Donnerstag, 16. August 2012

Heimatlos im Schwebezustand

Es ist eigenartig. Ich befinde mich in einer Art Schwebezustand. Dabei ist eigentlich alles klar: Ich schreibe das Finale meines neuen Thrillers. Ich erledige administrative Arbeiten, kläre Lesetermine ab, bereite mich auf den nächsten Workshop vor. Ende September erscheint mein neues Buch (keine Angst, nicht der Thriller, dessen Finale ich gerade schreibe; das wäre etwas zu kurzfristig). Die Zukunftsaussichten sind gut. Mir geht es gut.

Und trotzdem habe ich meine Füsse nicht richtig auf dem Boden. Es ist, als hätten sich Dinge leicht verschoben. Vielleicht kennt ihr das Gefühl - so richtig erklären lässt es sich nämlich nicht. Mein Thriller erscheint mir zu wenig "thrillig". Aber dieses Gefühl habe ich jedes Mal im Endspurt eines neuen Buches, deshalb glaube ich nicht, dass es daran liegt. Ich glaube, was mir wirklich nahe geht und mich beschäftigt, ist das Geknatsch um die Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative, die verhindern soll, dass unsere Bergtäler total zubetoniert werden.

Seit gut zwei Jahren lebe ich zu einem immer grösseren Teil in einem Bergtal, in einem alten Haus, das sonst wohl niemand gewollt hätte (wir lieben es!). Und seit zwei Jahren schaue ich fassungslos zu, wie dieses wunderschöne Tal in einem Wahnsinnstempo zugebaut wird. Neben dem kleinen Dorf, in dem wir wohnen, ist ein zweites entstanden, eine ganze Siedlung, lieblos aus dem Boden gestampft. Beim Badesee oben, direkt am Flachmoor, ist eine neue Riesensiedlung geplant, rundum wird gebaut, was das Zeug hält, und seit die Schweizer NEIN gesagt haben zu einer weiteren Verbauung, wird gnadenlos auf Halde geplant - so als wolle man kurz vor Ladenschluss noch alles, aber wirklich alles zubetonieren. Kürzlich waren wir in Brigels, einem einst schönen Dorf in der Surselva. Da karren mehr Lastwagen die Bergstrasse hinauf und hinunter als bei einem Kieswerk-Zubringer. Und wenn wir auf dem Weg nach Hause an Flims vorbeifahren, sehen wir nichts als Bautafeln und projektierte Bausiedlungen.

Ich liebe unser Haus in den Bergen. Aber ich weiss nicht, ob ich dort bleiben will, wenn das so weiter geht. Und das lässt mich grad ziemlich heimatlos fühlen.

Auf jeden Fall verstehe ich alle, die lieber anderswo Ferien machen als in den Schweizer Bergen. Wozu auch? Agglo angucken kann man auch im Tal unten.

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