Montag, 6. Februar 2012

Nein zur Buchpreisbindung

Sie sind verlockend, die Wunschvorstellungen, die mit einer erneuten Einführung der Buchpreisbindung einher gehen: Ein Nährboden für Schweizer AutorInnen soll die Buchpreisbindung werden, das Kulturgut Buch soll gefördert werden, den kleinen, unabhängigen Buchhandlungen soll die Buchpreisbindung eine Existenz ermöglichen. Eigentlich kann man da nur Ja dazu sagen. Oder?

Der erste grosse Hammer liegt im neuen Gesetzestext für die Buchpreisbindung:

Dieses Gesetz regelt die Preise von ungebrauchten und mängelfreien Büchern in den
Schweizer Landessprachen, die:
a. in der Schweiz verlegt werden;
b. gewerbsmässig in die Schweiz eingeführt werden; oder
c. in der Schweiz gehandelt werden.


Wer immer diesen Text zu verantworten hat, hat nicht aufgepasst. Wenn ich bei Amazon oder sonst einem Onlinebuchhändler aus Deutschland ein Buch bestelle, bestelle ich das nicht zum gewerbsmässigen Gebrauch, sondern zu meinem Privatgebrauch. Kurz: Die Buchpreisbindung gilt im Online-Handel für Privatpersonen nicht. Somit kann ich als Privatperson Bücher über den deutschen Online-Handel sehr viel billiger kaufen. Mehrere grosse Schweizer Buchhandelsketten sind darauf vorbereitet - sie haben ihre Online-Plattformen in Deutschland. Kleine Buchläden nicht. Sollte das Buchpreisbindungsgesetz für den Online-Handel mit dem Ausland nicht gelten, sind es die kleinen, unabhängigen Buchhandlungen, die als erste massiv unter Druck geraten.

Schweizer Autoren haben in den meisten grossen und kleinen Buchhandlungen ihren Nischenplatz. Mehr nicht. Weil Buchhandlungen Geld verdienen wollen und vor allem müssen. Der Lyriker aus Hintertupfenhausen und die Jugendbuchschriftstellerin aus der Ostschweizer Pampa sind nun einmal zu wenig gefragt, um ins Sortiment aufgenommen zu werden - von Buchstapeln reden wir schon gar nicht. Was die kleine Buchhandlung kann: Mehr Sachwissen anbieten und die vom Kunden gewünschten Bücher von Schweizer Autoren auf Wunsch bestellen (das geht auch heute: sehr schnell und sehr effizient). Das war in der Vergangenheit so und wird auch in Zukunft so sein. Ausser eine Buchhandlung spezialisiert sich auf Schweizer AutorInnen, was sie heute schon kann. Denn: Dem Schweizer ist seine Kultur trotz allem etwas wert. Er weiss, dass Schweizer Verlage nicht zu denselben Konditionen produzieren und verkaufen können wie Grossverlage aus dem Ausland. Um ein "Nährboden für Schweizer Autoren" zu sein, brauchen die Buchhandlungen keine Buchpreisbindung. Abgesehen davon: Dieses Bild vom alternativen Kleinbuchhandel, der Raritäten und Preziosen führt, ist zwar schön, aber seien wir ehrlich: Nicht jede Kleinbuchhandlung ist automatisch solch ein Wunschgeschäft. So, wie nicht jeder Schweizer Autor Kulturgüter für die Unendlichkeit schreibt, sondern schlicht und einfach mal gute und mal weniger gute Unterhaltung produziert, wie sie seine ausländischen Kollegen und Kolleginnen auch produzieren. Wenn man das tut, muss man sich mit der grossen Masse vergleichen lassen. Das gehört zum Beruf Autor dazu. Wenn ich dann auch noch lese, dass der Schweizer Autor so etwas wie Artenschutz braucht, komme ich mir vor wie im Zoo. Ich will keinen Artenschutz. Genauso, wie ich keine Frauenquoten will. Ich will bessere Rahmenbedingungen - und zwar solche, die mir eine Buchpreisbindung nicht bietet.

Zur versprochenen generellen Preissenkung nach der Wiedereinführung der Buchpreisbindung: Ich höre die Worte und glaube sie nicht mehr. Wir Deutschschweizer hatten lange eine Buchpreisbindung. Wer damals die Franken-Preisschilder vom Buch zog und darunter die Euro-Preise sah, der erlebte seine Furstmomente. Dieser Frust über überhöhte Preise führte unter anderem zur Abschaffung der Buchpreisbindung. Doch, ja, Schweizer sind bereit, etwas mehr für ein Produkt zu bezahlen, aber dort, wo es ausartet und man sich nur noch übervorteilt vorkommt, beginnt die Wut. Und der Blick in den Online-Buchladen.

Aber, so verspricht uns die Pro-Kampagne: Der Preisüberwacher kontrolliert die Preisentwicklung! ("Sollte ein Verlag einen unverhältnismässigen Preis festsetzen, ist der Preisüberwacher zur Stelle"). Da bin ich dann mal gespannt. Seit Monaten werden uns in der Schweiz ausländische Magazine zu massiv überhöhten Preisen verkauft (Bsp: In Deutschland kosten sie 4.95 Euro und in der Schweiz dann 10.00 Franken). Der Preisüberwacher hat reklamiert. Worauf ihn die deutschen Verlage herzhaft belächelt haben. Und bei den Büchern soll das dann plötzlich anders sein? Mir fehlt der Glaube und die Hoffung.

Kommt dazu: Die Buchpreisbindung kämpft um eine Buchwelt, die es so nicht mehr gibt. Die Buchbranche steht in einem riesigen Umbruch. War es schon früher hart, sich in dieser Branche zu behaupten, so ist es heute noch viel härter. Die Konzentration auf Bestseller hat auch in Ländern begonnen, in denen es eine Buchpreisbindung gibt. Das E-Book stellt uns vor neue Herausforderungen. Ganz zu schweigen vom Internet, das Möglichkeiten bietet, die wir nie zuvor hatten.

Und damit komme ich zu den Rahmenbedingungen: In einer Welt, in der das Buch nichts wert ist, nützt der Artenschutz nichts. Es ist sinnlos, vom Kulturgut Buch zu reden und gleichzeitig zu erwarten, dass ein Buch nicht mehr kosten darf als ein Drink an der Bar / zwei Cappuccinos im Café / eine grosse heisse Schokolade bei Starbucks uws. Es ist sinnlos, von Schweizer Kulturgut zu reden, wenn Tageszeitungen nur noch Bestseller oder die ewig gleichen paar Schweizer Autoren besprechen und interviewen (löbliche Ausnahmen: Die Lokalzeitungen). Es ist sinnlos, uns vorzugaukeln, kleine, unabhängige Buchläden können dank der Buchpreisbindung überleben. Zum Überleben brauchen sie Kunden, überzeugte Kunden, interessierte Kunden. Es wird immer Kunden geben, die man nur über den Preis anspricht. Und dann gibt es die Kunden, die man durch seinen Auftritt überzeugt. Durch kreative Ideen, durch gute Beratung, durch ein spannendes Sortiment. Es ist sinnlos, uns Schweizer Autoren vorgaukeln zu wollen, alles würde mit der Buchpreisbindung besser, solange kein Mensch erfährt, was wir Schweizer Autoren so (er)schaffen. Was man nicht kennt, kann man auch nicht kaufen wollen.

Nein, einfach ist das nicht. Aber es wird mit der Wiedereinführung der Buchpreisbindung nicht einfacher. Wer sich Länder mit Buchpreisbindung anschaut, wird sehen, dass der kleine, unabhängige Buchhandel auch dort zu kämpfen hat, genauso wie grössere Läden, ja, sogar Buchhandelsketten. Die Misere ist zum Teil hausgemacht, zum Teil ist sie schlicht und einfach eine Zeiterscheinung. Es liegt an uns Kunden, das zu ändern. Es liegt an uns, zu überlegen, was uns ein gutes Buch wert ist.

Mein Fazit: Die Buchpreisbindung ist der falsche Weg. Nehmen wir sie an, entsorgen wir wichtige Fragen in einer Scheinlösung. Wir stellen uns damit nicht wirklich den Problemen und Realitäten.

PS: Ich bekomme für jedes verkaufte Buch gleich viel. Egal, ob es bei Amazon oder beim lokalen Buchhändler gekauft wird.

PPS: Ich kaufe Bücher grundsätzlich im Buchladen, meistens im gleichen kleinen, unabhängigen Buchladen hier im Ort. Weil es für mich nichts Schöneres gibt als einen kleinen, unabhängigen Buchladen.

UPDATE: Ich habe diesen Eintrag jetzt ein paar Mal gelesen - und ich fürchte, er klingt für mich jedes Mal ein bisschen wirrer. Im Substanz-Blog ist es mir besser gelungen, meine Argumente auf den Punkt zu bringen. Der Link dazu findet sich in der Blogroll auf der rechten Seite - zusammen mit anderen lesenswerten Kommentaren zur Buchpreisbindung.

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