Sonntag, 4. November 2018

Warum tut ihr euch das an?

Schon als wir unser Haus in den Bergen kauften, wussten wir, dass es uns eine Menge Arbeit bescheren würde: Es steht auf 4000 Quadratmeter Steilhang, der grösste Teil ist Landwirtschaftszone, ein Teil ist Wald und dann ist da noch der Bach, der durchs Grundstück fliesst. Der kleinste Teil ist Wohnzone, nämlich jener, auf der das Wohnhaus und der Stall stehen. Ich habe mich damals Hals über Kopf in dieses wilde Stück Land verliebt, auf dem der Vorbesitzer jede Menge verschiedener Bäume und Sträucher gepflanzt hat.

Im Mai, Juni und Juli wächst und gedeiht alles in einem Höllentempo. Ausruhen ist beinahe unmöglich, denn es gilt, den Dschungel einigermassen gezähmt zu halten, mit der Betonung auf einigermassen. Im Hochsommer, wenn das Wachstum abnimmt, wird die Arbeit weniger, aber etwas zu tun gibt es immer. Und wenn nicht, dann findet sich was: zum Beispiel das Bauen von Trockenmauern, mit Steinen, die der Bach jeweils nach grossen Gewittern mit sich bringt und bei uns "hinschmeisst". Auch im Winter geht uns die Arbeit nicht aus. Dann müssen nämlich die 150 Meter von der Strasse bis zum Haus freigeschaufelt werden.Wir werden manchmal gefragt, warum wir uns das antun; die Antwort ist ganz einfach - ihr findet sie am Ende dieses Posts.

Dieses Jahr war ein besonderes: Noch nie hatten wir so viele Kirschen, Äpfel und Birnen, die Brombeeren gediehen ebenfalls prächtig, bei den Trauben und Zwetschgen gab es - im Gegensatz zu den letzten Jahren - ebenfalls etwas zu ernten. Die wilden Erdbeeren schmeckten phantastisch und die Himbeeren grad auch. Die Holunderernte fiel trotz unserer Befürchtungen nach dem langen, sehr trockenen Sommer gar nicht so übel aus, und so füllte sich Konfitüreglas um Konfitüreglas (ähm, wir könnten problemlos einen Koniftüreladen eröffnen ;-) ).

Was uns dieses Jahr Sorgen machte: Das Rauschen des Baches wurde immer leiser, das Wasser immer weniger. Die Bachforellen waren zwar noch da, aber wir hatten Angst, dass das Wasser zu warm wird oder ganz versiegt. Irgendwann war der Wasserfall kein Wasserfall mehr, sondern ein dünnes Rinnsal, zum Glück blieben die Gumpen für die Fische!

Jetzt, nach dem Schneefall im Oktober, ist der Bach zu unserer grossen Freude wieder da und rauscht wie eh und je. Dafür gestaltete sich das herbstliche "Aufräumen", das wir jedes Jahr Anfang November auf dem Plan haben, schwieriger als sonst; es lag nämlich noch etwas Schnee. Aber da morgen meine November-Lesetouren anfangen, musste die Arbeit dennoch getan werden.

Es war anstrengend und hart, weil wir nach ein paar Jahren mit eher kosmetischen Korrekturen wieder einmal so richtig aufgeräumt haben, sprich, wir haben ziemlich alles - auch den uralten Apfel- und den uralten Birnbaum - heftig gestutzt. Sogar Zwetschgenbaum Herrmann (ich winke dann mal in Richtung Jutta Wilke und rufe: "Herrmann geht es prächtig!") musste Federn resp. Äste lassen. Und so sieht es jetzt im Tobel unten aus (ja, das Weiss neben dem Komposthaufen ist Schnee, und das links vom Schnee ist Herrmann):


Ich mag dieses Leben in und mit der Natur. Ich mag das körperliche Arbeiten. Ich mag es, ab und zu stehenzubleiben und dieses Wunder anzuschauen. Ich vergesse die Zeit, wenn ich so lebe. Weil sie nicht wichtig ist. Ich vergesse den Zustand der Welt, weil das kleine Glück zählt - und ich keine Nachrichten höre oder schaue, wenn ich mich ins Haus in den Bergen zurückziehe. Es ist das Leben im Jetzt. Es ist ein Leben, in dem ich ganz ich bin. Und deshalb ist die Antwort auf die Frage: "Warum tut ihr euch das an?" - zumindest für mich - sehr einfach (Herr Ehemann hätte es manchmal gerne etwas gemächlicher).

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