Mittwoch, 29. Februar 2012

Der Zeigefinger des Schicksals

Ich war die letzten beiden Tage auf Lesetour. Irgendwie muss das der Gott aller öffentlichen Verkehrsmittel mitbekommen haben, denn heute - nach den Lesungen - stand ich in Aarau am Bahnhof und der Zeigefinger des Schicksals (also sozusagen die verlängerte Hand des Gottes aller öffentlichen Verkehrsmittel) zeigte bestimmt und unerbittlich auf mich. Mein Zug fiel aus. Von all den Zügen genau meiner. Nun mag so ein Zugsausfall im Schweizer Mittelland eine Bagatelle sein (kommt ja ziemlich bald der nächste), doch für Leute, die in der Pampa leben, hat das Folgen: Die Rückfahrt von Küttigen nach Buchs SG (160 km) dauerte somit genau 3 Stunden und 20 Minuten.

Meine Gelassenheit machte sich aus dem Staub. Ich entschied an Ort und Stelle, wieder auf das Auto umzusteigen. Nur, dazu musste ich erst nach Hause kommen. Ohne Auto. Mit der Bahn. Also griff ich auf meinen Galgenhumor zurück, ging in den Bahnhofbuchladen und kaufte mir den Pampa Blues von Rolf Lappert, krallte mir ein "20 Minuten " (wegen der Sudokus) und stellte mich auf eine langwierige Fahrt mit grottenschlechten Anschlüssen ein. Für die positive Sichtweise (Bahnhofsbesichtigungen und rumhängen auf Plattformen) fehlte mir für einmal der richtige Blickwinkel.

Nun, es wurde dann erstens lustig und zweitens genial schön.
Lustig, weil kurz nach der Abfahrt von Aarau via Lautsprecheranlage verkündet wurde, dass wir leider umgeleitet werden ... und deshalb verspätet in Zürich eintreffen würden. Im Zugswaggon brach allgemeine Heiterkeit aus, die sich mit der auf französisch gestammelten Ansage verstärkte und bei der englischen Version hätte man dann schon Tränen lachen können.
Genial schön, weil Rolf Lappert einfach sensationell schreibt.
Ach ja, und der Cappuccino im Bahnhofsladen von Sargans ist nicht nur saumässig gut, sondern wahrscheinlich auch der billigste Cappuccino entlang der vereinigten Bahnstrecken der Schweiz.

Als Sahnehäubchen der ganzen Geschichte hielt der Railjet gefühlte 10'000 Meter vom Bahnhof weg an. Es dauerte eine ziemliche Weile, bis ich endlich durch die grottendüstere Bahnhofsunterführung schreiten konnte, um dann im ganz normalen Wahnsinns-Verkehrschaos des Buchser Bahnhofs aufzutauchen.

PS: Habe ich schon erwähnt, dass die Bahnticket-Preise im Dezember massiv aufschlagen werden?

Sonntag, 26. Februar 2012

Vom Schreiben leben - gibt es ein Recht darauf?

Ich beginne diesen Eintrag mit einem Kommentar von bugsierer : "ich würde mal schätzen, dass 99% aller künstler nebenbei noch einen brotjob machen müssen und das hat mit der buchpriesbindung rein gar nix zu tun. das ist seit ewig so und wird so bleiben und ist auch richtig so"

Im Text, auf den sich dieser Kommentar bezieht, ging es um Autoren und um die Feststellung, dass die meisten vom Schreiben nicht leben können und deshalb "nebenbei" einem Brotberuf nachgehen, also einem Beruf, der ihnen das Einkommen sichert oder zumindest sichern sollte. Ich bin am richtig so hängen geblieben und fand, darüber könnte man diskutieren. Seither trümmeln mir mehr Fragen als Antworten durch den Kopf. Ich stelle diese Fragen einfach einmal in den Raum. Wer möchte, kann weitere Fragen anhängen oder sich an einer (oder mehreren) Antworten versuchen.

Zuerst die Frage, die sich - für mich - am einfachsten beantworten lässt: Ja, ich möchte von meiner Arbeit als Autorin leben könnnen.

Und jetzt kommen die Fragen:

... Ist es wirklich richtig so?
... Ist es einfach, wie es ist?
... Gibt es ein Recht darauf, als Autorin seinen Lebensunterhalt verdienen zu können?
... Wenn ja, woher soll das Geld kommen?
... Soll es der Markt richten?
... Wer gewinnt im freien Markt? Der Mutige? Die Tapfere? Der Ausdauernde? Die hart Arbeitende? Der Bessere? Die Gewandtere?
... Braucht es Förderung?Wenn ja, wer wird gefördert und wie?
... Gilt das Recht des Tüchtigen?
... Kann ein Brotberuf unter Umständen sogar ein anregender Faktor fürs Schreiben sein?
... Bremst ein Brotberuf?
... Wäre ein Grundeinkommen für alle (nicht nur Künstler) die Antwort? Oder die passende Ausrede?
(Diese Frageliste ist weit weg von vollständig; es sind die ersten Fragen, die bei mir aufkamen.)

Wie ich es sehe:

Wer das Schreiben im Bewusstsein beginnt, sich auf eine brotlose Tätigkeit einzulassen, hat schon viel gewonnen. Er (Sie) geht die Sache realistisch an. Für Menschen mit rosa Brillen ist Schreiben nicht unbedingt der geeignete Beruf. Es kann einer werden, es kann aber auch für immer ein Hobby oder ein Nebenerwerb sein.

Schreiben (oder jede andere Kunst) ist Arbeit, viel Arbeit. Leider garantiert diese viele Arbeit kein Einkommen, mit dem man das Leben bestreiten könnte, auch wenn man hart arbeitet. Als Schreibende gehört man zur Gruppe der selbständig Erwerbenden. Ich kenne keinen selbständig Erwerbenden, der eine Garantie darauf hat, genügend Einnahmen für seinen Lebensunterhalt zu generieren.

Als zäher Brocken, sturer Grind und unerschütterliche Optimistin habe ich es trotz allem verinnerlicht, dass man es auch als Schreibende schaffen kann. Ich weiss um das Scheitern, aber ich will es schaffen. Daran arbeite ich. Ohne Garantie, dass das auch ein Leben lang funktioniert (seit ca. zwei Jahren funktioniert es für mich als Einzelperson; (m)eine Familie ernähren könnte ich jedoch nicht).

Ein Brotberuf ist für mich nicht eine bittere Pille, die es zu schlucken gilt, sondern eine mögliche Alternative. Ich gestehe jedoch, dass ich das Leben als Freiberufliche vorziehe. Samt all den Risiken.

Vielleicht ist die Frage, ob es richtig oder fair ist, die falsche Frage. Vielleicht müssen wir uns eher fragen, wie wir damit umgehen.

Das wären erste Gedanken und ein erstes Fazit von mir. Die meisten Fragen bleiben offen. Ich lasse sie mal so stehen und hoffe auf Kommentare.

Freitag, 24. Februar 2012

Gestern Abend, unterwegs

Mit dem Auto, weil die Bahnverberbindungen nach St. Gallen einfach (sagen wir es nett) etwas subobtimal sind. "Schiff im Sand" von Züri West auf der Repeattaste. Hin und zurück. Und weil ich alleine unterwegs war, sehr laut. Sehr, sehr laut. Das Leben war gut.

Donnerstag, 23. Februar 2012

Produktiv

Heute habe ich

... eine Weihnachtsgeschichte abgegeben.
... die Texte meines ersten Texterauftrags eingereicht.
... die Druckfahnen für das neue Buch erhalten.
... mit meiner Agentin wegen eines neuen Projekts telefoniert.
... einen Vorschlag für einen Lesungstermin erhalten und bestätigt (6. April).
... den Eintrag des Lesungstermins in Vaduz im Blog und auf der Webseite präszisiert (Landesbibliothek, 4. April)

In einer halben Stunde mache ich mich auf den Weg zum Bahnhof. Ich fahre nach St. Gallen, wo ich am ersten Treffen einer Arbeitsgruppe teilnehme, deren Ziel es ist, die Autoren der Ostschweiz besser zu vernetzen und einem breiteren Publikum bekannt zu machen.

Kurz: Im Moment läuft einfach alles rund. Ist ein gutes Gefühl. Von guten Gefühlen war hier im Blog schon öfters die Rede. Auch davon, dass man die Welle reiten soll, wenn sie da ist. Dann mach ich das doch mal :-)

Autoreninterviews

Ich lese nicht nur gerne Blogs von Autoren (siehe Blogroll), sondern auch Interviews mit Autoren. In den letzten paar Tagen haben mir zwei besonders gut gefallen:

... das Interview mit Christiane Lind
... das Interview mit Frank Maria Reifenberg

Bevor ihr auf die Links klickt: Es sind keine dieser kurzen Ex-und-Hopp-Interviews mit Fragen, die auf der Oberfläche surfen. Vielleicht wäre es keine schlechte Idee, sich eine Tasse Kaffee / Tee zu machen oder sich ein Glas mit seinem Lieblingsgetränk zu füllen, um dann in aller Ruhe einzutauchen in die Welt dieser beiden Autoren.

Mittwoch, 22. Februar 2012

Buchpreisbindung und Online-Handel

Meine Blogeinträge zur Buchpreisbindung sind nicht ungehört und ungelesen verhallt. Ich habe Post erhalten. Angehängt war jeweils ein Schreiben, das zeigen sollte, dass Online-Anbieter im Ausland in die Schweizer Buchpreisbindung eingebunden sind. Ich habe beide Schreiben gelesen - und beide schaffen es nicht, meine Zweifel auszuräumen.

Schreiben Nummer 1 ist eine rechtliche Beurteilung
 "Währenddem der Begriff der gewerbsmässigen Einfuhr noch als Spielball für eine Umgehung des parlamentarischen Willens noch missbraucht werden könnte (die Befürworter der Preisbindung stellen sich auf den sachlich richtigen Standpunkt, dass der Import von Büchern durch einen Online-Buchhändler eine gewerbsmässige Aktion ist), ist die Sachlage bei Punkt c unbestritten: Der Akt des Kaufes findet auch bei einem Onlinegeschäft in der Schweiz statt, weshalb auch der Kauf eines
Privaten aus der Schweiz der Schweizerischen Gesetzgebung über die Preisbindung unterstellt wäre.
"

Fakt ist:
Punkt b) ist in dem Gesetzestext enthalten, über den wir abstimmen. Und dieser Punkt ist glasklar - er erlaubt den privaten Buchkauf beim ausländischen Online-Händler (privat ist nicht gleich gewerbsmässig)
Punkt c) der Gesetzestext spricht nicht von "Kauf", sondern von Handel. Der Händler sitzt jedoch im Ausland und nicht in der Schweiz. (Gesetzestext: c) in der Schweiz gehandelt werden)

Schreiben Nummer zwei ist eine Richtigstellung des SBVV zu den oben aufgeführten Schlüssen der rechtlichen Beurteilung:
"Falls es jedoch trotz dieser klaren Gesetzeslage zu einem Auslegungsstreit bezüglich des Internetbuchhandels kommen sollte, gilt die juristische Regel, dass bei einem jungen Gesetz der Wille des Gesetzgebers (juristisch gesprochen die «historische Auslegung») massgebend
ist. Mit der ausdrücklichen Streichung von Abs. 2 über den grenzüberschreitenden Internethandel (siehe oben) wäre die Sache dann endgültig klar. Dies bestätigen sämtliche Experten,
u.a. der Berner Staatsrechtsprofessor Andreas Lienhard
."

Fakt ist:
Gemäss Befürwortern stimmen wir nicht über den Gesetzestext ab, der uns offiziell vorliegt, sondern über dessen Bereinigung nach einer allfälligen Annahme. Nun, wenn es wirklich so ablaufen würde, wie die Richtigstellung des SBVV es vorsieht, dann muss ich gar nicht erst abstimmen gehen, weil das, worüber ich abstimme, nicht das sein wird, worüber ich eigentlich abstimme. Alles klar? So was nennt man die totale Irreführung von Stimmbürgern (und leider passiert das nicht zum ersten Mal in einer wichtigen Abstimmung). Verlierer wären alle.

Aber gehen wir einen Schritt zurück und nehmen wir an, es ist so, wie die Befürworter schreiben und Punkt b) würde nach der Annahme der Initiative gestrichen und c) grosszügig ausgelegt. Dann hätte ich ein paar Fragen:

1. Wieso ist der begleitende Informationstext im Abstimmungsbüchlein so unklar wie ein nebelverhangener Tag? (Er erwähnt keinen der oben genannten Schlüsse.)
2. Warum hat der Bundesrat die Aussage seines Vertreters Johann Schneider-Ammann (Bundesrat), wonach der ausländische Online-Handel von der Buchpreisbindung ausgeschlossen sein wird, nicht sofort und heftig richtiggestellt und korrigiert?
3. Wo bleibt eine glasklare Aussage des ausländischen Online-Handels? Ich habe von keinem Anbieter eine Zusicherung gelesen, dass er sich an die Buchpreisbindung halten wird.

Fazit: Wir stimmen über etwas ab, das absolut unklar ist und über das bis jetzt auch niemand wirklich Klarheit geschaffen hat - am allerwenigsten unsere Landesregierung. Alleine das sollte Grund genug sein, ein Nein in die Urne zu legen.

PS: Eine Erklärung für ausländische Leser dieses Blogeintrags: Schweizer Preise liegen generell (zum Teil massiv) höher als im Ausland. Deshalb ist die Frage, ob der ausländische Online-Handel unter die Buchpreisbindung fällt, so wichtig. Denn: Fällt er nicht darunter, werden viele Schweizer auf einen - allenfalls wesentlich billigeren - Online-Kauf bei einem ausländischen Anbieter ausweichen (deshalb werden wir auch vergeblich auf eine klare Stellungnahme der ausländischen Anbieter warten - die können bei einem Ja zur Buchpreisbindung allenfalls viele neue Schweizer Kunden begrüssen).