Mick und Smiley sind die Hauptfiguren meines neusten Buches. Aussenseiter. Freaks. Menschen auf der Verliererseite, jenseits jeglicher gesellschaftlicher Norm. Sogenannte Loser.
Micks und Smileys gibt es überall. Die meisten leben das Anderssein und den Verzicht unfreiwillig, einige ganz bewusst. Das Buch #no_way_out verdanke ich der Begegnung mit einem dieser Micks. Er lief mir eines Tages einfach über den Weg. Ich verdanke dieses Buch aber auch Menschen aus meinem engsten Umfeld, denn ich habe das grosse Glück, nicht wenige Micks und Smileys persönlich zu kennen.
Einen dieser Micks habe ich in meinen Ferien getroffen, im Süden Frankreichs, in Narbonne. Dort unten, im Süden von Frankreich gibt es sehr reiche Leute mit wunderschönen Häusern, aber auch sehr arme Leute, die unter Brücken schlafen und in den Fussgängerzonen der grösseren Orte diskret, aber unübersehbar, Geld betteln. Der Mick, den ich getroffen habe, hat nicht gebettelt.
Herr Ehemann und ich stiegen aus dem Auto, das wir am Strassenrand parkiert hatten. An einer Ecke stolperte ich beinahe über einen Typen mit zwei Hunden. Jung und offensichtlich obdachlos. Für solche Fälle trage ich immer Geld in meiner Hosentasche herum, aber dieser junge Mann hatte keinen Hut und keinen Becher vor sich stehen. Irritiert ging ich weiter, nicht, ohne mich noch einmal nach ihm umzudrehen. Er sagte: "Bonjour" und ich antwortet mit einem "Bonjour".
Zwei Stunden später gingen wir zum Auto zurück. "Mick" hatte seinen Platz gewechselt und sass ganz in der Nähe unseres Wagens. Ich ging zu ihm hin und fragte ihn, ob er Geld brauche. Er nickte. Ich erklärte ihm, dass er in diesem Fall besser einen Hut oder einen Becher hinstellen sollte. Er murmelte irgendwas. Wir begannen, uns zu unterhalten. Er hat mir von sich erzählt. Vielleicht die Wahrheit, vielleicht eine Lüge, um das Herz der Touristin zu erweichen, die er vor sich sah. Es spielt keine Rolle. Ich hoffe sogar, dass seine Geschichte erfunden war. Mich brauchte er nicht zu erweichen. Mein Herz hatte er von Anfang an. Am Ende gab ich ihm Geld, mehr als das Übliche.
Am gleichen Abend waren mein Mann und ich auf einem Weingut zum Essen. Eine kleine, zusammengewürfelte Gastrunde an einem grossen Tisch. Gutes Essen. Guter Wein. Wahrscheinlich sogar nette Leute. Aber die Gastgeber redeten von nichts anderem als von Geld. Von Jachten. Von Privatjets. Von Freunden mit Millionen. Von faulen Franzosen. Ich habe meinen Mund gehalten und bin brav sitzen geblieben. Aber ich war selten an einem so falschen Ort wie diesem.
PS: Der Mick in meinem Buch mag die Pappbechernummer nicht. Zu würdelos, findet er. Vielleicht dachte der "Mick" in Narbonne das auch.
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