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Sonntag, 21. September 2025

Wild, rau, karg


Ich stand auf der Fuorcla Surlej, vor mir ein sehr kleiner Bergsee, mehr eine grosse Pfütze, dahinter Berge mit klingenden Namen, sozusagen das Who is Who der Alpen, ein Bild von überwältigender Schönheit. Meine Gefühle zu gross für mein Herz. Ich wollte für immer dort stehen bleiben, für immer einfach nur schauen, und gleichzeitig wusste ich: Ich kann nicht ewig hierbleiben. Irgendwann muss ich loslassen. Weiterwandern. Dann der Moment, in dem ich mich wegdrehe, und während ich das tue, will ich zurückblicken, stehen bleiben, aber ich gehe weiter. Trage das, was ich gesehen habe, in mir mit. Habe es mit der Kamera festgehalten. Für Tage, an denen die Sehnsucht zu gross wird.

Landschaften, die ich liebe, sind wild und rau, oft auch karg. Das Liebliche passt nicht zu mir. Dasselbe gilt für Texte und Geschichten. Ich mag sie wild und rau, oft auch karg. Einfach, kantig und mit Furchen. Das Geschliffene behagt mir nicht, Gekünsteltes langweilt mich. Schnell klingt es für mich zu geschraubt, zu gewollt, zu sehr nach: "Schau mal, was ich kann." Nicht selten habe ich dabei das Gefühl, der Autor oder die Autorin wolle mich vor allem beeindrucken. Solche Texte wecken meinen Fluchtinstinkt, ich steige genervt aus. Ich will nicht beeindruckt werden, ich will, dass mir ein Text unter die Haut ins Herz geht wie der Anblick einer Landschaft von überwältigender Schönheit.

Diese Woche habe ich beides erleben dürfen: Landschaften und Texte von wilder, rauer, karger Schönheit, die unter die Haut und ins Herz gehen. Die Landschaften haben ihren Weg in meine Social Media gefunden. Von den Texten werde ich im Post von nächster Woche berichten.  

Freitag, 12. September 2025

Ich kann nicht zeichnen


Als Englischlehrerin habe ich selten etwas an die Wandtafel gezeichnet, weil sowieso niemand herausfand, was es sein könnte. Meine Spezialität waren Katzen (die sind einfach) und Autos (die sind auch beinahe einfach). Wenn ich also past continuous versus past simple erklärte, zeichnete ich eine Strasse und ein Auto.

"I was driving .... and driving ... and driving" (past continuous)

und dann kam die Katze, die vors Auto sprang.

"... and driving, when suddenly a cat jumped right in front of my car." (past simple)

Noch einfacher zusammengefasst und ganz ohne etwas zeichnen zu müssen:

a-diddely-diddely-diddely-diddely / BANG 

Die Konsequenz: Meine jugendlichen Kursteilnehmenden hatten nicht wirklich eine Ahnung, wie man die Zeitformen nannte, aber sie konnten sie perfekt anwenden.

Zurück zum Thema. Ich würde so gerne zeichnen können. Aber ich kann das nicht. Zumindest war das fast ein Leben lang* meine Einstellung dazu. Bis Theres kam. Sie war eine von damals (glaub ich) fünf, die zur ersten Schreibrunde auftauchten. Wir machten Schreibübungen, mit denen ich zeigen wollte, dass das Schreiben in uns allen steckt, dass wir alle schreiben können, vielleicht nicht alle gleich ein Buch, aber schreiben auf jeden Fall. 

Ich fand schnell heraus, dass Theres fantastisch zeichnen kann. Und ich sagte zu ihr: "Ich würde das so gerne können, aber ich kann es nicht." Sie schaute mich an und sagte: "Mir hat jemand gesagt, dass alle Menschen schreiben können. Einfach machen, hat diese Person gesagt. Also: Zeichne einfach. Du kannst das."  Und da wären wir wieder beim BÄNG, einfach in einem anderen Zusammenhang. Ich konnte Theres schlecht widersprechen, denn sie hatte gerade mich zitiert (hüstel).

So ganz glauben wollte und konnte ich es trotzdem nicht. Bis Theres uns an einem unserer Schreibrundentage einen Workshop im Kartenzeichnen gab. Ich sass da, vor mir entstand eine wunderschöne Landkarte, und es waren meine Hand, meine Finger, die das konnten. Was für ein Gefühl! In den letzten Ferien habe ich mich sogar im Nature Journaling versucht und zu meiner Freude festgestellt, dass die Resultate gar nicht so übel aussahen - man erkannte zumindest, woran ich mich versucht hatte.

Seit drei Wochen teilen wir uns zu dritt ein Atelier. Theres zeichnet, Mariann und ich schreiben. Theres wird Zeichenworkshops anbieten - und ratet mal, wer sich zu jedem angemeldet hat. Ja, genau: Ich. Ich kann es kaum erwarten, bis es losgeht. 

Mit dem Zeichnen wird es so sein wie mit dem Schreiben. Alle können zeichnen, nicht alle werden es zur eigenen Ausstellung bringen. Aber darum geht es gar nicht. Ich kann zeichnen. äm Fall, jawoll.

* Mir ist gerade eingefallen, dass ich im Kindergarten leidenschaftlich gerne und auch sehr oft gezeichnet habe ... (Wann wird uns ausgeredet, dass wir es können resp. wann reden wir uns das aus???)

Sonntag, 7. September 2025

Sonntagnachmittag

Sonntagnachmittag. Mein wöchentlicher Blogpost ist überfällig. Mehrere Anläufe zu verschiedenen Themen sind daran gescheitert, dass ich nicht den richtigen Ton getroffen habe. Ich werde ihn finden. Aber nicht mehr heute. Und jetzt? Keinen Beitrag posten diese Woche? Das lässt mein Kopf nicht zu. Nicht schon wieder. Ich wollte doch endlich regelmässig bloggen ....

Ich erinnere mich an meine Anfangszeiten als Bloggerin (2005 oder 2006). Damals war das Bloggen für mich eine lockere Schreibübung, auch eine Auszeit vom Arbeiten an Büchern. Ich habe über das gebloggt, was mich gerade beschäftigt hat. Oft war es gesellschaftskritisch, oft auch medienkritisch, manchmal wütend, manchmal (irr)witzig, immer kämpferisch. Ich mittendrin, habe mich für alles interessiert, mich an der Politik aufgerieben und abgearbeitet. Wenn ich mich heute so stark mit der Weltlage beschäftigen würde wie damals, wäre ich längst ein Wrack. Alte Männer von Trump über Putin bis Netanjahu leben ihre Grössenwahnträume ungebremst und ohne jegliche Menschlichkeit aus. Geld regiert. Die ganze Reichen werden noch reicher. In Amerika wird es bald Trilliardäre geben. Man muss sich das mal vorstellen. Geht eigentlich gar nicht. Die (Geld)Elite von Silicon Valley hockt bei Trump und kriecht ihm in den Allerwertesten. Wer starke Nerven hat, gucke sich dieses Video an. Im Ernst: Was will man da als Angehörige des niedrigen Fussvolks noch sagen? Mir fällt dazu mein Grossvater ein, der mit der Faust auf den Küchentisch gehämmert und über die Gierschlunde geflucht hat. Glaubt mir, der Mann konnte verdammt gut fluchen. Und ich merke, dass mir dieser Blogpost entgleitet. 

Also: Neuanlauf. Sonntagnachmittag. Die unpolitische Version ohne Fluchwörter. Ich verbringe diesen Nachmittag in den Bergen. Gucke in die Landschaft. Wusle durchs Gelände. Schreibe an meinem Lost Souls Manuskript, habe Fenster geputzt, einen neuen Spiegel aufgehängt und die letzten Korrekturarbeiten am Übungsmaterial für zwei neue da bux Bücher vorgenommen. Die Rehe haben unsere Trauben gefressen und die Blätter des Rebstocks grad dazu, die Blüten des Hibiskus scheinen ihnen auch geschmeckt zu haben. Die Vögel haben sich an unserem Holunder gütlich getan - wir mussten ihn anderswo zusammensuchen, um zu unserem "Holderhungg" zu kommen. Dafür ersaufen wir in Brombeeren. Die scheinen weder die Rehe noch die Vögel zu mögen. 

Sonntagnachmittag in den Bergen. Herbstfarben. Bachrauschen. Putzlappen auf dem Balkongeländer. Ein Blogpost, der doch noch geschrieben wurde. Sonntagnachmittag.