Sonntag, 12. Mai 2013

Literaturpreise - von geistigen Schützengräben und wie es auch anders ginge

Bevor ich nach Solothurn gefahren bin, begann ich einen Blogeintrag über die Initiative von Kinder- und Jugendbuchschaffenden zum Deutschen Literaturpreis. Als ich bei halber Buchlänge angekommen und der Beitrag immer noch nicht fertig war, gab ich auf. Um es kurz zu machen: Da wünschen sich deutschsprachige Kinder- und Jugendbuchautoren eine Diskussion über die Vergabe des Deutschen Jugendliteraturpreises und einen besseren Stellenwert des deutschen Kinder- und Jugendbuchs und was passiert? Die Angesprochenen verschanzen sich im geistigen Schützengraben und schiessen auf alles, was sich bewegt. Zurück bleiben fast 500 unter Generalverdacht des Deutschtümeltums stehende Kinder- und Jugendbuchschaffende, die sich ratlos fragen, was ihnen denn da gerade passiert. Ich könnte jetzt unzählige Links setzen, meinen angefangenen Blogeintrag beenden, oder ich kann auf Blogeinträge von mitunterzeichnenden Autorenkolleginnen verweisen, die mir - als ebenfalls Mitunterzeichnende - aus dem Herzen sprechen. Genau das tue ich hiermit:

"Der Brief war sehr ausführlich, sachlich, klar und differenziert. Was nun aber zurückgemeldet wird, lässt einen am Verstand der Menschheit zweifeln. Natürlich wird in Deutschland jemand, der sich für nationale Belange einsetz, gleich zum Nazi stilisiert. Das war ja zu erwarten. Die Autoreninitiative wird aber auch ganz persönlich beleidigt."
Mehr dazu in Annette Webers Blogeintrag

"Wenn nun Menschen aus dem Wirkungskreis der Preisvergabe mit Vorwürfen reagieren, die mich mit den übrigen Unterzeichnern in eine Ecke neidvoller Deutschtümelei schieben, sollte ich mich angegriffen fühlen? Sollte ich mich schämen, sollte ich mir wünschen, nie aus der Anonymität getreten zu sein, damit man mich nicht mit einer angeblich „populistischen Sache“ in Verbindung bringt?"
Mehr dazu im Blogeintrag von Sabine Schäfers

Mittlerweile haben viele der Unterzeichner unter ihrer Unterschrift ein persönliches Statement angebracht. Es lohnt sich, die Liste und die Reaktionen anzuschauen und zu lesen!

UPDATE: Meine Autorenkollegin Heike Schulz hat mir die Erlaubnis gegeben, ihre Stellungnahme, die sich mit meiner deckt, hier im Blog zu veröffentlichen. Danke, Heike.

"Die Art und Weise, wie unermüdlich mit vollem Bewusstsein Inhalte des Offenen Briefs verdreht werden, grenzt bereits an Boshaftigkeit. Offenbar hätte man gerne, die Initiative würde eine Berücksichtigung alleine deutschsprachiger Titel fordern, aber dem ist NICHT so, selbst wenn noch so oft das Gegenteil behauptet wird! Wir fordern lediglich eine Gleichstellung. Warum tun sich die Gegner der Initiative so schwer, das zur Kenntnis zu nehmen? Weil es sie um ihr stärkstes Gegenargument bringen würde? Stattdessen geht man hin und greift einzelne Personen, die in der Sache federführend sind, unsachlich an und zieht sie ins Lächerliche. Darüber hinaus spricht man uns Autoren die Fähigkeit ab, die Lebenswirklichkeit der in Deutschland lebenden Kinder in unseren Texten wiedergeben zu können. Zur Krönung des Ganzen unterstellt man uns Futterneid und unterschwellig sogar faschistische Tendenzen. Dies ist unseriös und absolut inakzeptabel."

Dass es auch ganz anders gehen kann, habe ich in Solothurn erlebt. Da lasen am Donnerstagnachmittag sieben der acht Schweizer Literaturpreisträger 2012 aus ihren Werken.  Sieben grundverschiedene Texte, von Lyrik bis Poesie, von lustig bis ernst, in drei verschiedenen Sprachen. Eine Ohrenweide. Ein einmaliges Erlebnis. Weil ich Chaotin es verpasst hatte, mich für die Preisverleihung der Texte von 2013 anzumelden, kann ich nicht sagen, wie die Texte dieses Jahres ausgefallen sind. Ich behaupte jetzt aber mal: Weil der Preis national ist und man gezielt unter den Perlen der Schweizer Literatur gesucht hat, hat man sie auch gefunden, diese Perlen. Ich bin froh darum. Und an der ganzen Veranstaltung hat niemand gefragt, warum der Preis "nur" an Schweizer geht. Weil wir Texte vom Feinsten vorgelesen bekamen. Darum ging es. Und auch darum bin ich froh.

PS: Einen der Preisträger, Arno Camenisch, stelle ich euch im nächsten Blogeintrag vor - weil er mich mit seinen Texten in Sekundenfrist erobert hat!

UPDATE 2: Das Thema beschäftigt!
Hier eine weitere Stellungnahme von Angelika Lauriel
Hier die Stellungnahme von Monika Larsen 
Hier die - ausführliche - Stellungnahme von Heike Schulz

Mittwoch, 8. Mai 2013

Momentaufnahme

Gestern in Oberbüren: zwei perfekte Lesungen. Wunderschönes Schulhaus, wunderbare Lehrer, wunderbare Schüler, wunderbare Betreuung. (Ja, ich weiss, das klingt etwas schwärmerisch, aber es war einfach so!) DANKE nach Oberbüren.
UPDATE: Kurz nach dem Verfassen dieses Blogeintrags ging eine Mail aus Oberbüren bei mir ein. Herr Hartmann hat einen Artikel geschrieben, mit vielen Fotos und Informationen ergänzt und schon ins Netz gestellt. Sag ich's doch. Der perfekte Leseort!

Gestern zu Hause: Einen jungen Mann von Montag auf Dienstag bei uns zur Übernachtung gehabt, der am Dienstagmorgen in aller Frühe doch etwas nervös zu seiner LAP (Lehrabschlussprüfung) als Metallbauer aufgebrochen ist und am Abend gelöst, locker und zufrieden zurückkam. Wir haben das mit einem richtig guten Essen am langen Wohnzimmertisch gefeiert.

Heute: Büro- und Schreibtag. Letzte Vorbereitungen für die Reise an die Solothurner Literaturtage und beantworten von Lesungsanfragen, am Nachmittag dann schreiben. Wenn die Sonne immer noch so herrlich scheint, draussen auf der Sitzterrasse.

Morgen: Geht's nach Solothurn. Ich fahre mit gemischten Gefühlen hin. Zu viel Getöse im Vorfeld, das Gefühl, als Person zu sperrig und zu kritisch für so was zu sein, die Frage an mich selber, ob ich zu viele Vorurteile habe, ob ich in diesen Schweizer Literaturbetrieb überhaupt reinpasse, der Versuch, diese Reinpassfrage nicht schon heute mit Nein zu beantworten, sondern abzuwarten, hinzufahren und mir das einfach so vorurteilsfrei wie möglich anzuschauen. Erden wird mich meine Schreibkollegin Karin Bachmann, mit der ich mich nach den Lesungen treffe.

Sonntag, 5. Mai 2013

Weil sie mitten ins Herz geht

Manchmal taucht bei den Lesungen die Frage auf, warum ich Rockmusik mag.

Die Antwort habe ich gestern Abend beim Auftritt von Bad to the Bone einmal mehr glasklar bekommen. Rockmusik ist die Musik, die ich fühle, atme und lebe. Es ist die Musik, die mir unter die Haut geht, direkt in den Blutkreislauf, mitten ins Herz. Um's noch etwas kitschiger zu sagen: Sie hebt meine Seele hoch und lässt sie fliegen.

Bad to the Bone spielen diese Musik mit Leidenschaft, Hingabe, Herz und Seele. Ernsthaft und doch mit einem guten Schuss Humor. Ohne Blick auf Zeit und Raum. Ohne Kalkül. Sie lieben, was sie tun.

Und so stand ich gestern Abend da, übervoll mit Gefühlen beim Song "Perfect Strangers", den ich beim Schreiben von dead.end.com bestimmt eine Zillion Mal gehört habe. Bei gefühlten 35 Grad mit Gänsehaut und aufgestellten Härchen auf den Armen bei "Child in Time". Lachend bei "Whole Lotta Love" (einem meiner Lieblingssongs, den keiner so gut und mit so viel Augenzwinkern interpretiert wie Röbi Frick von BttB), erfüllt vom Rhythmus von "Speed King" oder "Highway Star", einmal mehr total gefangen von "Heaven and Hell". Beim "Highway to Hell" gibt es nichts Befreienderes, als laut mitzusingen :-). Und am Schluss sind wir alle die "Stairways to Heaven" hinaufgegangen.

Bad to the Bone sind in Höchstform. Viele der Songs hörten sich besser an als im Original. Es sind Songs, die nie sterben werden, auch wenn das ganz junge Jungvolk gestern zum Teil etwas konsterniert auf die Bühne geschaut hat. Manche der Songs von damals sind keine leichte Kost. Schubibubidu ist was anderes. Gut wars. Selten gut. Jetzt müssten die Jungs von BttB nur noch mehr Konzerte geben!

PS: Ich LIEBE Songs, die 10 Minuten und länger dauern!

Samstag, 4. Mai 2013

Was für ein Start in den Monat!

Was sind das für verrückte Tage und Wochen! Matchbox Boy wurde für die Segeberger Feder nominiert - und nun auch für den bookstar.ch

Als ob das alleine nicht schon genug Grund zur Freude wäre, traf ich letzten Mittwoch am Eröffnungsanlass zu den Ostschweizer Autorenlesungen (Schultur - Literatur aus erster Hand) einen jungen Mann, der als Projektarbeit für die Schule einen Buchtrailer zu Freerunning machen wird. Ich kann es kaum erwarten, den Film zu sehen!

Vor dem Eröffnungsanlass ging's auf den Autorenspaziergang, wie immer am ersten Mittwoch im Mai: hoch zu den Drei Weihern. Es ist jedesmal einfach eine Freude, all die Autorenkollegen wieder zu treffen und neue kennenzulernen.

Mit meinem Schreibplan bin ich voll auf Kurs, ja, ich bin im Moment sogar 17 Seiten im Vorsprung.

Und heute Abend geht's endlich wieder einmal zur besten Coverband nördlich der Alpen.

Besser kann ein Monat nicht anfangen!

Dienstag, 30. April 2013

Lesungen und Recherche

Heute Morgen fuhr ich nach Wittenbach, wo ich die ersten drei Lesungen der Ostschweizer Lesetour hatte. Um halb sieben setzte ich mich ins Auto und fuhr los. Ja, das Auto. Die Ostschweiz und der ÖV - das ist eine derart leidige Geschichte, dass ich die Fahrpläne gar nicht mehr lange studiere, sondern gleich das Auto nehme. Der Empfang in Wittenbach war sehr herzlich, die Betreuung optimal, die jugendlichen Zuhörer eine Freude. Sprich: Der Auftakt ist bestens gelungen.

Zu Hause schrieb ich an zwei Folgen für eine neue Radiohörserie und suche im Augenblick noch zwei Schlusspointen, die gleichzeitig Cliffhanger sind.

Und dann habe ich recheriert und herausgefunden, dass der Chesil Beach NICHT bei Plymouth liegt, sondern in der Nähe von Weymouth. Das hat a) mich umgehauen, weil ich einen meiner Protas in Plymouth brauche und gleichzeitig in der Nähe von Chesil Beach (und ich Dödel von unserer Englandreise her den Chesil Beach bei Plymouth in Erinnerung hatte) und b) ziemliche Umschreibfolgen für das Manuskript. Aber das ist noch nicht alles. Ich weiss ja, dass es von Plymouth zur Isle of Skye kein Katzensprung ist, aber dass man soooooo lange unterwegs ist hat a) mich umgehauen (siehe oben) und b) ziemliche Umschreibfolgen (siehe auch oben).  Ich habe ganz kurz überlegt, meinen Prota aus Plymouth rauszunehmen und irgendwo in die Nähe von Weymoth zu "verpflanzen", aber das geht einfach nicht. Ich liebe den Hafen von Plymouth und ich brauche eine etwas grössere Stadt. Von der Isle of Skye bringt mich nichts ab, gar nichts, absolut nichts, und wenn meine Protas dafür das Beamen lernen müssen!!!

Meine zweite Recherchearbeit führte mich zurück in die Tage der analogen Fotografie und dem Entwickeln von Filmen und Fotos in der Dunkelkammer. Als sehr junge Frau (also vor gefühlten 150 Jahren) habe ich einen Fotokurs besucht, in dem ich all das gelernt habe. Für meine Geschichte muss ich mein Wissen reaktivieren und vor allem erneuern. Ein youtube-Video hat geholfen (und witzig war's auch), aber ich muss das in echt noch einmal erleben. Zum Glück habe ich jemanden gefunden, der noch genau weiss, wie das geht. Mit ihm treffe ich mich hoffentlich irgendwann in den nächsten Wochen zum Fachsimpeln. Wenn es unter euch aber noch jemanden mit einer echten Dunkelkammer hat, dann bitte melden. Ich würde mir das furchtbar gerne noch einmal ansehen.

Und jetzt gehe ich in den E-Gitarrenunterricht. So als Sahnehaube auf den Tag. Morgen habe ich zwei Lesungen in Flawil. Am Nachmittag gibt's den zur Tradition gewordenen Autorenspaziergang zu den drei Weihern bei St. Gallen und am Abend ist offizieller Eröffnungsabend der Ostschweizer Lesetour, ebenfalls ein Highlight, das ich nicht missen möchte.

Sonntag, 28. April 2013

Ein paar Worte zum Offlinen

Vom Mittwoch bis heute Nachmittag war ich in den Bergen. Dort habe ich kein Internet und ein Handy, dessen Telefonnummer nur Familienmitglieder kennen. In der Abgeschiedenheit des Hauses im Tobel schreibe ich völlig konzentriert und unabgelenkt an meinen Texten und bin dabei extrem produktiv.

Weil man nicht den ganzen Tag schreiben kann, arbeite ich im Garten, der mehr Wildnis als Garten ist, kämpfe gegen Schnecken, Unkraut, Stacheln und den Steilhang, streiche Räume und seit neustem zimmere ich mir aus alten Bettern, die ich im Stall oben finde, meine eigenen Möbel - wobei ich ganz brauchbare Ideen habe, aber ziemlich wenig handwerkliches Geschick: Jeder, der mir beim Nägeleinschlagen zuschauen würde, bekäme einen Lachanfall (weil aber niemand zuschaut, macht das nichts). Dabei komme ich total zur Ruhe. Ich schaue nicht fern, kaufe keine Zeitungen, höre kein Radio. Ich gehe zu Bett, wenn ich müde bin (SEHR spät) und stehe auf, wenn ich aufwache (ziemlich früh). Zeit spielt keine Rolle.

Manchmal komme ich dann zurück ins Tal, lese mich quer durch die Zeitungen der vergangenen Tage und frage mich, ob sich der 1. April wirklich so häufig wiederholen kann. Ich klicke mich durchs Internet und stelle fest, dass ich mir durch meine Abwesenheit extrem viel Ärgern erspart habe. Eigentlich ist es so: Wenn ich zurückkomme, hat sich nicht wirklich was verändert - es sind einfach ein paar Medienhypes und ein paar Aufreger unbemerkt an mir vorbeigezogen.

Ja, aber ... man kann doch nicht einfach weg und NICHT erreichbar sein!
Doch. Geht problemlos. Ich habe noch keinen Riesendeal verpasst, keine Lesung deswegen nicht bekommen, keinen Auftrag nicht erhalten. Wenn ich länger weg bin, gucken Herr Ehemann, Herr Sohn oder Frau Tochter in meine Mailbox und rufen mich an, falls etwas wirklich, wirklich dringend ist. Das geschieht aber selten. Und dann antworten sie für mich.

Ich offline liebend gerne. Je länger je mehr. Dafür haue ich mich dann so richtig ins Internet rein, wenn ich im Tal unten bin. Inzwischen weiss ich auch, dass ich nicht permanent in die Berge ziehen will. Weil ich da die ganze Arbeit samt Internet mit hochnehmen müsste. Damit wäre alles dahin, was ich jetzt in den Bergen oben finde. Ich werde also zwischen den Welten pendeln und in beiden die beste Seite leben.

Und falls sich jetzt jemand fragt, wie Möbel von der Frau Gabathuler aussehen. So (die Deko habe ich auch nicht gekauft, sondern zusammengesucht aus dem, was halt noch oben in den Bergen zu finden war - samt Karte einer sehr, sehr lieben Freundin):