc Balsigers Bürokollegen zu sagen:
Bürokollege Suppino findet, dass die Medien viel zu stark aus Schlagzeilen, Instant-News und Hypes bestehen.

Letzter Augusttag

Der letzte Tag eines Monats, der in allem extrem war. Wettermässig. Gefühlsmässig. Schreibmässig. Es gab von absolut wunderbaren bis zu absolut grässlichen Tagen alles. Ich halte mich an die wunderbaren Tage und hoffe, aus den grässlichen Tagen zu lernen.

"Halt endlich die Klappe!"

Ich glaube, das ist mein Verlosungshut, der so völlig unsentimental aus einer Ecke ruft. Was er damit wohl sagen will: Hör auf herumzuleiern und rede Klartext. Der da wäre: Heute ist die letzte Gelegenheit, für die Augustverlosung in den Hut zu hüpfen. Die Anleitung findet ihr in der Blogroll.

Was der September für mich bereithält, weiss ich noch nicht. Na ja, ein paar Dinge schon. Ich muss endlich in die Gänge kommen und mein Buch fertigschreiben. Und ich bin Jurymitglied eines Schreibwettbewerbs, dessen Einsendeschluss heute ist. Ab morgen kann und darf ich in die Texte reinlesen. Darauf freue ich mich ganz besonders.

GANZ frisch, erst letzte Stunde hereingekommen: Die Mail von Richi Küttel, der die Ostschweizer Lesungen organisiert. Ich bin eingeladen, im Mai 2011 wieder mitzumachen. Meine Zusage ist schon weg. In den nächsten Tagen muss ich nun noch den nötigen Papierkram dazu erledigen.

Montag, 30. August 2010

Mit Hermann und Radio Grischa durch die Berge

Da fuhren wir also durch die Landschaft. In strömendem Regen. Es war kein Tag für das Haus in den Bergen, aber die Gärtnerei hatte angerufen. Hermann war da, bereit zum eingepflanzt werden. Mein Mann holte ihn am Freitag auf dem Weg nach Hause ab und es stellte sich heraus, dass Hermann für ein frisches Bäumchen eine stattliche Grösse hat. Am Samstagmorgen verluden wir ihn in unser Auto. Er musste ganz hinten einsteigen. Trotzdem kitzelten mich seine Blätter im Gesicht, denn seine längsten Äste reichten fast bis zur Windschutzscheibe.

Während wir durch den Regen fuhren, hörten wir Radio Grischa, das Bündner Lokalradio. Eine Moderatorin unterhielt sich mit einem Autor - mitten am Samstagvormittag, in aller Seelenruhe, ohne Eile, ohne Blick auf "zu lange Redezeit für einen Samstagvormittag". Er sprach über seine beiden Bücher über das Mittelalter, für die er fünf Jahre recherchiert hat, darüber, dass er den Verfolgten und Hingerichteten im Kanton Graubünden aus jener Zeit eine Stimme geben will, von Gerichtsakten, die zeigen, wie viel Kraft diese Menschen an ihrem Lebensende zeigten. Vom Rosenhügel, auf dem man Menschen aufhängte und im Wind hängen liess, als Abschreckung. In einem zweiten Teil stellte er sein neues Buch vor, Menschendämmerung, über einen Churer Anwalt, der im Jahr 2012 den Weltuntergang (oder den Beginn davon) erlebt und dabei auf sich selbst zurückgeworfen wird. Der Autor sprach von unserer schnelllebigen Zeit, in der viele gar nicht mehr wissen, wer sie sind, die Frage nach Sinn und Sein nicht stellen, weil sie nicht wissen wie, sich nicht trauen oder sie schlicht und einfach verdrängen. Ich hörte diesem Autor zu, den ich vorher nicht gekannt hatte, und wollte unbedingt seine Bücher lesen. Er heisst Philipp Gurt. Mehr über ihn erfahrt ihr HIER

(Zwischenbemerkung: Zürcher, ihr könnt den Schawinski behalten. Ich will Radio Grischa.)

In den Bergen hingen dicke Wolken. Wir fuhren mitten hinein, dort, wo sie am dichtesten sind, luden Hermann aus und trugen ihn hinunter in den Steilhang, in dem er sein Plätzchen haben wird. Noch vor ein paar Monaten war dieser Steilhang ein undurchdringlicher Dschungel an Brombeersträuchern und Bärenklau, ein wunderschönes aber gefährliches Gewächs. Wir drangen nur langsam vor, mussten uns den Weg freischneiden, kleine Pfade selber anlegen. Die Brombeeren habe ich gerodet, den Bärenklau kamen Männer vom Kanton Graubünden in Schutzkleidung ausgraben (durch den Bärenklau fliesst eine stark verätzende Flüssigkeit), da er auf der schwarzen Liste der schweizerischen Kommission für die Erhaltung von Wildpflanzen steht. Während rund um den Hang die pralle Vegetation gedeiht, ist er nach der Rodung ein ödes Stück Dreck- und Geröllwüste. Wir wollen ihm nach und nach sein Leben zurückgeben - ohne Bärenklau, der leider nach dem Kauf des Hauses schon zu gross war, um ihm selber zu Leibe zu rücken. Zwei Sträucher haben wir schon vor einer Woche gepflanzt, nun kam Hermann hinzu (Bilder am Ende des Eintrags).

Am Sonntag brach die Sonne durch die Wolken. Wir brachen zu einer Wanderung nach Vals auf - es wurde zu einer der schönsten des ganzen Jahres. In dieser wuchtigen Natur erledigt sich die Sinnfrage von selbst. Die innere Ruhe kehrt ein, Geschehnisse rücken an ihren Platz. Ich habe nicht geschrieben, dieses Wochenende. Ich werde schreiben, diese Woche und die Wochen, die da kommen. Für mich und meine Leserschaft.

Und dann auf dem Nachhauseweg die Nachrichten: Der Schweizer Luftwaffenchef wünscht sich ein Raketenabwehrsystem. Ich hätte umkehren und in die Berge zurückfahren sollen ...

Hier kommt (steht) Hermann:




Samstag, 28. August 2010

Cyberbullying

Ich gehe davon aus, dass jüngere Blogbesucher genau wissen, was der Titel des heutigen Postings bedeutet. Wie aber steht es mit den älteren von euch? Könnt ihr mit dem Begriff etwas anfangen? Falls nicht, ist es höchste Zeit, sich damit zu befassen.

Das Internet ist ein Füllhorn - leider nicht nur an positivem Inhalt. Das Internet ist ein Ort, in dem sich die meisten Jugendlichen (und immer mehr auch Kinder) bewegenn wie auf einem Pausenplatz, der ihnen vertraut ist. Möchten viele Eltern noch wissen, was denn so in der Schule oder im Verein oder in der realen Freizeit läuft, ist ihnen der virtuelle Pausenplatz der Kinder ein Rätsel. Als ich vor einigen Jahren ein Seminar über Online-Games und Internet besuchte, staunte ich Bauklötze ob der absoluten Unerfahrenheit einiger Eltern in Bezug auf das Internet. Ich erlebte ihre Ungläubigkeit, ihr Erschrecken und ihr Entsetzen über Dinge, von denen ich längst wusste. Der Kernsatz des Seminars war: Eltern müssen sich mehr Medienkompetenz aneignen. Dass sich seit meinem Seminars Vieles geändert hat, ist gut. Dass das intensive Auseinandersetzen mit dem, was Jugendliche im Netz tun oder was ihnen im Netz passieren kann, wichtig ist, zeigt dieser erschütternde Bericht über einen Vater, der seinen Sohn verloren hat, weil er sich nach intensivem Cyberbullying mit 13 das Leben genommen hat.

Ein Weg, sich mit dem zu beschäftigen, was Jugendliche Denken und fühlen, ist das Lesen von Jugendbüchern. Viele Jugendbücher nehmen aktuelle Themen auf und verarbeiten sie zu Geschichten. Meiner Meinung nach gehört deshalb der Abstecher in die Jugendbuchabteilung beim nächsten Besuch eines Buchladens für Eltern von Jugendlichen einfach dazu.

Freitag, 27. August 2010

Und jetzt?

Keine Ahnung. Die gestern versprochene Ehrlichkeit? Die geht so: Seit Anfang Jahr gibt es in meinem Schreiberleben - nebst ganz viel Licht (Super Lesungen, ganz tolle Leserschaft, unvergessliche Begegnungen mit Jugendlichen, Lehrkräften, Veranstaltern, wunderbare Autorenkollegen) leider auch  ziemlich viel Schatten. Ich habe das meiste davon aus dem Blog ferngehalten, und wenn es Eingang in den Blog gefunden hat, dann nur als Andeutung. Es ist ja nicht gerade so, dass ich mir das einfachste Geschäft der Welt ausgesucht habe. Jemand nannte den Kulturbereich im Allgemeinen und den Literaturbereich als einen Teil davon einmal ein Haifischbecken. Jede und jeder, der sich darin bewegt, weiss das und weiss auch, dass er / sie damit klarkommen muss. Wer das nicht kann oder will,  sollte nicht jammern, sondern es bleiben lassen. Take it or leave it. Meine Gedanken kreisen in den letzten Wochen öfters um das "leave it" - lass es bleiben. Nicht, weil ich nicht damit klarkommen kann, sondern weil ich mich frage, ob ich wirklich damit klarkommen will. 

Leute, die mir Rat geben, sagen: Du kennst noch gar nicht das ganze Haifischbecken. Stimmt. Es gibt Menschen im Literaturbereich, die mir sehr viel bedeuten, die beweisen, dass sich nicht nur Haie im Wasser tummeln, sondern auch ganz bunte Fische, lustige, edle, hilfsbereite, motivierende, im besten Sinne Arschkickende  ... kurz: ein wunderbarer Schwarm. Deshalb schwimme ich weiter. Will heissen: Ich schreibe ganz bestimmt weiter. In welcher Form, weiss ich noch nicht. Eins weiss ich: Ich will aus dem Herzen schreiben, mehr noch, ich will meine Bücher leben. Kopfvoran hineintauchen in die von mir geschaffenen Welten, meine fiktiven Figuren für mich real werden lassen. Und ich wünsche mir für diese Figuren und ihre Geschichten einen würdigen Rahmen, einen, der mir Freude macht, zu dem ich zu 100 Prozent stehen kann.

Update: Fast das Wichtigste vergessen. Wenn ich so schreiben will, wie es mir entspricht, dann muss das schreiberische Umfeld stimmen. Ich will nicht "trotz" der Umstände schreiben, sondern mich wohl fühlen in den Umständen, unter denen ich schreibe. Ich schreibe nur dann gut. Und gut schreiben ist, was ich will.