Sonntag, 26. Juli 2015

Freiheit

Die Lost Souls Geschichte ist komplett! Aus diesem Grund habe ich heute Morgen bei Facebook das Profilbild geändert. Und zwar gleich doppelt. Einmal auf der Spezialseite der Serie und einmal auf meiner Autorenseite. Dabei sind meine Gedanken und meine Gefühle mit mir davongaloppiert. Bis sie in der Bretagne ankamen.

Mit 19 war ich zum ersten Mal dort. Auf einer atemberaubend schönen Insel. Ile de Bréhat. Es war das Jahr, in dem Lady Di ihren Prinz Charles heiratete. Ich konnte nicht verstehen, warum sie das tat. Ich war jung und ich fühlte mich frei. Am liebsten wäre ich für immer auf der Insel geblieben. Das ging nicht. Ich musste zurück in eine sinnfreie Ausbildung. Damit ich nie vergessen würde, wie sich Freiheit anfühlt, schrieb ich mir damals eine Postkarte.

Ich weiss nicht, ob sie mich gerettet hat. Ich weiss nur noch, dass ich am ersten Tag nach den Ferien alles schmeissen wollte. Vier schon hinter mich gebrachte Ausbildungsjahre kappen und das fünfte sausen lassen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich noch ein Jahr aushalten sollte. Vielleicht hat die Postkarte geholfen. Wahrscheinlich eher die Tatsache, dass ich meinen Traumberuf nicht aufgeben wollte, nur weil die Ausbildung nichts taugte. Und auch mein Gewissen. Wir hatten wenig Geld und trotzdem hatten mich meine Eltern diese Ausbildung machen lassen. Wie konnte ich sie da enttäuschen? Auf jeden Fall hielt ich durch. Lernte von einem Lehrer, der seit mindestens 20 Jahren nicht mehr Grundschüler unterrichtet hatte, wie man Grundschüler unterrichtet. Schrieb Befindlichkeitszettel voll, legte sie in die Mitte des Kreises und ertrug dann das Geschwafel über das ewig Gleiche. Sass morgens im Psychologieunterricht, draussen strahlend schönes Wetter, ich hinter heruntergelassenen Gardinen, mit einer scherbelnden Schallplatte, von der grässliche Musik kam, und weigerte mich, in mich zu gehen.

Jene Zeit hätte ich nicht unbeschadet durchgestanden, wenn ich nicht geschrieben hätte. Damals waren es keine Bücher, auch keine Geschichten, sondern Gedichte, Songtexte und Protesttexte. Ich habe mir sozusagen die Seele aus dem Leib geschrieben und mir jeden Tag mein Stück Freiheit erkämpft. Heute würde ich schmeissen. Und zwar lange vor dem vierten Jahr. 

Was mir die fünf Jahre gebracht haben: Das Berufszertifikat für den Beruf, den ich lernen wollte. In dem ich dann aber im ersten Jahr grässlich versagte, weil ich das, worauf es ankam, nicht gelernt hatte. Jahrelanges Reisen, weil ich den Job schmiss, für den ich fünf Jahre durchgehalten hatte. Unzählige verschiedene Berufe, mit denen ich mir mein Geld für die Reisen verdiente. Eine freie Seele und ein freies Herz.

Viel später habe ich es dann mit dem ursprünglich gelernten Traumberuf noch einmal probiert. Ich habe alles anders gemacht, als man es mir beigebracht hat. Und siehe da: Es funktionierte. Ich wurde doch noch Lehrerin. 23 Jahre lang. Und habe (fast) jeden Augenblick davon geliebt. Ende Juni 2015 unterrichtete ich meine letzte Lektion. Nicht weil ich genug hatte, sondern weil mein Terminplan als Autorin immer wieder mit dem Unterricht kollidierte.

Es gibt immer wieder Sachzwänge im Leben. Und trotzdem bin ich innerlich frei geblieben. An die Postkarte von damals - die leider verloren gegangen ist - denke ich häufig. Dieses Jahr war ich nach all den Jahren wieder auf der Ile de Bréhat. Sie ist immer noch wunderschön.

Hier zwei Fotos. Eins von damals. Und eins von diesem Jahr.


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