Für den Fall, dass Onkel Mike auf seltsame Ideen kommen würde, stellte
ich ihm eine Bedingung. »Keine anderen Frauen. Keine Greta, keine Liv, Chantal oder
wie die alle hießen.«
»Abgemacht.«
Onkel Mike stand auf und ging ins Haus. Kurze Zeit später kam er
zurück, in der rechten Hand Gretas roten Schuh. »Den beerdigen wir jetzt«,
erklärte er feierlich.
»Wen?«, fragte ich entgeistert. »Den Schuh?«
»Was dagegen?«
»Im Ernst?«
»Nein, im Fritz.« Er grinste. »Natürlich im Ernst. Also. Was dagegen?«
Ich schüttelte den Kopf. Von mir aus konnte Onkel Mike mit dem Schuh
machen, was er wollte, solange er nicht die Frau dazu anschleppte.
»Gib’s zu!« Er fuchtelte
mit dem Schuh vor meinem Gesicht herum. »Du denkst, ich hätte einen Knall.«
»Na ja, ein wenig verrückt ist das schon.«
»Ich glaube, das ist sogar ziemlich verrückt. Aber mein Gefühl sagt
mir, dass es genau das ist, was ich tun muss.« Onkel Mike legte den Schuh ins
Gras und holte eine Schaufel aus der Scheune. »Wir brauchen einen guten Platz
für ihn.«
Ich hatte noch nie einen Schuh beerdigt und deshalb keine Ahnung, was
ein guter Platz für einen toten Schuh ist. Mir wurde bewusst, dass ich von
einer ganzen Menge Dinge keine Ahnung hatte.
»Sag mal«, begann ich. »Wenn es tote Schuhe gibt, gibt es dann auch
solche, die leben?«
Onkel Mike schaute mich misstrauisch an. »Warst du heimlich an meinem
Biervorrat, während ich telefoniert habe?«
»Nein. Wieso?«
»Weil das eine etwas seltsame Frage ist.«
Ach ja! Und einen Schuh zu beerdigen war nicht seltsam, oder was? Ich
sagte nichts mehr. Schweigend schaute ich zu, wie Onkel Mike in verschiedene
Richtungen ging, stehen blieb, wieder umkehrte und die Suche von vorne anfing.
»Hier!«, rief er nach einer Ewigkeit von einer kleinen Anhöhe. »Bring
den Schuh und die Schaufel mit!«
Ungefähr eine Viertelstunde später begutachtete er fachmännisch das
Loch, das er ausgebuddelt hatte. »Das reicht. Du kannst den Schuh reinlegen.«
Ich holte aus.
»Nicht werfen!«, stoppte mich Onkel Mike. »Etwas Ehrfurcht und Respekt,
bitte. Das ist eine Beerdigung.«
Es hörte sich nicht nach einem Witz an. Also riss ich mich zusammen,
ging auf die Knie und legte den Schuh mit ernster Miene in die Mitte des Lochs.
Dabei dankte ich dem Großen Manitu dafür, dass keiner meiner Klassenkameraden
hier war und mich sehen konnte.
»Und nun die Predigt«, sagte Onkel Mike, nachdem ich aufgestanden war.
»Die Predigt.« Leise seufzend schickte ich einen weiteren Dank an
Manitu. Dafür, dass Edgar das auch nicht sehen konnte.
»Wehe, du lachst!«
Ich gab mir Mühe. Und ich schwöre, dass ich höchstens dreimal gelacht
habe. Na ja, vielleicht viermal. Onkel Mike entschuldigte sich bei sämtlichen
Verflossenen, was ziemlich lange dauerte. Dabei sagte er nette Dinge über sie.
Aber auch, dass er bei ihnen nicht gefunden hatte, was er suchte. Was nicht ihr
Fehler gewesen sei, sondern seiner. Und dass er jetzt wisse, was er suche. Ich
verriet ihm nicht, dass er es mehr oder weniger direkt vor der Nase hatte. Das
musste er selber herausfinden.