Dienstag, 24. März 2015

Der Autor und die (schlechten) Rezensionen

In den letzten beiden Wochen bin ich auffällig oft über das Thema Rezensionen gestolpert:
- Eine Schulklasse, dich ich morgen besuche, will wissen, wie ich mit Rezensionen umgehe.
- Ich war gerade mit einer Rezension konfrontiert, auf die ich, entgegen aller Vorsätze, geantwortet habe.
- Rezis und der Umgang damit sind zurzeit ein Thema in unserem Schreibforum.
Anlass genug, hier einmal ein paar Worte zum Thema zu schreiben:

Am Anfang liest man jede. Später nicht mehr. Auf die Gefahr hin, wirklich tolle Buchbesprechungen glatt zu verpassen. Im ruhigen Bewusstsein, sich die schlechten Rezensionen erspart zu haben. Irgendwann erklärt fast jeder Autor abgebrüht: "Ich lese keine Rezis mehr." Oder etwas markiger: "Das tue ich mir nicht mehr an."

Genau so weit war ich vor einer guten Woche an der Buchmesse in Leipzig. Ich sass in einer Runde von Autorinnen und erklärte ziemlich bestimmt: "Ich lese keine mehr." Um dann nach Hause zu kommen, eine Zweisterne-Rezi auf Amazon zu finden und sie trotz allem zu lesen. Da stand dann etwas von "unterirdischem Schreibstil", "konstruierter Handlung" und "schade, dabei mochte ich die Schweiz so gerne." Es war der dritte Satz, der mich zu einer Antwort verleitete.

Warum nicht die ersten beiden? Weil man solche Rückmeldungen als Autorin aushalten können muss. Weil Geschmäcker verschieden sind und auch mehr oder weniger blumig oder eben knallhart auf den Punkt gebracht werden können. Weil jede Antwort als (eingeschnappte) Rechtfertigung wahrgenommen werden würde (und es vielleicht sogar wäre), selbst wenn man total recht hätte (manchmal fragt man sich nämlich, ob der rezensierende Mensch das Buch gelesen hat, das man geschrieben hat). Und selbst wenn man denkt, dass der Rezensent den Finger tatsächlich auf einen wunden Punkt gelegt hat, antwortet man nicht, sondern macht sich eine mentale Notiz, beim nächsten Buch auf diesen Schwachpunkt zu achten.

Es war also der dritte Punkt, der mich zu einer spontanen Antwort verleitete. Dabei ignorierte ich die Punkte eins und zwei und kam direkt zur Schweiz. Humorvoll. Und bekam promt eine - ebenfalls humorvolle - Antwort. Unter anderem, dass ich als gelobte Autorin eine solche Besprechung bestimmt verschmerzen könne.

Schön wär's. Und es wäre in meinem Fall eine Lüge, wenn ich sagen würde: "Klar doch." Ich habe zurückgeschrieben. Unter anderem das da: "Locker verschmerzen tut solche Rückmeldungen fast kein Autor (ich auch nicht), denn das Schreiben ist ein sehr persönlicher Vorgang, bei dem man auf eine Art auch immer seine Seele freilegt. Und ein guter Autor liebt seine Figuren und Geschichten. Was man liebt, möchte man verteidigen." Doch: Wenn ein Text dem Leser oder der Leserin nicht gefällt, ist das einfach so. Da nützt alles Verteidigen und Erklären nichts. Mir gefällt ja auch nicht alles. Kann es gar nicht.

Also Augen zu und keine Rezensionen mehr lesen? Das war eigentlich mein Ziel, meinem Seelenfrieden zuliebe. Aber dann schickte mir die Presseabteilung meines Verlags eine wunderbare Rezi, die ich zum Glück las. Also doch alle Rezensionen lesen, die man findet? Ich habe mich für einen Mittelweg entschieden: jene Rezensionen zu Ende zu lesen und zu Herzen zu nehmen, in denen der Rezensent auf das Buch eingeht und sich ernsthaft damit auseinandersetzt, unabhängig davon, ob das Resultat dann ein "gefreutes" oder weniger "gefreutes" ist. 

Schenken oder tatsächlich weniger zu Herzen nehmen tue ich mir folgende zwei Kategorien:
- Rezis, die in wenigen Sätzen und ohne Begründung den Text in Grund und Boden stampfen oder,  noch schlimmer, auf den Autor zielen statt auf den Text.
- Rezis, bei denen der Rezensent sich um Runden wichtiger nimmt als das Buch (ähnlich wie die Fussball"fans" in den Südkurven, die dem Spielfeld den Rücken zukehren und mehr auf das eigene Tun als auf das Spiel konzentriert sind - und denken, ohne sie wäre die Fussballwelt nur halb so spannend).

Herzhaft lachen darf man über solche Rezis:
"Ich gebe diesem Buch einen Stern, weil es nie geliefert wurde." Oder: "Die Lieferung erfolgte überraschend schnell und der Schutzumschlag war in tadellosem Zustand. Deshalb: Fünf Sterne."

Und notfalls gilt das da:

Sonntag, 22. März 2015

Auf den Spuren der Lost Souls - Track 1: Welcher Bahnhof?

Warum gerade diese Figuren? Warum diese Namen? Warum dieser Plot? Warum diese Erzählperspektiven? Warum dieser Aufbau? Warum so und nicht anders? Warum ... Warum ... Warum?

Mit Auf den Spuren der Lost Souls gehe ich diesen und anderen Fragen nach. Immer sonntags. So, wie theoretisch immer am Donnerstag ein Fundstück seinen Weg in den Blog finden sollte. Sollte, weil es dieses Mal nicht geklappt hat. Ich war offline, hatte den Fundstücke-Beitrag auf den Donnerstag zur Freischaltung geplant - aber irgendwo hat es geharkt. Also: Theoretisch immer am Sonntag, praktisch wohl eher dann, wenn die Technik es will oder ich den Beitrag manuell freischalte.

Nun aber zu Track 1: Welcher Bahnhof?

"Der Zug verlangsamte die Fahrt, passierte das zerfallende Gebäude im Kieswerk und rollte vorbei an den Güterhallen, die selbst an diesem strahlenden Sommertag düster wirkten."

Der Ort, in den Kata am Anfang von Blue Blue Eyes einfährt, hat im Buch keinen Namen. Aber wie so vieles, über das ich schreibe, gibt es ihn. Es ist der Bahnhof, in den ich einfahre, wenn ich weg war, der Bahnhof jenes Ortes, bei dem ich wohne. Das Gebäude im Kieswerk ist eines meiner Lieblingsgebäude, so wie die Hallen vor und nach dem Bahnhof. Sie haben einen Charme und eine Ausstrahlung, denen ich mich nicht entziehen kann. Gleichzeitig wecken sie die Wehmut in mir, denn wie viele andere Gebäude werden sie wohl irgendwann den grossen, rechteckigen Gebäuden mit den grossen Fenstern weichen müssen, den modernen seelenlosen Bauten, die den Kern des Ortes bilden, in dem ich die Gemütlichkeit, den Charakter, das Spezielle vermisse.

"Katas Blick suchte die Aussenseiter, die es wie an jedem Bahnhof auch hier gab. Sie sassen auf der Mauer hinter den Buswartehäuschen."

Auch die Aussenseiter gab es. Es sind die Menschen aus der Widmung in meinem Buch #no_way_out. Sie sassen auf der Mauer hinter den Buswartehäuschen. Ich vermisse sie, die bunten Gestalten, die sich nicht einordnen lassen wollten. Sehr.

"Etwas Schreckliches wird passieren. - Die unheilvollen Worte hatten sich in ihr Gedächtnis gebrannt und bildeten einen bizarren Kontrast zu den bunten Vorgärten, an denen sie auf ihrem Weg nach Hause vorbeikam."

Zum Glück gibt es diese Vorgärten. Zum Glück die Häuser mit Charakter. Sie beginnen gleich hinter den grossen, rechteckigen Gebäuden. Einige dieser Viertel sind wunderschön. Und einige dieser Häuser darf man getrost als Villen bezeichnen, doch ein wirkliches Villenviertel gibt es hier höchstens im Kleinstformat. Und so mischen sich Wirklichkeit und Fiktion, wie an so manchen Orten, die ich in meinen Büchern beschreibe. Das ist auch der Grund, weshalb viele meiner Orte zwar ein Vorbild haben, aber nicht eins zu eins real existieren.

Zurück zum Bahnhof: Es gibt ihn. Er ist nicht wirklich ein Bild wert. Das hier sieht man, wenn man von Süden her einfährt: