Sonntag, 18. Juli 2021

Wenn Form und Inhalt perfekt übereinstimmen - von der Kunst des einfachen Schreibens

Endlich kann ich sie zeigen, die Bücher, an denen unsere Autor*innen und wir vom da bux Verlag in den vergangenen Monaten gearbeitet haben.

Es sind vier völlig verschiedene Texte, inhaltlich und sprachlich, was nicht nur das Verleger*innenherz begeistert, sondern auch die Lektorin (mich). Ich bin voller Neugier und Freude in diese Welten eingetaucht und habe einmal mehr darüber gestaunt, wie sehr Erzählform und Inhalt übereinstimmen. 

Die schon fast magische Geschichte von Katja Alves hat ihren ureigenen Wortklang, der beim Lesen verzaubert. Einfach, schlicht, schnörkellos und gerade deswegen wunderschön.

Genau das Gegenteil bietet der Text von Severin Schwendener, der mit den Elementen des Horrorgenres spielt und jongliert, als hätte er nie etwas anderes getan. Kopfkino vom feinsten mit einem Slow Motion Moment, der es in sich hat.

Franco Supinos Text ist beklemmend real, zuweilen in seiner erbarmungs- und schonungslosen Ehrlichkeit und Offenheit nur schwer zu ertragen. Inhaltlich und sprachlich eine Wucht.

Karin Bachmann stellt schon auf der ersten Seite Geschlechterrollen so locker und cool auf den Kopf, dass es eine Freude ist. Das macht sie mit viel Wortwitz und noch mehr Spannung.

Mit solch guten, professionell arbeitenden Autor*innen zusammenarbeiten zu dürfen und zu können, ist eine richtig tolle Sache. Da geht es nicht um Egos, sondern um die Arbeit am Text, um das gemeinsame Suchen und Finden der perfekten sprachlichen Version. Wir haben ein Grob- und ein Feinlektorat gemacht und dann an Details geschliffen, so lange, bis wir alle zufrieden waren. Das ist verbunden mit einem intensiven Austausch über den passenden Ausdruck, die besten Worte für etwas. Für mich als Lektorin gilt dabei: Ich muss (und darf) mich auf jede Erzählsprache einlassen und darin eintauchen; ich muss sie fühlen und verstehen. Nie, gar nie, darf ich einer Autorin oder einem Autor meine Sprache aufdrängen. Und: Im Zweifelsfall hat der Autor / die Autorin das letzte Wort, denn es ist sein / ihr Text.

Ihr seht: Hinter jeder dieser vier kurzen da bux Geschichten steckt sehr viel Arbeit. Einfaches Schreiben ist etwas vom Schwierigsten, eine Kunst für sich. Oder, wie Tom Zai das einmal definiert hat: da bux Geschichten sind einfach, aber nicht einfach einfach. Das erlebe ich bei jedem Lektorat aufs Neue.  Deshalb möchte ich an dieser Stelle die Arbeit unserer Autor*innen würdigen: Danke für eure Texte. Es sind richtige da bux Texte geworden, Geschichten, die perfekt in unser Programm passen. Inhaltlich und sprachlich.

PS: Worum es in den Geschichten geht, verrate ich in einem speparaten Blogpost.

Mittwoch, 14. Juli 2021

Waiting for Fame

In meiner YA!-Kolumne im Online-Magazin Qultur geht es um Jugendliteratur (Young Adults). Ich finde sie entscheidend und wichtig auf dem Leseweg jedes Menschen, weshalb ich auch mit viel Überzeugung, Herzblut und Begeisterung für den da bux Verlag arbeite. Kommt dazu, dass ich Jugendliteratur sehr lange etwas vom Spannendsten fand, das man lesen kann, auch als erwachsene Person. Immer öfter tue ich mich jedoch schwer damit. Ich sehe gefühlte Zillionen gleicher Buchcover, lese austauschbare Klappentexte, erlebe, wie Verlage vermehrt auf Lizenztitel setzen und deutschsprachigen Autoren*innen immer weniger spannende Nischen bieten. Wer Wertschätzung und Anerkennung sucht, ist als Jugendbuch*autorin sowieso im falschen Bereich unterwegs. Die Verdienstmöglichkeiten sind - wenn man nicht gerade einen Mainstream-Bestseller schreibt - sehr bescheiden. Kein Wunder also, lassen mittlerweile nicht wenige meiner Berufskolleg*innen das Schreiben von Jugendbüchern bleiben und wechseln in die Kinder- oder Erwachsenenliteratur, denn für die meisten von uns lohnt es sich einfach nicht (mehr), viel Zeit und Sorgfalt in ein Buch zu stecken, von dem man zum Voraus weiss, dass man kaum etwas daran verdienen wird. Vor allem für jene nicht, die von ihrem Beruf leben wollen.

Als also kürzlich bei einer Lesung ein Jugendlicher fragte, ob man als Schweizer Autorin berühmt werden könne, hat das in mir eine Lawine ausgelöst, die zu einer längeren Antwort führte und zu einem ernüchternden bis frustrierenden Fazit der Moderatorin der Lesung führte. Ihr findet beides hier: Meine Kolumne und die Antwort von Anne Wieser vom Literaturhaus Aargau.

Das Berühmtsein habe ich längst abgehakt. Aber die Anerkennung und Wertschätzung für das, was wir Jugendbuchschaffenden tun, die fehlen mir. Mir fehlen zudem noch eine Menge anderer Dinge. Zum Beispiel das Schulwahlfach Creative Writing. Das Ernstnehmen der Jugendliteratur und der Jugendlichen, die sie lesen. Eine stärkere Präsenz in den Medien, die ein Zeichen für die Jugendliteratur setzen würde. Und eine bessere Würdigung durch die Kulturämter dieses Landes, die noch viel zu oft weder ein Verständnis für noch ein Interesse an Kinder- und Jugendliteratur und ihren Autor*innen haben.

Mittwoch, 7. Juli 2021

Vor dem Sprung ins kalte Wasser

Seit Wochen möchte ich mein Blogdesing ändern. Ich hätte auch eine schöne neue Vorlage gefunden, habe jedoch Angst, dass beim Anpassen eine Menge verloren geht. Seit 2006 blogge ich nun schon, 2007 ist mein erstes Buch erschienen. Dieser Blog ist also so was wie ein öffentliches Schreibtagebuch. Da würde eine Menge verloren gehen. Das schreckt mich ab. Andererseits habe ich das aktuelle Design wirklich satt.

Nun sitze ich schon seit fast zwei Stunden vor meinem Computer. Habe Verschiedenes mit einem Testblog ausprobiert. Merke, dass das, was ich möchte, für neue Einträge und Labels schon geht, weiss aber immer noch nicht, ob sich beim Ändern mein Blogarchiv pulverisiert. 

Die Frage ist: Wäre das so schrecklich? Es ist ein bisschen wie beim Ausräumen eines Schranks. Was man lange nicht mehr getragen hat, kann ruhig weg. Übertragen auf meinen Blog bedeutet das: Von mir aus kann alles weg. Aber wenn ich so gucke, durch welche Suchwörter Menschen auf meinen Blog stossen und welche Posts sie lesen, dann gewinnt das Blogarchiv schon an Bedeutung.

Vielleicht sorge ich mich auch völlig umsonst und alles flutscht einfach an seinen Platz, wenn ich auf den Anpass-Button klicke.

Ach.

Ich zögere und lasse es für heute bleiben. Falls morgen alles anders ist und ihr zwar ein schönes neues Blogdesign vor euch habt, aber kein Archiv, keine Labels, keine Blogroll und gar nichts mehr, dann habe ich den Sprung ins kalte Wasser gewagt. Mit allen Konsequenzen.

UPDATE: Ich habe das aktuelle Design schlanker und einfacher gemacht. Ist auch schön. Ich lass es mal so.

Montag, 5. Juli 2021

Zwei Auszeiten und dazwischen berufliche Highlights - der Rückblick auf den Monat Juni

Im Juni herrschte eine kleine Flaute hier im Blog, nicht jedoch in meinem Leben. Ich habe mir gleich zwei Auszeiten genommen – und in der Woche zwischen den Auszeiten war ich beruflich unterwegs.

Auszeit Nummer 1:

Ich war unterwegs in schönen Landschaften. An Orten, wo ich mir vorstellen konnte, für länger zu leben.


Berufliche Highlights - Unterwegs als Autorin und Workshopleiterin

Am 22. Juni war ich zusammen mit Anne Wieser vom Literaturhaus Aargau zu Gast bei Oberstufenschüler*innen in Frick. Sie hat die drei Lesungen dort moderiert, für mich eine ganz neue Erfahrung, da Schullesungen in der Regel nicht moderiert sind. Oft werde ich als Autorin am Anfang der Lesung nicht einmal vorgestellt. „Das machen Sie doch selber, oder?“, ist so eine Standartfrage. Deshalb habe ich mich doppelt auf diese Lesungen gefreut und war auch sehr neugierig, wie eine moderierte Lesung an einer Schule abläuft. Mein Fazit: schon noch ganz cool.

Am 23. Juni durfte ich an einem Weiterbildungsnachmittag für Lehrpersonen einen Workshop zum Thema Klassenlektüre leiten. Ich sehe mich dabei als Inputgeberin und Moderatorin eines Erfahrungsaustausches zwischen den Kursteilnehmenden. Vor allem lerne ich jedes Mal selber eine Menge dazu. So auch dieses Mal. Nach solchen Workshops bin ich oft zwiegespalten. Einerseits freue ich mich über all die tollen Ideen, andererseits bedaure ich, dass zu diesen Workshops praktisch nur Lehrpersonen kommen, die sie/ihn eigentlich gar nicht nötig haben, weil sie schon so viele tolle Ideen haben und umsetzen.

Am 25. Juni fuhr ich nach Bürglen zu meiner letzten Lesung des ersten halben Jahres. Ich war eine von drei Autor*innen, die dort anlässlich des Kulturtages eingeladen waren. Der Zufall wollte es, dass auch Sunil Mann und Andrea Gerster gleichzeitig gelesen haben, die beide auch für da bux schreiben. Nach der Lesung sassen wir alle im Lehrerhaus an einem Tisch, haben gegessen, getrunken und Erfahrungen ausgetauscht. (Hier geht's zum Artikel im St. Galler Tagblatt.)

Auszeit Nummer 2

Nach dieser tollen Arbeitswoche ging es nahtlos auf allerbeste Art weiter: Am Sonntag traf meine Autorenkollegin Jutta Wilke bei uns ein. Sie war für Lesungen im Nachbardorf Salez eingeladen und blieb gleich die ganze Woche (Hier geht es zur YA-Kolumne zu ihren Lesungen). Wir zogen uns – mit einem Umweg über die Bad Ragartz und den Buchladen Bad Ragaz – zum Plotten, Schreiben und Wandern ins Haus in den Bergen zurück. Schön war’s. Kreativ war’s. Unterhaltsam war’s. Und ja, auch produktiv war's. So was sollten wir viel öfters mal machen.

Mittwoch, 16. Juni 2021

YA! Playlist meiner Entscheidungen oder Von Pausen, vom Mäandern, vom Lesen und vom Schreiben

Nachdem alle Arbeiten für den da bux Verlag erledigt waren, gönnte ich mir eine Pause und fuhr mit Herrn Ehemann weg. Und so sitze ich hier, lausche einem veritablen Vogelkonzert, gucke in total schöne Landschaft und lasse meine Gedanken mäandern. Wie einen Fluss, der sich in einem weiten Tal seinen Weg so sucht, wie es gerade passt. Ich habe endlos viel gelesen und etwas weniger endlos viel geschrieben. Das Tolle daran: Wenn man seinen Gedanken und Gefühlen genug Raum lässt, entsteht im Kopf viel Neues und gleichzeitig entspannt sich der Körper. So habe ich Plotts geschärft, eine völlig neue Geschichte wachsen lassen und eine neue Kolumne für das Online-Kulturmagazin Qultur geschrieben, in der das Mäandern und Playlisten eine wichtige Rolle spielen.

Beim Lesen bin ich fremdgegangen und habe eine Exkursion in das mir ziemlich unbekannte Gefielde der Liebesromane unternommen und gleich zwei davon gelesen, normalerweise überhaupt nicht mein Ding, aber eine hat mich sehr positiv überrascht (Elite Secrets, Herz in der Brandung von Jess A. Loup), die andere finde ich von der Idee her noch ziemlich witzig (The Secret Book Club von Lyssia Kay Adams). Dazu kommen zwei Jugendromane (A Good Girl’s Guide to Murder von Holly Jackson und Playlist meiner miesen Entscheidungen von Michael Rubens), die mir beide gut bis sehr gut gefallen haben, und ein irgendwann nicht mehr ertragbarer Roman um Menschenhandel und Machtmissbrauch in seiner übelsten Form (The last thing to burn, Will Dean). Ich habe das Buch abgebrochen, weil ich fand, dass man es als Autor auch übertreiben kann, denn eigentlich war nach 20 bis 30 Seiten das ganze Elend sicht- und fühlbar, alles danach war nur noch ein Aneinanderreihen von Perversionen und Leiden.

Beim Schreiben hatte ich Lust auf meinen Erwachsenenkrimi. Ich habe das Profil der Hauptprota geschärft, weil ich merkte, dass ich schlicht und einfach nicht wie Nora Roberts oder Charlotte Link schreiben will, auch wenn sich das wahrscheinlich besser verkaufen würde als das, was aus dem Krimi gerade wird. Ein Gabathuler-Text halt. (Ade, ihr lieben Verkaufszahlen, es war schön, von euch geträumt zu haben.) Während ich den schon vorhandenen Text überarbeitete, musste ich mir auch eingestehen, dass der Ablauf der Mordnacht nicht aufgeht, weder jetzt noch in tausend Jahren, also musste ich umplotten.

Und dann war da noch die Rockstar-Geschichte, die einfach raus musste, nachdem ich das Buch von Jess A. Loup gelesen hatte. Also, zumindest der Anfang. Der ist echt gut geworden, finde ich. Fehlen einfach noch etwa 240 Seiten bis zum Ende, aber so what? Schliesslich mäandere ich gerade.