Sonntag, 27. April 2014

Zufallshelden

Der Zufall (oder das Schicksal) wollte es, dass ich an einer Lesung in Walenstadt Tom Zai kennenlernte. Es war Pause, es blieben knappe fünf Minuten, ein Typ setzte sich an den Tisch im Lehrerzimmer und jemand sagte: "Das ist Tom. Er schreibt auch." Ja, so fing das an. Zufällig. Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Wir sind Freunde geworden. Nicht zufällig.

Zufallshelden heisst das Buch von Tom, das kürzlich im Appenzeller Verlag erschienen ist, und einmal mehr beweist der Verlag damit, dass er ein wunderbares Gespür für gute Texte hat - und den Mut, sie auch zu veröffentlichen. Denn: Zufallshelden ist kein Mainstream-Buch, keine umpfte Ausgabe von etwas schon Dagewesenem, sondern herrlich anders, schräg, mit einem gewaltigen Sprachwitz und einer eigenen und eigenwilligen Erzählsprache.

Über den Inhalt möchte ich nicht allzuviel verraten, weil ich damit eine herrliche Geschichte verschenken würde (oder anders gesagt "spoilern" würde). Deshalb nur ganz wenig mehr als auch im Klappentext nachlesbar ist:

Ein Riesenrad wird von einem Kleinflugzeug gerammt. Verletzte oder Tote gibt es keine. Was hat Peter damit zu tun, der kein Held ist, aber (wider Willen und ziemlich zufällig) zu einem wird, weil er in London auf einem Themesschiff mit seinem sensiblen Gehör eine Bombe aufspürt, die vom Sicherheitsdienst übersehen wurde. Als er dann, im Irrglauben eine weitere Bombe entdeckt zu haben, an den Paralympics eine harmlose Rollstuhlfahrerin attackiert, macht er sich unmöglich. Peter wird abgeschoben und landet in Paris (nach Hause in die Schweiz will er vorerst lieber nicht). Dort trifft er auf Valérie Bisou, die im Panthéon eine sonderbare Abweichung von Foucaults Pendel erforscht. Ihr Leben ist auch ohne Peter kompliziert genug (und seins auch ohne ihres), aber eben ... das Leben und die Liebe ... Und dann ist da ja noch das Riesenrad. Liegt in all dem Irrsinn eine Verbindung zum skurilen Flugunfall in Kanada? Zieht da jemand im Hintergrund die Fäden?

Schon auf die Geschichte, die sich Tom ausgedacht hat, muss man erst einmal kommen. Und dann sind da diese herrlichen Figuren. Skuril, eigen- und einzigartig, ausgestattet mit allerhand Ticks und seltsamen Verhaltensweisen. Peter zum Beispiel, der kann UNMÖGLICH an weggeworfenen Kaugummis und Papierchen vorbeigehen, die auf dem Boden liegen. Geht nicht. Punkt. Und das ist nur eine der Marotten, die Zais Charaktere haben. Erzählt und geschildert wird das überwiegend mit total lakonischem, aber irrwitzigem Wortwitz, ab und zu, wenn die Situationen einfach zu surreal wird, auch einmal slapstickartig. Ganz gross(artig) auch die Dialoge. Was habe ich gelacht! Und gestaunt, auf was für Einfälle ein Autor so kommen kann ... einfach nur köstlich.

Der Verlag beschreibt das so: Ein Thriller voller Wortwitz über Menschen mit Ticks, Obsessionen und aussergewöhnlichen Fähigkeiten. Ich stimme zu. Und wünsche mir mehr davon.



Mittwoch, 23. April 2014

Long Time Love

Vor ein paar Wochen bin ich auf den geplanten Dokumentarfilm Long Time Love von Mitra Devi aufmerksam geworden. Der Trailer berührte und begeisterte mich. Nun rückt der Starttermin des Film näher. Ich möchte euch deshalb etwas mehr über den Film erzählen.

Fünf Frauenpaare erzählen von Freuden, Chancen und Herausforderungen ihrer langjährigen Partnerschaft, darunter eine Psychotherapeutin, eine Treuhänderin und eine Hebamme. War es Liebe auf den ersten Blick? Hat sich das anfängliche Feuer in Alltagsroutine verwandelt oder flattern die Schmetterlinge im Bauch noch? Was verbindet sie nach all den Jahren noch? Was könnte sie trennen? Long Time Love ist ein berührender Film, der mit minimalen Kameraeinstellungen auskommt und ganz von der Authentizität der portraitierten Frauen lebt.

Den Film realisiert haben Mitra Devi, Zürcher Schriftstellerin und Filmemacherin, und Bea Huwiler, Luzerner Malerin und Fotografin. Sie haben mehrere Film- und Kunstprojekte gemeinsam realisiert und zeigen diese Low-Budget-Eigenproduktion in Kinos und an Filmfestivals.

Premiere hat Long Time Love am 3. Mai im Rahmen vom Pink Apple Festival im Kino Movie Zürich. (Die Vorführungen in Zürich sind ausverkauft; für die Vorführung in Frauenfeld sind noch Tickets erhältlich. Weitere Termine folgen.)


Samstag, 19. April 2014

Was mit der Welt schief läuft

Ich war eine Woche offline. Total offline, ohne Ausnahme. Absolut empfehlenswert! Plötzlich ist da ganz viel Realzeit. Ganz viel Intensität. Ganz viel Leben.

Natürlich hatte die Offline-Zeit einen Grund: Herr Ehemann und ich fuhren in den Süden, nach Ligurien, zum Wanderurlaub mit italienischen Nachtessen an Orten, von denen man sonst nur träumen kann. Irgendwo unterwegs, auf dem Rückweg von einer Wanderung, kamen wir an einem Dorfplatz vorbei. Und da, mitten zwischen Rosmarin und anderen feinriechenden Gewächsen, fand ich die Antwort auf die Frage, was mit der Welt schief läuft. Sie ist eigentlich sehr einfach. Und eigentlich - eigentlich - könnten wir das ganz leicht ändern.