Donnerstag, 8. Februar 2024

Dilemma

 
 
Gestern fiel ein Termin in der Nähe von Zürich sehr kurzfristig aus. Genauso kurzfristig habe ich mich entschlossen, stattdessen in die Berge zu fahren. Ich wollte die Traurigkeit abschütteln, die mich seit längerem begleitet, wollte meine Autorenseele erden und mit Kraft füllen. Kurz nach Chur fühlte ich, wie es mir besser ging, wie meine innere Wackligkeit nachliess. Die Rheinschlucht - immer und immer wieder überwältigend schön - tat mir gut. In Ilanz stieg ich von der Bahn ins Postauto um und merkte, wie ich mit jedem Kilometer mehr bei mir ankam.

Ich blieb nicht lange, nur ein paar Stunden. Ich tat auch nicht viel, denn im ungeheizten Haus war es kalt, im Schreibstall noch kälter und draussen grad auch. Die Sonne schaffte es nicht durch die Wolken, aber all das spielte keine Rolle. Die Traurigkeit verzog sich zwar nicht wirklich, sie schrumpfte jedoch zu einer leisen Melancholie und ich konnte meine Gedanken sortieren und mir überlegen, wie ich mit meinem Dilemma umgehen soll.

Das Dilemma hat mit den Bergen und meinem neuen Buch zu tun. Die Geschichte ist meine Liebeserklärung an die Berge und die Menschen, die in den Bergen leben. Sie wurzelt dort, wo ich auch wurzle. Ich bin tief mit ihr und den Buchcharakteren verbunden. Und zu dieser Geschichte hat das Buch ein Flachlandcover bekommen. Eine Aufnahme aus dem Mittelland, die auch aus Mecklenburg-Vorpommern stammen könnte. Es ist eine schöne Aufnahme mit einer ganz besonderen Stimmung, die bestimmt vielen Menschen gefallen wird. Der Verlag ist begeistert. Nur für mich stimmt das Bild halt überhaupt nicht. 

In dem Moment, in dem mir klar wurde, dass das Cover definitiv so bleiben und aussehen wird, hat sich meine Vorfreude auf das Buch verzogen wie ein geprügelter Hund und einer tiefen Traurigkeit Platz gemacht. Mit Frust oder Wut hätte ich umgehen können, aber nicht mit dieser abgrundtiefen Traurigkeit. Ich komme mir ihr nicht klar. Und ich werde sie nicht los. Ich kann sie verdrängen, habe das jetzt einige Wochen lang gut geschafft, aber mit dem Näherrücken des Erscheinungstermins ist sie zurückgekommen.

Ich würde so gerne sagen, dass ich das alles sehr professionell sehe und vor allem, dass ich professionell damit umgehen kann. Aber beides wäre eine Lüge. Früher wäre ich zumindest so professionell gewesen, dass ich in den Social Media begeistert das Cover gezeigt hätte, mit einem Text dazu, in dem ich verkünde, wie sehr ich mich freue. Das kann und will ich nicht mehr. Mein Entschluss vor einiger Zeit, meine Social Media Accounts nicht zu löschen, hing mit der Bedingung zur Ehrlichkeit zusammen. Was mich zum Dilemma bringt: Wie gehe ich mit all dem um?

Ich glaube, ich habe einen Weg gefunden, wie ich auf das neue Buch eingehen kann: Ich zeige auf Insta Bilder aus der Welt meiner Protas mit passenden Buchzitaten. Anders gesagt: Ich stelle meine Hauptfiguren vor. Das funktioniert für mich. Bei den Lesungen bin ich ehrlich. Wenn mich die Jugendlichen nach meinem neuen Buch fragen, erzähle ich ihnen davon - und verschweige nicht, wie traurig mich das Cover macht.

Wer jetzt schon Einblicke in meine Protas und ihre Welt möchte, findet sie auf Insta. Oder wartet hier noch ein Weilchen. Ich werde die Portraits hier in einem Blogpost vorstellen, sobald ich die wichtigsten Figuren beisammen habe und der Erscheinungstermin des Buches etwas näher liegt.

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