Dienstag, 31. Juli 2018

Anthologien, Teil 3 - Vom Schreiben der Geschichte

Gestern bin ich mit der Geschichte für eine Anthologie fertig geworden. Kaum hatte ich die Ankündigung für diesen Blogeintrag auf Instagram gepostet, fragte jemand: „Was für eine Anthologie?“

Vorneweg: Im folgenden Text findet ihr sehr viele Infos – aber nicht, worum es in der Geschichte geht und wo sie veröffentlicht werden soll. Das liegt nicht an mir, sondern daran, dass Verlage es nicht so gerne haben, wenn man zu viel zu weit im Voraus verrät.

Was ihr erfahren werdet:
  • wie ich dazu gekommen bin, diese Anthologiegeschichte zu schreiben
  • wie ich an das Thema herangegangen bin
  • was sich dabei auf den Kopf gestellt hat
  • wie der Text entstanden ist
  • warum das Schreiben so lange gedauert hat (und das Überarbeiten noch länger)
  • Erleichterung (und ein Fragezeichen) 

Wie ich dazu gekommen bin

Meine Agentin rief mich an und sagte: "Ich weiss, du willst keine Anthologiegeschichten mehr schreiben, aber hör mir bitte einfach zu, ich denke, das Thema könnte dich interessieren." Ich hörte zu und wusste längst, bevor meine Agentin all ihre Argumente vorgebracht hatte, dass ich diese Geschichte schreiben wollte. Unbedingt. Deshalb sagte ich einfach „Ja.“ Ein paar Tage später kam eine Mail mit den Eckdaten und Vorgaben vom Verlag: Pitch (Zusammenfassung der Geschichte in ganz wenigen Sätzen) bis Mitte Mai, Geschichte bis Ende Juli. Zeitlich passte das für mich perfekt.

Wie ich an das Thema herangegangen bin

Das Thema ist eins, das mich seit Jahren umtreibt und über das ich unzählige Diskussionen geführt habe, sprich, ich wusste, dass ich diese Geschichte aus dem Bauch und aus dem Herz schreiben würde. Ansatzpunkte hatte ich viele, aber dann fehlten mir die Ideen. Ich begriff nicht, weshalb. Grübelte … und grübelte … und grübelte. Bis mich die Erkenntnis wie ein Schlag auf den Kopf traf.

Was sich dabei auf den Kopf gestellt hat

Ich war von der falschen Seite her gekommen. Was ich vorhatte, konnte nicht funktionieren. Das Problem: Wenn ich von der anderen Seite herkam, schrammte ich nicht knapp neben dem Thema vorbei, sondern rammte und versenkte es. Ich erzählte es meinem Mann. Er meinte: „Nein, schmerzlicher Volltreffer mitten ins Thema.“ Ich redete mit Frau Tochter und Herrn Freund von Frau Tochter. Sie gaben meinem Mann recht. DAS ist es genau, Mam, sagten sie. Darum geht es. Thema voll erfüllt.

Nun, gut möglich. Aber dem Verlag würde das nicht gefallen. Ich schrieb meiner Agentin, dass ich einen U-Turn gemacht hatte und das Thema von der Gegenseite angehen wollte. Dass ich die Geschichte so und nicht anders schreiben würde, und wenn der Verlag sie so nicht wolle, sei ich weder traurig, noch wütend, sondern würde es verstehen. Aber ich könne nicht anders.

Der Verlag hatte logischerweise Fragen. Wollte mehr wissen. Ich konnte ihm nicht mehr geben, denn ich wusste nur, wie ich das Thema angehen wollte, hatte aber keine konkrete Idee für eine Geschichte und im Mai auch keine Zeit, mir eine einfallen zu lassen. Der Pitch beschrieb die Absicht, mehr nicht. Auch hier hätte ich verstanden, wenn der Verlag dankend abgewunken hätte. Hat er aber nicht.

Wie der Text entstanden ist

Ich machte Notizen. Redete mit Josia Jourdan über das Befinden der heutigen Jugend. Schrieb in Stichworten auf, was in der Geschichte stehen sollte, nichts Konkretes, sondern eher ein roter Faden. Ich wusste nicht, wie sie enden würde. Dann schrieb ich die Geschichte so, wie ich immer schreibe: langsam, immer wieder zurück und ändern, umbauen, hinzufügen, wegnehmen, über mehrere Wochen verteilt. Der Entwurf hatte 23 Seiten. Kein Problem, dachte ich. Beim Überarbeiten würde ich locker auf 20 kommen.

Warum das Schreiben so lange gedauert hat (und das Überarbeiten noch länger)

Blöderweise merkte ich beim nochmaligen Durchlesen der Eckdaten und Vorgaben, dass es höchstens 12 sein dürfen und nicht 20, wie ich gemeint hatte. Also begann ich zu kürzen. Beim Kürzen überarbeitete ich auch (ich sehe euer Augenrollen!). Nach jeder Runde waren es weniger Seiten. Bis ich runter auf 14 war. Irgendwann gegen Ende Juli wachte ich mitten in der Nacht auf und wusste, dass das Ende nicht stark genug war. Was heisst da, nicht stark genug. Es war weder schlüssig, noch stark noch irgendwas. Einfach nur sentimental, inkonsequent und öd.

Also noch mal. Ich begann von neuem mit dem Überarbeiten. Runde um Runde um Runde. Letzten Samstag fuhr ich zu einem Autorentreffen nach München. In den sieben Stunden Hin- und Rückfahrt kam ich der Sache immer näher. Ich druckte mir den Text ein letztes Mal aus, nahm ihn mit in die Berge und … überarbeitete. Sonntagabend um 18.00 war er fertig. Dachte ich.

Erleichterung (und ein Fragezeichen) 

Beim Wandern heute sind mir noch ein paar Dinge eingefallen, die ich ändern wollte. Auf der Bahnfahrt nach Hause auch. Also ... ja, genau, überarbeiten. Text noch einmal ausdrucken. Mir laut vorlesen. Ändern. Text erneut ausdrucken und dann noch einmal lesen. Letzte Anpassungen. Kurz nach Mitternacht ist der Text raus.

Ich bin zufrieden und erleichtert, allerdings mit einem Fragezeichen. Ich weiss, dass es der Text geworden ist, den ich schreiben wollte. Ich weiss aber nicht, ob dieser Text in die Anthologie passt. Es ist immer noch möglich, dass der Verlag abwinkt. Die Anthologie wird gut, das weiss ich, ob mit oder ohne meinen Beitrag. Das Thema ist wichtig, das Konzept der Anthologie gefällt mir. Ich freue mich darauf. Und jetzt geh ich schlafen.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Liebe Alice

(Nachdem mein Kommentar gerade mal wieder nicht durchgelassen wurde, halt nochmals)

Das klingt nach einem spannenden und anstrengendem Schreibweise, aber Hauptsache du bist jetzt zufrieden.
Ich kenne das Thema ja, da wir darüber gesprochen haben und ich weiss auch wie du ungefähr rangehen wolltest, was du nun aber daraus gemacht hast, trotzdem bin ich gespannt, was du schlussendlich geschrieben hast.
Der Verlag wäre übrigens schön blöd, wenn die deine Geschichte nicht nehmen würden.

Herzlich und hoffentlicv bis bald

Josia

Alice Gabathuler hat gesagt…

Lieber Josia

Ja, der Text hat mir einiges abverlangt. ABER: Ich habe in jeder Phase Freude am Schreiben / Überarbeiten gehabt. Ich würde behaupten, dieser Text hat mich endgültig zurück in die Schreibspur gebracht. Nachdem ich ihn abgegeben hatte, bin ich zurück in die Berge, habe ein Jugendbuch angefangen und gleich die ersten beiden Kapitel geschrieben. Da waren so viel Schreiblust, Optimismus, Motivation und Energie. Ich habe auch in meinen anderen angefangenen Texten gelesen und sogar am Kinderbuch habe ich wieder Freude. Damit habe ich drei Schreibprojekte am Laufen, auf alle drei habe ich Lust. Als Autorin ging es mir selten so gut. Es fühlt sich ein wenig an wie in den Anfangszeiten :-)
Herzlich
Alice