Sonntag, 16. Dezember 2018

Wie man einen roten Schuh beerdigt

Das Coole an eigenen Texten (an denen man die Rechte hat) ist, dass man damit machen kann, was man will. Ich könnte sie also zum Beispiel vorsingen. Oder rückwärts vorlesen. Oder ausdrucken, Papierflieger damit basteln und sie auf die Reise schicken. Oder sie einfach ins Internet stellen. Genau das mache ich jetzt. Weil Huddelwetter-Sonntag ist. Und weil mir grad danach ist. Mit einem Teil des Kapitels "Eine ziemlich verrückte Beerdigung" aus "Ich, Onkel Mike und Plan A.


Für den Fall, dass Onkel Mike auf seltsame Ideen kommen würde, stellte ich ihm eine Bedingung. »Keine anderen Frauen. Keine Greta, keine Liv, Chantal oder wie die alle hießen.«
»Abgemacht.«
Onkel Mike stand auf und ging ins Haus. Kurze Zeit später kam er zurück, in der rechten Hand Gretas roten Schuh. »Den beerdigen wir jetzt«, erklärte er feierlich.
»Wen?«, fragte ich entgeistert. »Den Schuh?«
»Was dagegen?«
»Im Ernst?«
»Nein, im Fritz.« Er grinste. »Natürlich im Ernst. Also. Was dagegen?«
Ich schüttelte den Kopf. Von mir aus konnte Onkel Mike mit dem Schuh machen, was er wollte, solange er nicht die Frau dazu anschleppte.
»Gibs zu!« Er fuchtelte mit dem Schuh vor meinem Gesicht herum. »Du denkst, ich hätte einen Knall.«
»Na ja, ein wenig verrückt ist das schon.«
»Ich glaube, das ist sogar ziemlich verrückt. Aber mein Gefühl sagt mir, dass es genau das ist, was ich tun muss.« Onkel Mike legte den Schuh ins Gras und holte eine Schaufel aus der Scheune. »Wir brauchen einen guten Platz für ihn.«
Ich hatte noch nie einen Schuh beerdigt und deshalb keine Ahnung, was ein guter Platz für einen toten Schuh ist. Mir wurde bewusst, dass ich von einer ganzen Menge Dinge keine Ahnung hatte.
»Sag mal«, begann ich. »Wenn es tote Schuhe gibt, gibt es dann auch solche, die leben?«
Onkel Mike schaute mich misstrauisch an. »Warst du heimlich an meinem Biervorrat, während ich telefoniert habe?«
»Nein. Wieso?«
»Weil das eine etwas seltsame Frage ist.«
Ach ja! Und einen Schuh zu beerdigen war nicht seltsam, oder was? Ich sagte nichts mehr. Schweigend schaute ich zu, wie Onkel Mike in verschiedene Richtungen ging, stehen blieb, wieder umkehrte und die Suche von vorne anfing.
»Hier!«, rief er nach einer Ewigkeit von einer kleinen Anhöhe. »Bring den Schuh und die Schaufel mit!«
Ungefähr eine Viertelstunde später begutachtete er fachmännisch das Loch, das er ausgebuddelt hatte. »Das reicht. Du kannst den Schuh reinlegen.«
Ich holte aus.
»Nicht werfen!«, stoppte mich Onkel Mike. »Etwas Ehrfurcht und Respekt, bitte. Das ist eine Beerdigung.«
Es hörte sich nicht nach einem Witz an. Also riss ich mich zusammen, ging auf die Knie und legte den Schuh mit ernster Miene in die Mitte des Lochs. Dabei dankte ich dem Großen Manitu dafür, dass keiner meiner Klassenkameraden hier war und mich sehen konnte.
»Und nun die Predigt«, sagte Onkel Mike, nachdem ich aufgestanden war.
»Die Predigt.« Leise seufzend schickte ich einen weiteren Dank an Manitu. Dafür, dass Edgar das auch nicht sehen konnte.
»Wehe, du lachst!«
Ich gab mir Mühe. Und ich schwöre, dass ich höchstens dreimal gelacht habe. Na ja, vielleicht viermal. Onkel Mike entschuldigte sich bei sämtlichen Verflossenen, was ziemlich lange dauerte. Dabei sagte er nette Dinge über sie. Aber auch, dass er bei ihnen nicht gefunden hatte, was er suchte. Was nicht ihr Fehler gewesen sei, sondern seiner. Und dass er jetzt wisse, was er suche. Ich verriet ihm nicht, dass er es mehr oder weniger direkt vor der Nase hatte. Das musste er selber herausfinden.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Liebe Alice
So richtig das Wetter um sich mit einem guten Buch, Tee und Kuscheldecke aufs Sofa zu verziehen und es sich gut gehen lassen.
Der Text verlangt nach mehr, ich freue mich, wenn das Buch dann (wieder) veröffentlicht ist.

Liebe Grüsse
Silas alias Theres

Alice Gabathuler hat gesagt…

Liebe Theres

Musst nicht mehr lange warten :-) Im Januar sollte es soweit sein. Ich freue mich total drauf!